Band "Manual Kant" aus Landshut:Liederbayern

"Der Hood-Support ist schon da": Die junge Band "Manual Kant" stammt aus dem beschaulichen Landshut - und steht möglicherweise auf der Schwelle zum großen Durchbruch.

Martin Pfnür

"Ich sollte jetzt gehen . . . Und ich bleib'", singt Malte Borgmann, Frontmann und Bassist von Manual Kant, in einem Stück mit dem Titel "Sextags".

Band "Manual Kant" aus Landshut: Vier Musiker aus der niederbayerischen Landshood: Malte Borgmann, Simon Gürster, Christian Auer und Ludwig Staudinger.

Vier Musiker aus der niederbayerischen Landshood: Malte Borgmann, Simon Gürster, Christian Auer und Ludwig Staudinger.

(Foto: manuelkant.de)

Geblieben ist er dann doch nicht. Wie seine drei Bandkollegen Ludwig Staudinger, Christian Auer und Simon Gürster hat Borgmann seiner beschaulichen Heimat Landshut den Rücken gekehrt und ist ins weniger beschauliche Berlin umgezogen, wo sie auch das im Februar erschienene Debütalbum "Applaus" aufnahmen. Nach den immer populärer werdenden Elektro-punks Frittenbude aus dem Landshuter Nachbarort Geisenhausen hat sich damit eine weitere junge niederbayerische Band in der Hauptstadt niedergelassen.

Während erstere jedoch von der taz bereits als "Berliner Scheppertrio" vorgestellt wurden - was natürlich viel aufregender klingt als die Umschreibung "Geisenhausener Scheppertrio" -, firmieren die musikalisch geschickt zwischen breitfußigem Stonerrock und glatteren Indiepop-Klängen mäandernden Manual Kant vorerst noch als Landshuter Band.

Wie lange dies noch der Fall sein wird, ist indes ungewiss. Zwar vertont Borgmann in "Die Aschfahlen Mädchen" sehr schön die elterliche Autorität mit den Zeilen "Deine Mutter sagt: Da draußen gibt es nichts, was du brauchst. Und dein Vater sagt: Das, was die da haben, haben wir hier auch". Allerdings gibt es sehr wohl etwas da draußen, was die vier jungen Musiker brauchen könnten.

Am 9. September tritt die Band zum New Music Award in Berlin an - ein renommierter, deutschlandweiter Musikwettbewerb, der schon Formationen wie Bonaparte oder Kraftklub zu großem Erfolg katapultierte - bevor sie sich im Oktober als Vorband der populären Kollegen von Frittenbude vor ausverkauften Konzerthallen präsentieren darf.

Mit Manual Kant steht also bereits die zweite junge Band aus Landshut und Umgebung vor dem kommerziellen Durchbruch. Es scheint schon ein besonderer subkultureller Nährboden zu sein, der es jungen Musikern in und um Landshut ermöglicht, sich künstlerisch zu entfalten. Insgesamt 45 Schulen machen aus Landshut eine Schulstadt von überregionaler Bedeutung. Gut 12.000 von mehr als 19.700 Schülern und Studenten pendeln regelmäßig in die Stadt an der Isar.

Gleichzeitig ist Landshut mit gut 64.000 Einwohnern nicht eben riesig - die Voraussetzungen für junge Musiker auf der Suche nach Gleichgesinnten könnten denkbar schlechter sein. Da verwundert es nicht, dass Borgmann den Gitarristen Ludwig Staudinger in der Schule kennenlernte und mit diesem in einer Punkrock-Band namens Mr. Mucus spielte, um sich parallel mit Gitarrist Christian Auer und Schlagzeuger Simon Gürster - die er beide "beim Trinken kennengelernt" habe - in der Funkrock-Formation Elastic Spastics umzutun.

Punkrock. Funkrock. Stonerrock und Indiepop. Nimmt man noch die Hip-Hop-Einflüsse hinzu, die Borgmann in Bezug auf sein Songwriting betont, lässt sich bereits anhand von Manual Kant und den beiden Vorgängerbands erahnen, wie bunt und vielschichtig es in der jungen Landshuter Musikerszene zugeht. Dass die Stadt ihre Nachwuchsmusiker entsprechend fördert, wird deutlich, wenn der schlaksige Blondschopf Borgmann in schönstem Hip-Hop-Sprech über die guten Rahmenbedingungen in Landshut Auskunft gibt: "Der Hood-Support ist schon da." Die "Hood", abgeleitet vom englischen "Neighborhood", meint schlicht das Wohnviertel, in dem man zu Hause ist.

Im Hinblick auf das überschaubare Landshut lässt sich die Hood jedoch über die unmittelbare Nachbarschaft hinaus ausdehnen; so bezieht sich der Sänger sowohl auf die Unterstützung durch Freunde und Bekannte als auch auf die durch städtische Institutionen oder Vermieter von Proberäumen wie Betreiber von Studios und Proberäumen. Denen habe man schon recht viel zu verdanken. Wenngleich man zwischenzeitlich auch schon mal den alten Hühnerstall auf dem Bauernhof von Simon Gürsters Eltern zum Proben nutzte, wurden Proberäume in der Regel immer von der Stadt bereitgestellt, berichtet Christian Auer.

"Merkwürdiges Sommerfrische-Gefühl"

Heute trifft man sich zum Musizieren und Aufnehmen sowohl in Berlin als auch in dem Münchner Studio Raum20, wo die vier Niederbayern kürzlich an einer neuen EP arbeiteten. Überhaupt scheint dort mittlerweile das Herz der jungen Landshuter Musikszene zu schlagen. Bereits seit langem freundschaftlich verbunden, tummeln sich in den Räumlichkeiten nahe der Studentenstadt Musiker stilistisch unterschiedlichster Bands, um sich zu Aufnahmen einzufinden oder auch einfach nur in bunt gemischten Formationen mit dem ebenfalls aus Landshut stammenden Studiobetreiber Franz Sonnauer zu jamen - Einblick in diese durchaus hörenswerten Sessions bekommt man übrigens auf einer bekannten Videoplattform unter dem Schlagwort Raum 20.

Neben Manual Kant gastieren dort beispielsweise die witzigen, in bayerischer Mundart rockenden Volksvertreter, die Nu-Jazz-Instrumentalband Vis a Vis oder auch die progressiv-experimentellen Pandoras Box, deren Sänger Martin Steer auch Teil von Frittenbude ist. Den Geisenhausener Berlinern steht derweil bereits ein eigenes luxuriös ausgestattetes Studio zur Verfügung.

Fragt man Musiker nach etwaigen autobiografischen Bezügen in ihren Texten, beißt man zumeist auf Granit. Ein wenig erstaunlich erscheint vor diesem Hintergrund das Ausmaß an Koketterie und Offenherzigkeit, mit dem Borgmann und Gürstner Auskunft über persönliche Landshut-Erfahrungen in den Zeilen von "Sextags" geben.

Duster und trist geht es in diesem städtischen Panorama zu. "Jeden Tag in meiner Hood, geht man ein bisschen kaputt", singt Borgmann, und lädt zur Stadtführung: Ein stets betrunkener Nachbar, der seine Frau schlägt, Straßen, die am Samstagabend tot sind, und ein desperat anmutendes Kollektiv, das in all der Tristesse loszieht, um noch 'nen Fuffi gestrecktes Gras zu kaufen. "Hundert Prozent Landshut" sei das, meint Schlagzeuger Gürster und lacht. Dass er das doch nicht gänzlich ironisch meint, wird erst klar, als Borgmann erklärt, er habe den Song schon sehr nahe an der Realität geschrieben. "Für mich ist der aber auch gar nicht so negativ.

Das ist so ein Sommer-Landshut-Feeling." Wenngleich dieses Gefühl nicht unbedingt Lust auf eine Sommerfrische in der Landshood macht - ein ordentliches Maß an Lokalkolorit, vermittelt aus jugendlicher Perspektive, scheint in diesem Text allemal durchzuschimmern. Der Nachbar sei übrigens mittlerweile ausgezogen.

Auch sonst sind die vier Niederbayern trotz des Umzugs nach Berlin noch nicht ganz in der großen weiten Popwelt angekommen. "Diese Kaffgigs sind schon immer noch am Start", räumt Borgmann ein.

So ging es auf der letzten Ochsentour auch durch Orte wie Plattling oder Schwabmünchen, wo sich nur recht wenige Zuschauer einfanden - den Tiefpunkt in dieser Hinsicht erlebte die Band jedoch in der Großstadt Nürnberg auf der dortigen Pegnitzbühne, wie Borgmann beschreibt: "Da gab's kein Publikum. Da gab's einen Typen, der war Alkoholiker, und der hat gefeiert. Aber das ist dann auch nichts, wofür man sich auf die Schulter klopft." Das wäre im Falle eines Sieges beim New Music Award in Berlin schon eher gerechtfertigt.

Manual Kant treten am 9. September beim New Music Award an. on3-Radio überträgt von 16 Uhr an. Eine Zusammenfassung ist am 10. September um 21.55 Uhr auf Einsfestival zu sehen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: