Bamberg:Stiftung baut ehemaligem Erzbischof Alterssitz für 1,2 Millionen Euro

BAMBERGER ERZBISCHOF KARL BRAUN TRITT ZURÜCK

Karl Braun ging 2001 in den Ruhestand.

(Foto: DPA)
  • Die karitative Joseph-Stiftung hat dem früheren Bamberger Erzbischof Karl Braun für 1,2 Millionen Euro einen Alterssitz hingestellt.
  • Der Deal ist brisant, weil die Stiftung sonst Wohnungen für bedürftige Familien baut.
  • Durch die Struktur der Stiftung befand sich Braun möglicherweise in einer Machtposition.

Von Matthias Drobinski, Bamberg

Seinen 85. Geburtstag feierte der Bamberger Alt-Erzbischof Karl Braun bescheiden und daheim, am 13. Dezember 2015. Zum Fest berichtete der Bamberger Fränkische Tag, Braun lebe "eher zurückgezogen in seinem Haus in Wildensorg", westlich der Domstadt. Das sei ein "Tribut an das Alter", heißt es in dem Porträt, aber auch "ein selbst auferlegtes Muss als Emeritus, der seinem Nachfolger auf dem Bischofsstuhl das tägliche Feld zum Beackern überlässt". Braun, der mehr als zehn Jahre Bischof von Eichstätt war und dann bis 2001 Erzbischof von Bamberg, sagte, er mühe sich nun, "tiefer in das Mysterium einzudringen", in das Geheimnis des Glaubens. Der Artikel trägt den Titel: "Der Mystiker von Wildensorg".

Es ist schön dort. Man fährt durch Bambergs romantische Gassen nach Westen hinauf. Der Ort ist beschaulich mit viel Grün, ein Teich macht ihn verwunschen. Man schaut übers fränkische Land; die Villen der wirklich reichen Leute stehen jenseits der Hügelkuppe, wo man die Stadt zu Füßen hat. Das Haus des Erzbischofs ist schmal, aber weit nach hinten gebaut, vorne wohnt der alte Herr, unterm Dach ist die Kapelle. Hinten leben die drei Schwestern, die ihn versorgen. Im Vorgarten wächst ein Rosenbaum.

Was nur wenige Gäste des Jubilars gewusst haben dürften: Das Haus mit insgesamt 375 Quadratmetern Wohnfläche, in dem sie da feiern, ist dem Erzbischof auf ungewöhnlich Weise zugewachsen, durch ein Tauschgeschäft, zu dem man einige Fragen stellen kann. Einige Dokumente dieses Geschäftes mit der kirchlichen Joseph-Stiftung liegen der Süddeutschen Zeitung vor, und diese Dokumente werfen Fragen auf: Wurde des Erzbischofs Alterssitz zum Schaden einer Stiftung gebaut, deren Zweck es vornehmlich ist, bedürftige Familien zu unterstützen? Kontrollierte jemand, was da geschah? Wurde gar Macht missbraucht?

Der Vorwurf wiegt schwer. Der Skandal um den Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst ist noch in frischer Erinnerung. Er ließ an allen Kontrollen vorbei ein 30 Millionen Euro teures Zentrum samt Bischofswohnung bauen, zahlreiche Extrawünsche inklusive. Und dann ist da noch dieser Papst Franziskus in Rom, der wünscht, dass seine Bischöfe bescheiden leben. Entsprechend aufgeschreckt betonen Wolfgang Pfeuffer, Klemens Deinzer und Reinhard Zingler, die Vorstände der Joseph-Stiftung mit Sitz in Bamberg, in einer schriftlichen Stellungnahme, dass der Hausbau rechtens sei: "Dass es zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist, wird in aller Deutlichkeit zurückgewiesen", schreiben sie. Zudem seien Geschäfte "in der Wohnungswirtschaft nicht unüblich". Zeit für Klärungen: Worum geht es?

Am 3. Juli 2001 erscheinen vor einem Bamberger Notar Erzbischof Braun und Reinhard Zingler. Braun, 70 Jahre alt, ist am Tag zuvor von Papst Johannes Paul II. vom Amt entbunden worden; Braun hat Herzprobleme. Der Emeritus braucht nun eine Wohnung; das Bischofshaus soll schließlich seinem Nachfolger zur Verfügung stehen. In Bamberg gibt es, wie in den meisten Bistümern, für solche Fälle in der Nähe des Doms Wohnungen für verdiente pensionierte Kleriker. Nicht alle verdienten Kleriker allerdings möchten unter den Blicken der anderen verdienten Kleriker wohnen - auch Braun nicht. Er kauft auf Anraten der Joseph-Stiftung ein Grundstück in Wildensorg, mit etwas mehr als 700 Quadratmetern ist es weder allzu groß noch allzu klein.

Dieses Grundstück wiederum verkauft Braun an jenem Juli-Tag 2001 der Joseph-Stiftung. Der Preis beträgt etwas mehr als 300 000 Mark, was damals ein guter Preis ist für die Lage. Die Stiftung zahlt dem Erzbischof jedoch kein Geld aus. Der Grundstückswert wird dadurch abgegolten, dass das kirchliche Wohnungsunternehmen sich verpflichtet, dort dem Bischof auf eigene Kosten einen Alterssitz zu bauen, mit Platz auch für ein mögliches Pflege- und Betreuungspersonal. Mit Karl Brauns Tod gehören Haus und Grund der Stiftung.

Von Altersruhesitzen für Erzbischöfe ist nirgendwo die Rede

Das ist zunächst einmal nicht verwerflich. Andererseits ist die Joseph-Stiftung auch kein gewöhnliches Bauunternehmen. Joseph Otto Kolb, der damalige Bamberger Erzbischof, hat sie 1948 gegründet, um die Wohnungsnot der Nachkriegszeit zu mildern und bedürftigen, kinderreichen Familien, "insbesondere Flüchtlingsfamilien Ostdeutschlands und volksdeutschen Vertriebenen des Auslands ein menschenwürdiges, den Zeitbedürfnissen angemessenes, ausreichendes abgeschlossenes christliches Heim in Miete oder zum Eigentum zu bieten". Das Unternehmen verkauft heute auch Wohnungen auf dem freien Markt. Doch von Altersruhesitzen für Erzbischöfe ist nirgendwo die Rede.

Das ist allerdings kein Hindernis, wenn man derart abhängig ist vom Erzbischof wie der Vorstand der Joseph-Stiftung zum Zeitpunkt des Geschäfts mit dem Erzbischof. "Der Vorstand der Stiftung besteht aus einem oder mehreren Mitgliedern, die vom Erzbischof von Bamberg berufen oder abberufen werden", heißt es in der im Juli 2001 gültigen Satzung; gleiches gilt für den Aufsichtsrat. Der Erzbischof kann sich also den Vorstand und dessen Kontrolleure aussuchen, die Leute also, die über den Kauf entscheiden.

Druck ist aber gar nicht nötig; die Herren sind sich schnell einig. Schließlich hat sich Erzbischof Braun um die Stiftung verdient gemacht. Bis zu seinem Amtsantritt hat sie agiert wie andere Immobilienunternehmen auch. Braun verfügte, dass der soziale Zweck der Stiftung wieder in den Vordergrund rücken solle. Die Bauherrn des Herrn kümmern sich seitdem verstärkt um Wohnungen für kinderreiche Familien und fördern das Zusammenleben von Alt und Jung. Das ist löblich - aber rechtfertigt das den Deal?

Mit dem Geld hätte man gut zehn Wohnungen für Familien bauen können

Eine der Schlüsselfiguren dieses Geschäfts ist Klemens Deinzer, damals persönlicher Referent des Erzbischofs. Seit 1997 war er auf dessen Geheiß stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Joseph-Stiftung, 2000 wurde er ihr Berater. Im August desselben Jahres stellte Deinzer als Bauherr in Vertretung seines Dienstherren den Bauantrag für das Haus in Wildensorg. 2003 wurde er auf Veranlassung des bereits emeritierten Erzbischofs Mitglied des Stiftungsvorstands. Alle drei Vorstände erhielten damals einen zeitlich unbegrenzten Vertrag - in den Statuten der Stiftung ist das nicht vorgesehen.

Deinzer habe "auf Wunsch von Erzbischof Braun" vor allem "das soziale Profil der Stiftung schärfen" sollen, heißt es in der Stellungnahme der Joseph-Stiftung, "auf Wunsch von Erzbischof Braun wurde die Beratertätigkeit mit einem Honorar in der Höhe des Differenzbetrags zwischen den Vorstandsbezügen der Joseph-Stiftung und dem Gehalt des Bischofs-Referenten vergütet".

Wildensorg ist nicht Limburg, der Bau im Fränkischen ist solide, aber nicht protzig. Drei Zimmer für die Schwestern, ein Aufzug, ein ausgestattetes Büro, das ist kein obszöner Luxus. Allerdings auch nicht billig. Die Stiftung beziffert die Baukosten mit 820 000 Euro - das stimmt, wenn man die Kosten nur für den Bau nimmt. Insgesamt aber, das geht aus den Unterlagen hervor, hat die Joseph-Stiftung fast 1,2 Millionen Euro ausgegeben, bis der Erzbischof einziehen kann.

Und da wird die Sache durchaus problematisch. Mit dem Geld hätte man gut zehn Wohnungen für bedürftige Familien bauen können. Und niemand kann im Jahr 2001 wissen, ob das verbaute Geld wieder hereinkommt. Der Bau ist letztlich eine Spekulation, durchaus mit makabrer Note: Stirbt der Erzbischof früh, fällt das Haus schnell an die Stiftung, lebt er lange, zahlt sie drauf. Steigen die Immobilienpreise ordentlich, kommen irgendwann die Kosten zurück, zumindest teilweise.

"Nach dem Ableben von Erzbischof Braun wird das Wohngebäude an Dritte weitervermietet", teilt die Stiftung mit. Es dürfte ein bisschen dauern, bis das Investment zurück in die Kasse geflossen ist. Dabei hat die Stiftung tatsächlich Glück gehabt: Die Immobilienpreise sind insgesamt gestiegen. Erzbischof Braun zahlt seit 15 Jahren die Nebenkosten des Hauses, eine Miete allerdings nicht.

"Wahrscheinlich würden wir das jetzt so nicht mehr machen"

Gab es nie ein Unbehagen? Hat niemand kritische Fragen gestellt? Warum denn, heißt die Antwort der Stiftungs-Chefs: Der bevorstehende Rücktritt des Erzbischofs sollte nicht vorzeitig bekannt werden - deshalb die Heimlichkeit. Es habe dann auch "keine Diskussionen wegen dieser Baumaßnahme" gegeben. "Nachdem der Erzbischof von Bamberg kein Organ der Joseph-Stiftung war und ist, lag und liegt ein In-Sich-Geschäft nicht vor", heißt es weiter. Es handle "sich somit um ein Rechtsgeschäft unter Dritten."

Formal gesehen stimmt das. Wenn man aber bedenkt, welche Macht der Erzbischof über den Vorstand der Stiftung hatte, stimmt das nicht so recht. Bald nach dem Amtsantritt von Brauns Nachfolger im Amt, Erzbischof Ludwig Schick, wurde die Satzung geändert: Nun gibt es einen unabhängigen Aufsichtsrat. Es heißt, Schick sei wenig glücklich gewesen, als er von der Ruhesitz-Regelung für seinen Vorgänger erfuhr. Er hat allerdings nichts an ihr geändert - man düpiert den Vorgänger nicht, das gilt in der katholischen Kirche mehr noch als anderswo. Das Erzbistum erklärt: "Nach dem Stiftungsrecht wurde eine neue Verteilung der Verantwortlichkeiten als richtig erachtet." Wer mag, kann da eine Distanzierung herauslesen.

Eigentlich wollte die Stiftung nur schriftlich Stellung nehmen - ein paar Tage später kommt doch der Anruf: Können wir reden? Wolfgang Pfeuffer ist zum Gespräch bereit. Er bringt von sich aus Unterlagen mit, bemüht sich um Transparenz, erklärt die Sicht der Stiftung: Es mag ein ungewöhnliches Geschäft gewesen sein, aber kein unrechtes. Ja, gibt er am Ende zu, heute sehe man das mit der Transparenz anders: "Wahrscheinlich würden wir das jetzt so nicht mehr machen."

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