Barbara Stamm:Diese Frau ist unverzichtbar für die CSU

Barbara Stamm

Die bayerische Landtagspräsidentin Barbara Stamm beim Sommerempfang des Bayerischen Landtags auf Schloss Schleißheim im Jahr 2014.

(Foto: dpa)
  • Seit bald 41 Jahren ist Barbara Stamm für die CSU im bayerischen Landtag - und die beliebteste Politikerin ihrer Partei.
  • Nun stellt sich die Fragen: Wird die 72-Jährige nächstes Jahr noch einmal für den Landtag antreten, ein elftes Mal? Und wird sie damit auch Landtagspräsidentin bleiben?

Von Wolfgang Wittl

Als Horst Seehofer vor zwei Wochen durch China reiste, hatte er plötzlich einen eiligen Termin. Nicht mit den Vizepremiers, Gouverneuren oder Regimekritikern, die er wie geplant traf. Sondern mit einer Frau aus seiner Delegation. Er müsse nun ins "Red Moon", ein Treffen mit Barbara Stamm in einer Lounge des Hotels, verriet Seehofer und entschwand.

Wie lange er mit der Landtagspräsidentin plauderte, ob zu zweit oder mit mehreren Leuten, ist nicht überliefert. Aber das ist auch nicht so wichtig, denn die entscheidende Frage mit Stamm hatte der CSU-Chef zu diesem Zeitpunkt vermutlich schon geklärt: Wird die 72-Jährige nächstes Jahr noch einmal für den Landtag antreten, ein elftes Mal? Und wird sie damit auch Landtagspräsidentin bleiben?

Barbara Stamm lächelt nur ihr Barbara-Stamm-Lächeln, wenn sie darauf antworten soll, sie tätschelt einem den Arm und redet schnell über andere Dinge. Das heißt nicht, dass sie nicht bereits eine klare Idee hätte. Sie will bloß nichts sagen. Andere sind weniger dezent. In der CSU häufen sich die Stimmen, die versichern, Stamm werde garantiert wieder kandidieren.

Der Prozess erinnert an Horst Seehofers Entscheidungsfindung, und Seehofer hat einiges damit zu tun, ob Stamm ihren bald 41 Jahren im Landtag weitere fünf hinzufügen will. Beider Schicksal ist eng verknüpft. Der CSU-Chef und Ministerpräsident hatte selbst lange offen gelassen, ob er in beiden Ämtern weitermachen will. Vor der Wahl 2013 hatte er gesagt, 2018 sei für ihn Schluss. Ein Fehler, wie er später einräumte. Doch er wartete einfach, bis der Chor seiner Unterstützer mehr und mehr anschwoll. Und Seehofer, der Gerufene, erhörte ihn. Ein Vorbild für Stamm?

Auch sie hat angedeutet, dass ihre politische Laufbahn 2018 enden werde. Auch sie wird man rufen müssen. Mehr als einmal wurde Stamm bereits gebeten, in ihren Ämtern auszuharren, etwa als stellvertretende CSU-Vorsitzende. Die ehemalige Sozialministerin aus Würzburg zählt zu Bayerns beliebtesten Politikern, in Umfragen belegt sie seit Jahren Spitzenplätze. Noch wichtiger für die CSU: Als Listenführerin in Unterfranken ist sie hinter dem Oberbayern Seehofer wichtigste Stimmenzieherin im Freistaat, weit mehr als 200 000 Menschen wählten sie zuletzt. Für die Landtagswahl 2018, bei der es für die CSU auf jede Kommastelle ankommt, bleibt Stamm ein unverzichtbarer Faktor. Für jeden Spitzenkandidaten ein Segen, wenn sie bleibt.

Als Seehofer über seine Zukunft grübelte und grübelte, fand Stamm die deutlichsten Worte. Energisch soll sie dem Ministerpräsidenten in einer Strategiesitzung zugeredet haben, er möge sich rasch und eindeutig erklären. Die Menschen verlangten endlich Orientierung und Antworten, soll Stamm gemahnt haben. Gleichzeitig gehörte sie zu jenen, die Seehofer zum Weitermachen drängten. Nun, da Seehofer sich in ihrem Sinne entschieden hat, würde es überraschen, wenn er die Stimmenkönigin im Gegenzug nicht selbst in die Pflicht genommen hätte. Nach dem Prinzip: Wenn ich noch mal verlängere, musst du aber auch. Es wäre zumindest erstaunlich, wenn Seehofer diese Chance nicht genutzt hätte.

Der Trend in der CSU zum Weitermachen

Vor Monaten vermittelte Stamm auf die Menschen in ihrer näheren Umgebung den Eindruck, als tendiere sie zum Aufhören. Sie wolle Jüngeren den Weg nicht verbauen. Gesprächspartner haben dann meist geantwortet, dass die Chancen der Jüngeren auf einen Einzug in den Landtag doch erst stiegen, wenn Stamm nur wieder antrete. Angeblich soll sie dieser Argumentation inzwischen etwas abgewinnen können. Ein denkbares Modell: Ihren Job als CSU-Vize gibt Stamm ab, um ihre Belastung zu reduzieren und einen Platz freizumachen. Im Landtag geht es weiter wie bisher.

Als einfache Abgeordnete wird Stamm ihre Karriere allerdings kaum fortsetzen, als Landtagspräsidentin hat sie ihre Traumrolle gefunden. Nur Seehofer kann ihr diese Aufgabe antragen, doch wäre es ungeschickt, zu früh damit zu kokettieren. Es werden also noch Monate vergehen, bis offiziell Klarheit herrscht. In den eigenen Reihen hätte Stamm wenig Widerstand zu befürchten. Anders als 2008, als der Kampf um das hohe Amt selbst für CSU-Verhältnisse jede Würde vermissen ließ, drängt sich in der Partei kein natürlicher Gegenkandidat auf. Sollte Stamm erneut an die Spitze des Maximilianeums rücken, könnte sie am Ende auf 15 Jahre zurückblicken. Nur Rudolf Hanauer (CSU, 1960 bis 1978) war länger Landtagspräsident.

Generell geht der Trend in der CSU zum Weitermachen. Auch andere erwägen, sich noch mal aufstellen lassen. Der Ex-Justizminister Alfred Sauter, 66, zählt zu den wenigen in der Fraktion, deren Rat sich Seehofer bedient. Parteifreunde rechnen fest mit einer weiteren Kandidatur. Joachim Unterländer, 60, Vorsitzender im Sozialausschuss, hält sich alle Optionen offen, obwohl ihm schon nachgesagt wurde, er werde aufhören. Falsch, sagte Unterländer nach seiner Wahl zum Vorsitzenden im Landeskomitee der Katholiken, nichts sei entschieden. Thomas Goppel, 70, der einzige Abgeordnete mit mehr Dienstjahren als Stamm, soll auf Wunsch der Seniorenunion weitermachen. Ausgang ungewiss.

Als sicher gilt hingegen weiter der Abschied des früheren Parteichefs Erwin Huber, 70. Für seine Nachfolge wird die Abgeordnete Gudrun Zollner gehandelt, sollte sie den Einzug in den Bundestag verpassen. Seehofers grundsätzliche Meinung? Von ihm ist der Satz überliefert: Ganz könne er auf die Erfahrenen gewiss nicht verzichten, ohne jedoch Namen zu nennen.

In der CSU wird jedenfalls genau beobachtet, wie gut Stamm und Seehofer sich derzeit verstehen. Bei der Debatte über das neunjährige Gymnasium war es Stamm, die eindringlich für Förderschulen warb und Verbesserungen erwirkte. Auch in der Diskussion um einen dritten Nationalpark saß sie unlängst mit unterfränkischen Abgeordneten in der Staatskanzlei und sprach lange über die Rhön. Bei Arbeitserleichterungen für nicht anerkannte Flüchtlinge, die das Kabinett nun beschlossen hat, lag sie ebenfalls auf einer Linie mit Seehofer. Und als dieser beim Besuch von Angela Merkel im Publikum Platz nahm, setzte er sich selbstverständlich neben Stamm.

Für Seehofer, einen Mann mit ausgeprägtem Sinn fürs Kalkül, zweifellos eine Zugewinngemeinschaft. Er weiß nicht nur um Stamms Beliebtheit beim Wähler, sondern um andere Vorzüge: Jetzt, da CSU und CDU sich mit Blick auf die Wahlen versöhnen, sind soziale und liberale Qualitäten besonders gefragt. Zum ersten Kongress, als sich beide Parteien annähern sollten, entsandte er Stamm als CSU-Wortführerin.

Und dann ist da noch die Nähe bei Auslandsbesuchen. Erst war es China, am Mittwoch und Donnerstag begleitete sie Seehofer in die Ukraine. Eine Abschiedstournee? Eher nicht. Vielmehr sieht es so aus, als sei die lange politische Reise der Barbara Stamm längst noch nicht zu Ende.

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