Bayerische Vertretungen:Weltweit dahoam

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Von Berlin bis Ho-Chi-Minh-Stadt: Bayern unterhält etwa 30 Repräsentanzen für die Kontaktpflege und Geschäftsanbahnungen. Ein Rundblick

Von Wolfgang Wittl

Waffenlieferungen? Gewiss. Menschenrechte? Auch das. Eine Frage trieb Ministerpräsident Horst Seehofer jedoch besonders um, als er neulich von seiner Reise aus Saudi-Arabien und Katar zurückkehrte: Warum unterhält der Freistaat in dieser wirtschaftlich boomenden Region nicht schon längst eine Auslandsrepräsentanz? Noch im Flugzeug erteilte er den Auftrag, sich der Sache anzunehmen. Es wäre nicht die erste Niederlassung im weltweit gesponnenen Netz bayerischer Interessen - und vermutlich auch nicht die letzte.

Geschichte

Der bayerische Drang, sich in aller Welt Gehör zu verschaffen, ist älter als der Freistaat in seiner heutigen Ausprägung. Bereits im 17. Jahrhundert pflegte das Kurfürstentum Bayern Kontakte zu anderen Höfen innerhalb und außerhalb des Reiches. Es war die blühende Zeit der Gesandtschaften, besonders evident am Immerwährenden Reichstag von Regensburg, an dem halb Europa seinen Einfluss geltend zu machen versuchte. Wichtiger denn je wurden die Dependancen zur Zeit Napoleons, als Bayern um sein politisches Überleben kämpfte.

Angesichts ständig wechselnder Bündnisse hatte die Diplomatie Hochkonjunktur - niemand erkannte das besser als der bayerische Superminister Maximilian von Montgelas. Doch auch als Bayern seinen Status als Königreich gefestigt hatte, legte es unvermindert großen Wert auf seine Vertretungen, wie der Historiker Martin Ott schreibt.

Wie in heutigen Botschaften ging es vor allem um den Austausch mit anderen Regierungen, die Betreuung von Staatsbürgern im Ausland - aber auch darum, seine eigene Bedeutung angemessen zur Schau zu stellen. Selbst als Bayern im Jahr 1871 im Deutschen Reich aufgegangen war, behielt es seine diplomatische Eigenständigkeit weitgehend bei. Zwar wurden Auslandskonsulate in der Ferne geschlossen, doch in Europa - etwa in Frankreich, Russland oder auch im Vatikan - blieb man präsent, bis die Nationalsozialisten einen Schlussstrich unter das gesandtschaftliche Eigenleben zogen. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg nahm Bayern wieder eine Vertretung beim Bund auf.

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So residiert Bayern in Brüssel.

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(Foto: picture-alliance/ dpa)

Die Bänder zum Zerschneiden sind in Vietnam irgendwie etwas breiter. Seit 2008 unterhält Bayern (rechts Emilia Müller) dort eine Außenstelle.

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Bayern ist auch in Israel vertreten, genauer gesagt in Tel Aviv.

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So samma mia: Landwirtschaftsminister Brunner in Berlin.

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Bavaria an der Moldau: die neue Außenstelle in Prag.

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Umgeben von Drachen: Seehofer in Shenzhen.

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(Foto: picture-alliance/ dpa)

So residiert Bayern in Berlin.

Wo ist Bayern überall vertreten?

Wer heute einen Blick auf die Weltkarte wirft, findet nur noch einen Kontinent ohne bayerische Niederlassung: Australien. Etwa 30 Repräsentanzen hat der Freistaat in den vergangenen Jahren gegründet, darunter an so erstaunlichen Orten wie Ho Chi Minh City. Die vietnamesische Stadt mag einem in den Sinn kommen, als der Ministerpräsident sagte, zur Not müsse man woanders eben einen Stützpunkt schließen, um im Nahen Osten einen eröffnen zu können. Wahrscheinlicher allerdings ist, dass die Zahl weiter zunehmen wird. Besonders hoch ist die Dichte bayerischer Vertretungen in Europa, auffallend niedrig ist sie in Afrika mit dem einzigen Standort Johannesburg. Immer wieder lädt Wirtschaftsministerin Ilse Aigner zu sogenannten Außenwirtschaftsabenden mit den bayerischen Auslandsrepräsentanten ein, um Unternehmen, Verwaltungen und Verbände international zu vernetzen. Größere bayerische Städte sind mittlerweile selbst weltweit mit eigenen Delegationen unterwegs, um der heimischen Wirtschaft den Boden zu bereiten. Regensburg etwa pflegt derzeit enge Beziehungen nach Asien, "hier hilft uns die Vor-Ort-Präsenz des Freistaates in China oder Japan sehr", sagt Wirtschaftsförderer Toni Lautenschläger. Denn darauf kommt es vor allem an bei den Auslandsrepräsentanzen des Freistaates: Kontakte herstellen und Geschäfte einfädeln helfen.

Wer ist zuständig?

Die meisten bayerischen Repräsentanzen sind unter dem Dach des Wirtschaftsministeriums angesiedelt. Vier allerdings gehören zur Staatskanzlei: die Vertretungen beim Bund in Berlin, bei der Europäischen Union in Brüssel sowie in Prag und in Québec. Letztere wurde 1984 von Franz Josef Strauß angestoßen, schon allein deshalb dürfte sie sakrosankt sein. Neben der Entwicklung vom Agrarland zum Hightech-Standort und gemeinsamen Interessen bei Luft- und Raumfahrt sei "der gemeinsame Wille zur Bewahrung der eigenen Identität und Kultur ein wichtiger Faktor für die Begründung der Partnerschaft" mit Québec gewesen, teilt die Staatskanzlei mit. Die kanadische Provinz ist in Bayern ihrerseits durch eine "Generaldelegation" vertreten. Die Niederlassung in Prag wurde erst im vergangenen Dezember von Horst Seehofer offiziell eröffnet. Sie soll dazu dienen, die jahrelang belasteten Beziehungen zu verbessern und die Freundschaft der Nachbarn auszubauen. Was allen Repräsentanzen gemeinsam ist: Die meist mondänen Häuser befinden sich in bester Lage, das Schönste ist nur gut genug. Nicht dass die Welt noch einen falschen Eindruck von Bayern bekommt, laut Seehofer ja immerhin die Vorstufe zum Paradies.

Die Kosten

Etwa drei Millionen Euro gab das Wirtschaftsministerium im vergangenen Jahr für seine 25 Niederlassungen aus. Dazu kamen knapp vier Millionen Euro für die vier Vertretungen der Staatskanzlei. Der größte Posten entfällt mit gut 1,7 Millionen Euro auf Berlin, das mit fast 60 Angestellten auch die meisten Mitarbeiter aufweist, gefolgt von Brüssel mit 34 Beschäftigten. Alle anderen Repräsentanzen sind deutlich kleiner.

Der Nutzen

Was bleibt für den Freistaat konkret hängen? In Zahlen ist der Rücklauf kaum messbar. Die Vertretungen der Staatskanzlei fungierten als politische Schnittstellen, als Kontakt- und Begegnungspunkte, heißt es. In Berlin und Brüssel geht es um die Wahrung bayerischer Interessen, etwa auch bei der Gesetzgebung. Auch bei den wirtschaftlichen Repräsentanzen ist der Erfolg nur schwer zu beziffern. Dass sie notwendig sind, gilt in der Staatsregierung jedoch als verbrieft. Allein in Brasilien seien in den vergangenen 15 Jahren etwa 600 bayerische Unternehmen bei der Gründung von Niederlassungen unterstützt worden. In Mexiko wiederum, einem führenden Standort für die bayerischen Autobauer, soll der Ausbau der Zulieferindustrie gestärkt werden. In China wurde wegen der großen Nachfrage vor zwei Jahren sogar ein weiteres Büro in der Provinz Guangdong eröffnet. Auch Lateinamerika habe großes Potenzial. Die Abteilung "Invest in Bavaria" hingegen mit Repräsentanzen in den Vereinigten Staaten, Japan und Indien hat den Auftrag, für Direktinvestitionen dieser Länder nach Bayern zu werben.

Die Konkurrenz

Bayern ist nicht das einzige Bundesland mit Repräsentanzen. Vertretungen beim Bund in Berlin und bei der Europäischen Union in Brüssel sind für jedes Bundesland obligatorisch. Sachsen unterhält zudem ein Büro in Prag, andere Länder wie Niedersachsen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen haben ebenfalls Dependancen in aller Welt eingerichtet. So fleißig wie der Freistaat Bayern arbeitet indes kaum jemand an seinem wirtschaftlichen Fortkommen. Dass der derzeitige Standort in der Golfregion, in Abu Dhabi, ausgebaut werden soll, ist bereits beschlossene Sache. Offen ist nur noch, wo genau die neue Repräsentanz stehen soll.

© SZ vom 02.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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