Bandportrait: Doppel D:"I war scho immer a Randgruppe"

"Gräm", "Fränzn" und "Spliff" rappen als Doppel D auf bayerisch. Deshalb treten sie mit auch Haindling auf, performen im kleinen Bierzelt auf der "Oidn Wiesn" und sind für das große HipHop-Geschäft schlichtweg massenuntauglich. Ganz egal, denn den drei Künstlern ging es nie um kommerziellen Erfolg.

Benjamin Krischke

Sie sind ihre eigene Plattenfirma und PR-Abteilung, ihre eigenen Produzenten und Booker sowieso. Bei den drei Wahl-Münchnern ist alles quasi hausgemacht, und das, obwohl sie ihren Lebensunterhalt eben nicht einzig und allein mit Musik verdienen. Der 26-jährige Konstantin Gramalla (alias Gräm) ist Mediengestalter, Markus Hinkelmann (DJ Spliff), 31 Jahre alt, ist Projektleiter bei einer Firma, die für Internetauftritte zuständig ist, und Franz Liebl (Monaco Fränzn) ist Radiojournalist und auch "der Grantler".

Doppel D

DJ Spliff, Gräm und Monaco Fränzn (v.l.) brachten mit "B-aya-N" ein reines Mundart-HipHop-Album heraus und verzichten damit, was ihnen völlig bewusst ist, auf einen kommerziellen Erfolg.

(Foto: OH)

Als sein Alter Ego regt sich der 33-Jährige beim Radiosender On3 ausführlichst über alles auf, was ihm nicht passt. Da bekommt auch ein Paul "Kotz", das "häßliche Entlein mit de greisligen Zähr" sein Fett weg. Während Fränzn schimpft, wird seine Wuttirade mit Scratches unterlegt. Etwas für HipHop-Freunde, und jene des derben Humors. Gräm, Spliff und Fränzn sind in der Deutschrap-Szene als Doppel D bekannt:

Wir schreiben das Jahr 1999, damals als deutscher Gangsterrap noch eine unwirtliche Randerscheinung und Studenten-HipHop noch nicht als Müsli-Rap verschrien war. 1999 wurden die Fantastischen Vier mit dem Cometen "für das beste Video national" (Mfg) ausgezeichnet, und Gerhard Schröder durfte sich seit einem Jahr Bundeskanzler nennen. In diesem Jahr begannen zwei junge niederbayerische HipHop-Fans selbst Rap-Musik zu produzieren, vom Fan zum Künstler: Fränzn am Mikrofon, DJ Spliff hinter den Turntables. Zunächst unter dem Namen "Erste Klasse", später dann als Doppel D. Der gebürtige Hengersberger Gräm stieß 2004 zur Band.

Zunächst als Background-Rapper, dann als vollwertiges Mitglied: "Mir hom den Gräm sozusang gecastet", meinen die beiden, mit einem Augenzwinkern natürlich. Doppel D, auf der Suche nach einem dritten Mann, passten den Rapper Gräm nach dem Abschlusskonzert seiner Crew "Reimelite" ab und unterbreiteten ihm die Idee, dass man auch mal etwas Gemeinsames starten könnte: Zunächst nur gejammt, dann zusammen auf der Bühne gestanden, und am Ende als Doppel D Bayerischrap produziert.

Zurück im Jahr 2011: Im Cafe Kosmos, in der Nähe des Münchner Hauptbahnhofs, sitzen DJ Spliff und Monaco Fränzn gutgelaunt und jederzeit für einen Scherz zu haben, auf zwei kleinen Lederhockern, die im Vergleich zu den beiden großgewachsenen Musikern, wie Stühle aus der Spielecke eines Kindergartens aussehen. Während München schon seit Tagen von einem späten Sommerausbruch erdrückt wird, ist Gräm vor wenigen Tagen in den Urlaub gefahren. Es ist bereits Abend, aber noch immer so heiß, dass die warme Luft sogar in den grauen Gemäuern des Kosmos steht. Dagegen gibt es zunächst kein Bier, sondern erstmal eine kühle Cola.

"Warum a mir auf bayerisch rappen?", wiederholt Fränzn die Frage und nimmt noch einen Schluck. Das sei gar nicht so leicht zu beantworten, lautet die Antwort. Jedenfalls gebe es zwei Theorien: Spliff und Fränzn kommen aus Niederbayern, der eine aus Dingolfing, der andere aus Regen, was nicht nur dem geschulten Gehör eines Sprachforschers auffällt. Während den Arbeiten an ihrem ersten Album, versuchte Fränzn noch seine Lines, wie man die Textzeilen im HipHop-Jargon nennt, auf Hochdeutsch ein zu rappen.

Irgendein Radiosender bekam Wind von der jungen Crew und wertete ihre Musik mit den Worten "Das kann ja nix werden, wenn man den Dialekt raushört" ab. Das weckte in Fränzn seinen damals noch nicht betitelten Alter Ego. Deshalb lehnt er sich heute, im Münchner Cafe Kosmos, auch mit einem genüßlichen Lächeln zurück: "Da hob i mia denkt, ihr Deppn, eich zeig is!" Gedacht, getan. Soweit Theorie Nummer Eins.

Die zweite Variante erzählt sich folgendermaßen: Bei einem Rapkonzert in der Münchner Muffathalle bekam Fränzn ein Graffiti-Magazin in die Finger. Das war zu der Zeit, als jene Printerzeugnisse auf der Jagd nach Stammlesern begannen "die goanzn naggerten Weiber zwischn die Graffiti-Seiten zuam setzn". Das stieß Fränzn, dort in der Muffathalle, so sauer auf, dass er lautstark anfing zu fluchen und zu schimpfen - auf bayerisch natürlich. Das wiederum erheiterte einen anderen Rapper derart, dass er Fränzn empfahl, er, der Bayer, solle doch einfach auf Mundart, also bayerisch, rappen. So weit, so bayerisch, so Doppel D.

Zwei LPs, ein kostenloses Download Album mit dem Titel "Paid Zaid", ein Remix-Album und eine Demosammlung (insgesamt 41 Titel zum kostenlosen Download) können sich die Herrschaften in ihrer jetzigen Konstellation bisher auf die Fahnen schreiben. Ihr Debütalbum "A Schnitzel bitte" war noch kein reines Mundart-Album. "B-aya-N" hingegen, das 2009 erschien, sehr wohl . Zu Bekanntheit in der Szene gelangten sie vor allem mit dem Titel "Watschnbaam" und dem dazugehörigen Video. Erste Zeile der Refrains: "Wenn da Watschnbaam kippt, schaug, dass die schickst." Ein typischer Track, wie er im HipHop tagtäglich aufgenommen wird. Ein untypischer Track, weil eben nicht mit der Faust, sondern mit der Watschn gedroht wird. So ist das eben bei Doppel D, so ist das eben in Bayern.

Ein Album mehr als die Beatles

Mit der Deutschrap-Szene halten es Fränzn und Spliff diplomatisch: Egal ob Gangsterrap, Porno-Rap oder Müsli-Rap, die Hauptsache sei, dass die Texte nicht zu platt sind, inklusive der nötigen Portion an Kreativität natürlich und addiert mit weiterem Ideenreichtum in der Vertonung. Ein Album, das alles vereint, was ein gutes Deutschrap-Album ausmacht, sei übrigens "Maske". Ausgerechnet das Durchbruch-Album des prominentesten Vertreters aus der Berliner Plattenbausiedlung Märkisches Viertel: Sido, einen den man getrost als den Anti-Bayer bezeichnen könnte. Berlin ist sein Pflaster. Aber "des Oibum is so a bissl Doggy-Style, und imma mit am Augenzwinkan."

Bandportrait: Doppel D: Das Mundart-Phänomen Haindling live auf der Bühne. Die Musikgruppe hat bisher 14 Studioalben und drei Livemitschnitte veröffentlicht.

Das Mundart-Phänomen Haindling live auf der Bühne. Die Musikgruppe hat bisher 14 Studioalben und drei Livemitschnitte veröffentlicht.

(Foto: DAH)

So ein Augenzwinkern transportieren auch Doppel D durch ihren Sound und ihre Konzerte. Naheliegend wäre hier die Vermutung, das müsse so sein, da eine Crew, die rein auf bayerisch rappt, eine natürliche Selbstironie gar nicht abschütteln kann. Das sieht DJ Spliff aber anders. Schließlich habe man bereits Konzerte in anderen Bundesländern und auch auf dem dem Splash gegeben. Dort werde man während des Auftritts zwar nicht ausgiebigst gefeiert, weil das Publikum in erster Linie damit beschäftigt sei, zu verstehen, was denn da so gerappt wird.

Aber andererseits sind sie auch schon in Freiburg aufgetreten, und das Publikum habe auf bayerisch mitgerappt. Das Gefühl, nicht ernstgenommen zu werden, hatten Doppel D, laut eigener Aussage, bisher noch nicht. Mundart ist also kein Nachteil, auch nicht im zu Unrecht als Sammelbecken für Chauvinisten und Kriminelle deklarierten Rap-Business.

Ganz im Gegenteil. Durch ihre Musik und die starke Verbundenheit zu Bayern eröffnet sich Unerwartetes. Auf ihrem aktuellen Remix-Album "Re-B-aya-N" befindet sich ein Titel mit Namen "Schausd guad aus" Eigentlich stammt das Lied von der bayerischen Musikgruppe Haindling. Doppel D hat das Lied als Sample hergenommen, und drüber gerappt. Um sich rechtlich abzusichern kontaktierte Fränzn zuvor die Plattenfirma von Haindling. Man werde sich das Lied anhören und umgehend zurückrufen, so die Aussage. Der Rückruf blieb aus, und weil Doppel D ihre Version von "Schausd guad aus" unbedingt auf dem Remix-Album haben wollten, blieb es drauf und das Album ging in die Produktion. Allen Urheberrechts-Risiken zum Trotz.

Irgendwann klingelte dann doch das Telefon. Der Sohn des Managers von Haindling habe die HipHop-Variante im Radio gehört, sich gewundert und den Vater kontaktiert. Der wiederum kontaktierte Haindling. Die Band war so begeistert von dem Track, dass sie Doppel D anbot, den Song gemeinsam auf dem Festival "Night oft the Alps" zu performen. "Des hätt koaner denkt", meinen Spliff und Fränzn dazu. Seit Jahren kenne man die Band, die so viel Erfolg in der Mundart-Sparte vorweisen kann, und dann steht man gemeinsam mit ihr auf der Bühne. Drei Konzertmitschnitte, sieben Compilations und sage und schreibe 14 Studioalben haben Haindling bereits produziert. Zum Vergleich: Das ist immerhin ein Album mehr, als die Beatles je herausgebracht haben. Für Spliff und Fränzn einer der ganz großen Höhepunkte in ihrem bisherigen Schaffen.

Wo der Weg hingeht, mit welchen Künstlern man noch ein Feature macht, und wann das neue Album herauskommt, das wissen die Beiden noch nicht. Momentan gehe man in erster Linie arbeiten und Geld verdienen. Eines ist aber schon einmal klar: Auf den ganz großen Durchbruch warte man erst gar nicht. "Wenn mia wirklich nur vom HipHop lebn woiten, derft mer net auf bayrisch rappn."

Bei allen Kultattitüden, die mit Deutschrap auf Mundart einhergehen, bleibt der kommerzielle Erfolg aus. Mundart ist nicht massentauglich, zumindest nicht im HipHop, und eine große Plattenfirma, die den Dialekt werbewirksam unter das Volk bringen könnte, gibt es auch nicht. Darin wiederum liegt dann auch der Nachteil an der Art von Rapmusik, die Doppel D aufnimmt. Fränzn sieht das gelassen. "I war scho immer a Randgruppe" fast er zusammen.

Früher als junger Rap-Fan mit übergroßer Jeanshose im idyllischen Niederbayern, heute als Mundart-Rapper im HipHop-Business. Ein Feature könnte das ändern. Vielleicht mit Bushido? Nur, meint Spliff, wenn er es ernst meine, und das Doppel D-Feature nicht nur zu Marketingzwecken missbrauchen würde, um in Bayern mehr CDs zu verkaufen. Und da kommt sie dann doch heraus: die kleine Portion Selbstironie. Aber vielleicht hat die gar nichts mit Mundart-Rap zu tun, sondern ist schlicht und einfach kulturbedingt: bayerisch eben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: