Basis über Seehofers Attacke:"Ich kleb' keinen Seehofer mehr"

Markus Söder erhält plötzlich ungewöhnlich viel Sympathie: Die CSU-Basis ist empört über Seehofers Attacke gegen ihn und stellt sich demonstrativ hinter den Gescholtenen. Viele erwarten vom Ministerpräsidenten nun eine offizielle Entschuldigung - und wollen die Zusammenarbeit beim Wahlkampf verweigern.

So viel Sympathie ist Finanzminister Markus Söder aus seiner eigenen Partei wahrscheinlich noch nie entgegengebracht worden. Seit ihn Ministerpräsident Horst Seehofer als "vom Ehrgeiz zerfressen" bezeichnete und ihm "charakterliche Schwächen" vorwarf, formieren sich die Unterstützer. Im Kabinett, in der Landtagsfraktion - und vor allem auch an der CSU-Basis. Dort herrscht großer Unmut über den Parteichef.

Eines steht für Thomas Zehmeister, den Ortsvorsitzenden der CSU Großhabersdorf (Landkreis Fürth), schon fest, wenn es im nächsten Jahr auf die Landtagswahl zugeht: "Da kleb' ich keinen Seehofer mehr." Für ihn seien die Ausfälle des Ministerpräsidenten absolut nicht nachvollziehbar, noch dazu "ein Dreivierteljahr vor der Wahl, wo wir so gut da stehen". Er nennt Seehofer "kaum tragbar". Mit der Mitteilung, dass sich die beiden ausgesprochen und die Sache bereinigt hätten, ist es für ihn nicht getan. Seehofer habe Söder öffentlich kritisiert, also müsse er sich auch öffentlich entschuldigen, sagt Zehmeister. "Das ist für mich eine Charakterfrage." Söder kann weiter mit der vollen Unterstützung aus Großhabersdorf rechnen. "Wir haben mit großen Stolz beobachtet, wie er vom Großmaulgeneral zum Staatsmann geworden ist", sagt Zehmeister. Söder sei der Mann der CSU in Franken.

Als Vorbild wird Söder von Matthias Bauer, dem Vorsitzenden der Jungen Union in Nürnberg, bezeichnet. Die JU hatte sich direkt nach Seehofers Kritik hinter Söder gestellt. "Ich war entsetzt über den Umgangston", sagt Bauer, in seinem Verband werde nicht so miteinander geredet. Dass es nun eine Aussprache gegeben habe, sei begrüßenswert, denn "wir sind auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit angewiesen". Die JU Nürnberg drückte außerdem ihre Solidarität mit der JU-Landesvorsitzenden Katrin Albsteiger aus, die kürzlich mit ihrem Vorschlag, die CSU-Mitglieder zu den Studiengebühren zu befragen, an Seehofer gescheitert war. Beide seien "Leistungsträger unserer Partei und sollten auch so behandelt werden", sagt Bauer.

Christian Meißner, der Landrat von Lichtenfels, sieht seine Forderung bestätigt, dass Söder und Seehofer aufeinander zugehen und das Kriegsbeil begraben sollten. "Ich halte beide für Profis, und Profis sollten sich professionell verhalten", sagt er.

"Der Ärger bei den Mitgliedern ist groß", sagt Hans Berkmüller, der Ehrenvorsitzende des CSU-Kreisverbandes Günzburg. Berkmüller hat schon viele Schlachten für die CSU geschlagen und so manche innerparteiliche Turbulenzen erlebt, doch die Äußerungen Seehofers über Parteifreunde haben selbst ihn sprachlos gemacht. "Es gibt kaum jemanden, der für solche Verunglimpfungen Verständnis hat", sagt er. Auch nach der Aussprache stehe noch immer eine Entschuldigung Seehofers aus, außerdem fehle eine Erklärung, warum er das gesagt habe. "Gerade jetzt, wo sich die CSU und Seehofer im politischen Aufwind befanden, drischt der Parteichef auf die eigenen Leute ein, das kann man nicht verstehen." Söder sei zwar nicht rundum beliebt, aber so etwas mache man nicht. Berkmüller erwartet auch eine Erklärung der CSU-Fraktionsführung . Allein mit solidarischem Beifall für Söder sei es nicht getan.

"Es ist einfach unfassbar"

"Es menschelt halt auch bei uns", betont Karl-Heinz Jahn, der frühere Bürgermeister von Langweid (Landkreis Augsburg) und stellvertretende CSU-Kreisvorsitzende in Augsburg-Land. "Es liegt natürlich der Verdacht nahe, dass Seehofer hier etwas loswerden wollte, aber so darf man das nicht machen."

"Es ist einfach unfassbar, dass Seehofer solche Äußerungen in der Öffentlichkeit macht", erklärt Helmuth Zengerle, Bezirksrat und CSU-Ortsvorsitzender im schwäbischen Lauingen. "Ich weiß zwar nicht, welche Probleme Seehofer und Söder miteinander haben. Aber mir war hinterher rasch klar, dass Söder aus der Fraktion Unterstützung erhalten wird. Säße ich im Landtag, hätte ich mich auch mit Söder solidarisiert. Von Seehofer war das einfach ganz schlechter Stil." Ohnehin hat Zengerle Probleme mit Seehofers Position zur Krise in Griechenland. "Erst nimmt man eine forsche Haltung ein, dann kommt der Ministerpräsident aus Griechenland nach München, schon geht man in die Knie und auf Schmusekurs." Finanzminister Söder sei da konsequenter. Der sage seine Meinung knallhart und stehe dann auch dazu.

Joachim Genosko, der CSU-Fraktionssprecher in Seehofers Heimat Ingolstadt, kennt den Ministerpräsidenten seit 20 Jahren. Dennoch musste er lange überlegen, was diesen zu den Äußerungen bewogen haben könnte. "Die für mich einzige rationale Erklärung ist die, dass sich der Ministerpräsident in der Nachfolge von Franz Josef Strauß sieht. Und der hat seine Leute auch von Zeit zu Zeit rund gemacht." Der CSU-Chef stehe derzeit im Zenit seiner Macht - dies lasse er seine Umgebung spüren. Seehofer wolle ganz allein über seine Nachfolge entscheiden. Und offenbar habe er gegenüber Söder ein Zeichen setzen wollen. Wie ergiebig die Aussprache mit Söder tatsächlich gewesen sei, könne er nicht beurteilen, sagt Genosko. Er wisse aber, dass solche Gespräche bei Seehofer mitunter sehr einseitig verliefen. Womöglich sei es nur darum gegangen, die Form zu wahren. Klar sei allerdings auch: Wenn der CSU-Chef eines Tages Schwäche zeige, würden sich all diejenigen, die von ihm gemaßregelt wurden, bei ihm revanchieren.

Er sei schon auch ein Freund klarer Worte, sagt Franz Löffler, der Landrat von Cham und Bezirkstagspräsident der Oberpfalz. "Aber meine Haltung war immer: Wenn ich mit jemandem ein Problem habe, dann sage ich es ihm persönlich. Damit bin ich gut gefahren." Dass Seehofers Tirade der CSU schaden werde, glaubt Löffler nicht. Doch sei es angesichts der Wahlen wichtig, Geschlossenheit zu zeigen - beginnend beim Parteivorsitzenden. Die Aussprache zwischen Seehofer und Söder sei ein richtiger Schritt in diese Richtung.

"Hochmut kommt vor dem Fall"

Deutliche Kritik übt Peter Erl, der Vorsitzende der niederbayerischen Mittelstandsunion. Die CSU stehe im Moment doch gut da, daher empfinde er Seehofers Rundumschlag als "unverständlich und unpassend". Ein klärendes Gespräch mit Söder sei zu wenig, Erl hält eine Entschuldigung Seehofers an alle Gerüffelten für nötig. Man könne doch Kabinettsmitglieder nicht wie Lehrbuben aussehen lassen. In seinem Bekanntenkreis schüttele jeder nur den Kopf über Seehofer, berichtet Erl. Ebenso verwundert sei er jedoch, mit welcher Demut die Gescholtenen sich fügten. "Ich würde mir das verbitten - trotz aller Abhängigkeiten, die es gegenüber einem Parteichef vielleicht gibt." Irgendwann werde Seehofer für diese Äußerungen büßen, "Hochmut kommt vor dem Fall". Dass es innerhalb der CSU einmal zu einer derart großen Solidarisierung mit Markus Söder kommt, hätte sich Peter Erl nicht träumen lassen. Er selbst hatte Söder vor gut einem Jahr bei der Kehrtwende in der Atompolitik als "Gaddafi Bayerns" beschimpft. "Ich bin kein Freund von ihm", räumt Erl ein, "trotzdem stelle ich mich jetzt hinter Söder. Denn so geht's nicht!"

Die CSU im oberbayerischen Weilheim hatte der Parteichef mit seinen Äußerungen nicht aus der Fassung gebracht. "Der Herr Seehofer ist halt so, man kennt ihn so", sagt der Ortsvorsitzende Stefan Zirngibl. Er selbst würde Kritik an Parteifreunde aber "nicht so formulieren. Ich pflege mehr das Miteinander". Zirngibl kann schon nachvollziehen, dass Markus Söder solche harschen Worte nahegehen, ja dass er sogar darunter leidet. Aber allzu große Sensibilität hält er auch wieder nicht für angebracht. "Auch wenn es traurig ist, so was muss ein Politiker aushalten können."

Ganz ähnlich sieht es sein Kollege Michael Zenz. Der CSU-Chef in Trostberg findet Seehofers Äußerungen nicht gerade förderlich. "In der CSU sollte man an einem Strang ziehen. Mit solchen Aussagen bewirkt man das Gegenteil." Aber das, was in München vom Stapel gelassen werde, solle man nicht dramatisieren. "Ich nehme das nicht ganz so wichtig. Es gibt genügend Sachfragen, über die wir reden sollten." Mitleid mit dem so arg gescholtenen Finanzminister hat er nicht. "Das ist einer, der gerne mal mit schnellen Aussagen bei der Hand ist." Wer ganz an der obersten Front der Politik kämpfe, der brauche halt ein dickes Fell. Deshalb empfiehlt Zenz Finanzminister Söder, was dieser offensichtlich ohnehin getan hat: "Da muss er halt auch mal drüberstehen."

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