Bayerische Polizisten nach Afghanistan:Auf gefährlicher Mission

Abschied mit Sekt und Händedruck: Innenminister Herrmann schickt sechs bayerische Polizisten nach Afghanistan - und will damit ein Zeichen setzen.

Fabian Heckenberger

Kein Kuscheltier, kein Foto und nicht einmal ein Schlüsselanhänger. Uli Barth wird auf keinen Fall einen Talisman mit nach Afghanistan nehmen. "Da hängen zu viele Emotionen dran", sagt der Polizei-Hauptmeister und fragt: "Was passiert, wenn der Talisman abhanden kommt?" Er habe schon von Kollegen gehört, die durchgedreht seien, weil sie solch eine Erinnerung an die Heimat verloren hatten.

Bayerische Polizisten nach Afghanistan: Joachim Herrmanns Fingerzeig: Der Innenminister ist stolz darauf, dass künftig auch Polizisten der bayerischen Landespolizei mit weiß-blauem Wappen auf hellblauer Uniform in Afghanistan im Einsatz sein werden.

Joachim Herrmanns Fingerzeig: Der Innenminister ist stolz darauf, dass künftig auch Polizisten der bayerischen Landespolizei mit weiß-blauem Wappen auf hellblauer Uniform in Afghanistan im Einsatz sein werden.

(Foto: Foto: ddp)

Wenn Uli Barth demnächst in das Flugzeug steigen wird, das ihn von München nach Kabul bringt, dann wird er das nötigste Reisegepäck mitnehmen und die Bilder seiner Familie im Kopf. Sonst nichts. Pistole, schusssichere Weste und seine blaue Uniform mit dem bayerischen Wappen auf dem Ärmel werden in einem offiziellen Polizei-Metallkoffer schon bereitstehen. Warum er sich das antut? "Ich bin keiner, der lange redet, ich bin einer der handelt", sagt der 36-Jährige.

Uli Barth ist einer von sechs bayerischen Polizisten, die Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nach Afghanistan entsendet - es sind die ersten Landespolizisten aus Bayern, die in das Krisengebiet fliegen.

Endgültige Kehrtwende

Seit 2002 läuft die Mission Europol, die Aufbau- und Ausbildungshilfe für die afghanische Polizei. 283 Beamte aus Europa sind derzeit dort im Einsatz, unter ihnen 141 Deutsche aus 15 Bundesländern unter Leitung der Bundespolizei. Nur Bayern schickte bislang kein eigenes Personal.

Herrmann hat nun endgültig die Kehrtwende vollzogen und die sechs Beamten am Dienstag mit Händedruck, einem Glas Sekt und Gruppenfoto auf den Treppen des Innenministeriums verabschiedet. Vier von ihnen werden in der Hauptstadt Kabul im Einsatz sein, die anderen beiden bei sogenannten Provincial Reconstruction Teams in Balkh und in Faisabad.

Der Einsatz sei vor allem ein "Zeichen der Solidarität", sagte Herrmann und machte kein Geheimnis daraus, dass die Innenminister der anderen Bundesländer sich zuletzt vehement für eine Beteiligung bayerischer Beamter an der Mission ausgesprochen hatten: "Den Kollegen aus anderen Bundesländern und von der Bundeswehr war es kaum zu erklären, warum Bayern die Mission zwar befürwortet, sich aber nicht beteiligt."

Christa Naaß, Vizechefin der SPD-Landtagsfraktion, kommentierte das Einlenken mit den Worten: "Es war langsam höchste Zeit, dass Bayern seine Rolle als Drückeberger aufgibt."

Dass das Symbolische bei der Entscheidung im Vordergrund stand, räumte der Innenminister freimütig ein: "Zahlenmäßig kommt es nicht auf Bayerns Unterstützung an." Dennoch soll die Gruppe der Beamten aus dem Freistaat in den nächsten Monaten auf bis zu 15 Polizisten erhöht werden. Die genaue Aufenthaltsdauer der Beamten steht noch nicht fest. "Es ist Unsinn, über Exit zu reden, bevor sich der Erfolg eingestellt hat", sagte Herrmann.

"Wir gehen davon aus, dass wir ein Jahr dort bleiben werden", sagt Uli Barth, der sich in tagelangen Auswahlrunden sowie medizinischen und psychologischen Untersuchungen für die Auslandsreise qualifiziert hat. 113 Beamte aus Bayern hatten sich freiwillig für den Einsatz gemeldet. 51 von ihnen werden sich im nächsten Jahr gegenseitig ablösen. Für ihre Risikobereitschaft während des Aufenthalts in Afghanistan bekommen sie 130 Euro extra pro Tag.

Minister Herrmann betonte zwar, dass die Polizisten nur ausbilden und keine anderen polizeilichen Aufgaben wahrnehmen werden, die Beamten selbst gehen aber nicht davon aus, dass sie sich nur in Klassenzimmern und Schulungsräumen aufhalten werden. "Das wird sich nicht völlig trennen lassen", sagt Barth: "Wenn wir sehen, dass in anderen Bereichen Not am Mann ist, dann kann man ja nicht einfach dastehen und zuschauen. Wir werden nicht dort runtergeschickt, um Urlaub zu machen." Vorbereitet wurden die Polizisten in mehrwöchigen Schulungen in Bamberg und Lübeck auf verschiedenste Szenarien.

"Lebensgefährliche Situationen"

So lernten sie den Umgang mit Minen oder das Verhalten als Geisel bei einer Entführung. Ihre Standorte werden sie nur in Sicherheitsfahrzeugen und unter Schutz der Bundeswehr verlassen können. "Bei aller Euphorie darf nicht verkannt werden, dass die Einsatzkräfte der Polizei in lebensgefährliche Situationen geraten können", sagt Harald Schneider, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP).

Bei einem Bombenattentat waren 2007 drei deutsche Bundespolizisten bei Kabul ums Leben gekommen, unter ihnen ein 31-jähriger Personenschützer aus dem mittelfränkischen Leinburg.

Als erster der sechs Bayern steigt am Montag Klaus Hofmann ins Flugzeug. Der Hauptkommissar war bereits im Kosovo und in Bosnien im Einsatz. Die Reise nach Afghanistan bezeichnet der 47-Jährige als "eindeutig am gefährlichsten", gleichzeitig als "persönlichen Höhepunkt". Er fühle sich gut vorbereitet. Dass die Schulung in Lübeck zum Thema Landeskunde seit Mai nicht mehr stattfindet, hat der Nürnberger selbst kompensiert: Zur Vorbereitung hat Hofmann das Buch "Drachenläufer" gelesen und bei Google immer wieder die Stichworte "Kabul" und "Explosion" eingetippt.

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