Bauernprotest in München:"Wir wollen Gericht halten"

Ein Hauch von Selbstjustiz: Wütende Bauern zogen mit rußgeschwärzten Gesichtern vor die Bayerische Staatskanzlei. Das Haberfeldtreiben in Bildern.

Sarina Pfauth

9 Bilder

Haberfeldtreiben in München

Quelle: SZ

1 / 9

Ein Hauch von Selbstjustiz: Wütende Bauern zogen in der Nacht auf Donnerstag mit rußgeschwärzten Gesichtern vor die Bayerische Staatskanzlei. Das Haberfeldtreiben in Bildern.

Es ist ein alter, aber kein sonderlich netter Brauch, den Bauern am Mittwoch vor der Bayerischen Staatskanzlei wieder aufleben ließen: In früheren Zeiten wurden ledige Mütter, Liebhaberinnen und schlecht einschenkende Wirte nachts von Männern mit schwarz bemalten Gesichtern heimgesucht und mit Schandversen überzogen - beim Haberfeldtreiben in München waren vor allem "Genhofer" und "seine Magd Aigner" dran.

Foto: ddp

Haberfeldtreiben in München

Quelle: SZ

2 / 9

Früher bereitete man jenem ein Nachtgericht, der gegen die ländliche Moral verstieß. Im Hinblick auf Milchquote und Pflicht zur Impfung gegen die Blauzungenkrankheit fanden die Organisatoren von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) diesen Brauch anscheinend ganz passend auf ihre aktuelle Situation: "Wo Aufrichtigkeit und Wahrheit hinkt, wo Lug und Trug zum Himmel stinkt, und wo's der Brauch ist, dass man Worte bricht, do kommt das Haberfeldgericht", skandierte der "Haberermeister" Georg Prechtl von der AbL. "Is des wohr?" fragte er die Bauern: Die johlten: "Wohr is!".

Foto: dpa

Haberfeldtreiben in München

Quelle: SZ

3 / 9

Zunächst trafen sich die dunklen Gestalten am Odeonsplatz, um sich mit Kuhglockengerassel und dem Haberfeldtreiberlied schon einmal einzustimmen auf den Abend: "Der Sonni (Bauernverbandspräsident Gerd Sonnleitner, Anm. d. Red.) hat gsagt, es schafft des ois und i fragt mi wir griang ma den vom Hois."

Foto: Pfauth

Haberfeldtreiben in München

Quelle: SZ

4 / 9

Die Wut ist groß auf dem Odeonsplatz - auf die bayerische und die europäische Politik und auf den Bauernverband, die mächtige Konkurrenz der AbL.

Sie seien im Moment dabei, alles zu verlieren, was ihnen im Leben wichtig sei, sagte AbL-Bundesvorsitzende Maria Heubuch auf der Bühne. Das trifft die Stimmung auf dem Platz: "Wir erhoffen uns von dieser Politik gar nichts mehr", sagt ein Bauer aus Passau resigniert. "Wir Bauern haben immer CSU gewählt, aber wir wählen jetzt die Grünen, das sind die einzigen, die bäuerliche Politik machen." Besonders ärgere ihn ...

Foto: Pfauth

Haberfeldtreiben in München

Quelle: SZ

5 / 9

... die Pflicht zur Impfung gegen die Blauzungenkrankheit. "Wir haben mehr Angst vor der Impfung als vor der Krankheit", sagt er. Weil er sich weigere, seine Tiere zu impfen, hätte er schon den Gerichtsvollzieher im Haus gehabt, der ein Zwangsgeld eintreiben sollte. Warum er und seine Kollegen heute Abend hier sind? "Wir wollen Gericht halten." Das hört sich martialisch an, ...

Foto: Pfauth

Haberfeldtreiben in München

Quelle: SZ

6 / 9

... blieb dann aber völlig gewaltfrei. Neben rund 650 Bauern waren auch Studenten da, die Flyer verteilten und dazu erklärten: "Das ist so eine Art Anti-CSU-Kampagne - wir wollen uns langfristig mit den Bauern zusammentun."

Foto: Pfauth

Haberfeldtreiben in München

Quelle: SZ

7 / 9

Vom Odeonsplatz zogen die Bauern lärmend zur Staatskanzlei. Dort trug Haberermeister Prechtl eine Tirade mit Spottversen auf die bayerischen Politiker vor: "Genhofer und Genleitner denga sich: Mei san mir gescheit. Mir hören net auf'd Leit", dichtete der Haberermeister. "Die den nur schummeln und mechten Verbraucher und Bauern verdumma".

Foto: dpa

Haberfeldtreiben in München

Quelle: SZ

8 / 9

Verbandsfürst Sonnleitner sei "der Feind der Bauern", über Seehofer schimpfte Prechtl: "Als Landwirtschaftsminister host schon nix taugt, dann hast nach nem Ministerpräsidentenposten geschaut".

Foto: ddp

Haberfeldtreiben in München

Quelle: SZ

9 / 9

Das Ansinnen, die bayerische Tradition des Haberfeldtreibens aufleben zu lassen, stieß auch auf Kritik: Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) sagte, Haberfeldtreiben früherer Zeiten seien keine Demonstrationen gewesen. "Es handelte sich vielmehr um Selbstjustiz, bei der Streitigkeiten und Verfehlungen geregelt beziehungsweise geahndet wurden, ohne die zuständigen Obrigkeiten einzuschalten", ließ sie in einer Pressemitteilung verkünden. "Wer dieses gesetzlose Instrument in der heutigen Zeit wiederbeleben will, geht den völlig falschen Weg." Dabei würden Argumente durch emotionale Aggression ersetzt. Auch der Bauernverband und der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter hatten sich vorab von dem Protest der AbL distanziert.

Foto: dpa Text: sueddeutsche.de/pfau/af/jja

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: