Bamberg:Wie eine Rabbinerin mit ihrer Gemeinde streitet

Bamberg: Yael Deusel war die erste deutschstämmige Jüdin, die nach dem Holocaust in Deutschland ordiniert wurde.

Yael Deusel war die erste deutschstämmige Jüdin, die nach dem Holocaust in Deutschland ordiniert wurde.

(Foto: Imago)
  • Ein Dauerzwist zwischen der Bamberger Rabbinerin und dem Vorsitzenden der Israelitischen Kultusgemeinde drohte das Gemeindeleben nahezu lahmzulegen.
  • Warum der Streit eskalierte, wird auch bei dem Gütetermin vor Gericht nicht klar.
  • Tatsache ist wohl: Die beiden können nicht miteinander.

Von Olaf Przybilla, Bamberg

Vor der Tür des Sitzungssaales sitzt Marina Firsova und ringt mit den Worten. "Mein Deutsch ist nicht gut", sagt sie, aber eines wolle sie nun doch sagen: "Wir wollen endlich Ruhe." Der Dauerzwist zwischen der Rabbinerin und dem Vorsitzenden der Israelitischen Kultusgemeinde drohe das Gemeindeleben nahezu lahmzulegen. Dabei habe man ein so schönes Gemeindezentrum, einen modernen Bau in der Nähe der Bamberger Altstadt, 2005 eingeweiht. Ein Ort zum Wohlfühlen, sagt das Gemeindemitglied Firsova. Aber zuletzt auch ein Ort von Missgunst und Streit. Manche sagen: bis hin zur Spaltung.

In Sichtweite von Firsova wartet der Vorsitzende der Gemeinde, Martin Arieh Rudolph, auf den Beginn der Güteverhandlung. Und es wartet die Rabbinerin Antje Yael Deusel. Beide würdigen sich keines Blickes, Floskeln versucht man erst gar nicht. In der Verhandlung wird Deusel später sagen, sie hätte es "gut gefunden irgendwie", wenn Rudolph auch Mal mit ihr persönlich gesprochen hätte. Anstatt ihr nur "befehlende Schreiben zu schicken".

Und Rudolph wird antworten, es habe durchaus "Gesprächsversuche gegeben", nur von Erfolg seien sie nicht gekrönt gewesen. Der Gütetermin endet mit der Vereinbarung, dass man sich nun doch noch mal zusammensetzen will. Und miteinander reden. Ehe beide Seiten entscheiden, ob dieser Streit tatsächlich vor dem Arbeitsgericht ausgetragen werden muss.

Deusel ist halb Rabbinerin, halb Ärztin

Deusel wurde vom Gemeindevorstand zum 31. März gekündigt. Diese Kündigung zurückzunehmen, plane man momentan nicht, sagt der Anwalt der Gemeinde. Bei aller Gesprächsbereitschaft. Deusel sagt: Damit treibe man die Gemeinde in die Spaltung. Sie war die erste Rabbinerin in Bayern. Und sie war 2011 die erste deutschstämmige Jüdin, die nach dem Holocaust in Deutschland ordiniert wurde.

Eine Frau als Rabbinerin, das sollte ganz normal sein, findet sie. Ist es aber nicht. "Wie eine grüne Giraffe", fühle sie sich manchmal, hat Deusel kürzlich gesagt, "so nach dem Motto: Schau mal, wie niedlich, eine Rabbinerin." Auf der anderen Seite sei das ja nicht die erste Männerdomäne, in die sie eingebrochen sei. Deusel, Jahrgang 1960, ist promovierte Urologin.

Als sie mit diesem Job begonnen habe, kamen an der Klinik auch noch Sprüche. Ob eine Frau diesen Stress denn aushalte? Die Herren waren bald ruhig. Später ließ sie sich noch nebenher zur Rabbinerin ausbilden. Und seit 2011 ist Deusel beides: drei Tage in der Woche Ärztin. Zwei Tage Rabbinerin.

Worum es bei dem Streit geht

Wer sich umtut in der Gemeinde, kann viele Interpretationen hören, um was es eigentlich geht in diesem Streit: Eine der Deutungen hat Deusel selbst eingeführt, kurz nachdem ihr das Schreiben zugestellt wurde, in dem zu lesen stand, das Vertrauen des Gemeindevorstands in eine gedeihliche Zusammenarbeit mit ihr sei "unheilbar erschüttert".

Es gehe in dem Konflikt um eine "reine Machtsache, ein Ding Mann gegen Frau" ließ sich Deusel zitieren. Vom Vorsitzenden habe sie Dienstanweisungen bekommen, die sie in lächerlicher Weise beschränkt hätten. Eine Sache Mann gegen Frau also? Der Anwalt des Gemeindevorsitzenden sagt wenig in der Verhandlung. Das aber will er loswerden: Dieser Vorwurf sei "abwegig".

Was der Rabbinerin vorgeworfen wird

Um was geht es dann? Glaubt man den Frauen, die sich vor dem Sitzungssaal sehr vehement äußern wollen, so lag es an der Rabbinerin, dass es zum Bruch kam. Mehr als 90 Prozent der Gemeindemitglieder sind nicht in Deutschland aufgewachsen, die meisten stammen aus der früheren Sowjetunion. "Wir wollen sie nicht", ruft eine Frau in eine Kamera, "sie hat nie den Weg zu uns gefunden. Sie glaubt, wir sind niedrige Menschen."

Deusel will sich nicht äußern zu den Vorwürfen, weder vor noch nach der Verhandlung. Aber Siegfried Hornung, Kassier im Verein zur Förderung jüdischer Geschichte und Kultur, findet solche Reden grotesk. Vielmehr sei es so, dass Rudolph Schreiben an sie aufgesetzt habe, "die eines Vorsitzenden einer Religionsgemeinschaft nicht würdig" seien. Die Rabbinerin hingegen sei die "Friedfertigkeit in Person", habe die Anwürfe "mit menschlicher Größe" über sich ergehen lassen.

Tatiana Manastyrskaia ist Sozialarbeiterin, sie führt durch die Räume der Gemeinde. "Das hier ist eine Heimat geworden", sagt sie, auf ein schwarzes Brett mit bunten Zetteln deutend. Wie es zum Bruch kam? Sie hält die Rabbinerin für eine "kluge, gelehrte Frau". Viele Gemeindemitglieder aber fühlten sich "nicht angenommen". Ihnen sei es "nicht so wichtig, dass der Buchstabe" stimme, sagt sie. "Auf das Herz kommt es den Gemeindemitgliedern an." Und irgendwann habe es eben auch Ärger gegeben zwischen Deusel und Rudolph. "Er singt sehr schön", findet Manastyrskaia. Im Hebräischen aber könne er nicht mithalten mit der Rabbinerin. Diese habe ihn häufig darauf aufmerksam gemacht, dass etwas anders ausgesprochen werde. "War das klug? Vielleicht hätte sie das nicht tun sollen", sagt Manastyrskaia.

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