Bad Reichenhall:Was die verschärften Kontrollen für das Grenzgebiet bedeuten

Beginn der Rund-um-die-Uhr-Grenzkontrollen

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (rechts) und der Innenminister von Österreich, Wolfgang Sobotka, an der Grenzkontrollstelle Schwarzbach.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)
  • Die Innenminister von Bayern und Österreich, Joachim Herrmann (CSU) und Wolfgang Sobotka (ÖVP), begrüßen die verschärften Grenzkontrollen zwischen den beiden Ländern.
  • Die Bewohner im Grenzgebiet fürchten Staus und verstopfte Nebenstraßen.

Von Matthias Köpf, Bad Reichenhall

Wenn Ludwig Mittermaier durch die Schaufenster auf die Fußgängerzone schaut, dann muss er es so sagen: Er war schon mal mehr los hier in Freilassing. Mit den Grenzkontrollen im vergangenen Jahr seien die Salzburger deutlich weniger geworden, die herüber nach Freilassing zum Einkaufen kommen, sagt Mittermaier am Donnerstagvormittag.

In ein paar Stunden werden die Innenminister von Bayern und Österreich, Joachim Herrmann (CSU) und Wolfgang Sobotka (ÖVP), die verschärften Grenzkontrollen vorstellen, die nun zwischen beiden Ländern wieder gelten. Dann werden die Autos den Stau an der Grenze wieder über Freilassing umfahren, befürchtet Ludwig Mittermaier. Und das wird dann noch mehr Salzburger von Freilassing fernhalten, obwohl der Gewerbeverband sogar eine Webcam aufgestellt hat, auf deren Live-Bildern im Internet gar kein Stau zu sehen ist, weil dort momentan gar nicht kontrolliert wird.

Klagen können die Kaufleute überall, doch die für das oberbayerische Grenzgebiet zuständige Industrie- und Handelskammer in Rosenheim hat eine Zahl dazu: Allein der Einzelhandel setze im Jahr 200 Millionen Euro mit österreichischen Kunden um, sagt der Rosenheimer IHK-Geschäftsführer Wolfgang Janhsen. Wenn nur ein Zehntel zu Hause bleibe, dann fehlten 20 Millionen in der Kasse. "Wir sind grundsätzlich gegen diese Form der Grenzkontrollen", sagt Janhsen, der die Kontrolle "eine Hauruckaktion seitens der Politik" nennt.

Auch die Industrie hat Probleme: Irene Wagner hat in ihrem Autozulieferbetrieb den Beginn der Gleitzeit auf sechs Uhr vorverlegt, damit die vielen Pendler wenigstens aus der Hauptverkehrszeit herauskommen. Der Betrieb liegt im bayerischen Marktschellenberg, doch die beste Verkehrsverbindung ins übrige Deutschland führt nicht durch die Täler des Berchtesgadener Lands, sondern über das Autobahndreieck Salzburg - sofern die Laster nicht jedes Mal eine Stunde im Stau verlieren, wenn am Walserberg kontrolliert wird.

Und dies soll nun wieder rund um die Uhr geschehen, mit Hilfe einer Hundertschaft bayerischer Bereitschaftspolizisten und nur an der A 8 am Walserberg, an der A 93 bei Kiefersfelden und an der A 3 bei Passau. Irene Wagner, die am kleinen Übergang bei Marktschellenberg fast noch nie eine Grenzkontrolle bemerkt haben will, scheut sich nicht, das auszusprechen, was andere lieber nur hinter vorgehaltener Hand sagen: "Der Terrorist, der so doof ist, genau da drüber zu fahren, der ist wahrscheinlich auch zu doof, einen Terroranschlag zu begehen."

Davon, reine Symbolpolitik zu betreiben, wollen die beiden Minister beim Ortstermin aber nichts wissen. Zahllose Bundes- und Landespolizisten aller Dienstgrade tummeln sich schon am Walserberg, als Herrmann und Sobotka eintreffen. Die kontrollierten Autofahrer erfreuen sich zusätzlich der Aufmerksamkeit einer großen Journalistenschar. Im Normalbetrieb sollen hier rund um die Uhr mindestens sieben Bundes- und acht Landespolizisten Dienst schieben, sagt Helmut Teichmann, der im Bundesinnenministerium als Abteilungsleiter für die Bundespolizei zuständig ist.

Beginn der Rund-um-die-Uhr-Grenzkontrollen

An der Kontrollstelle Schwarzbach an der Autobahn Salzburg-München soll nun wie an anderen wichtigen Grenzübergängen zwischen Bayern und Österreich rund um die Uhr kontrolliert werden.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Diese habe in Bayern derzeit pro Tag 700 Beamte im Einsatz, etwa ein Drittel des Aufgebots zur Hochphase der Flüchtlingskrise. Aber jetzt soll täglich eine Hundertschaft bayerischer Polizisten hinzukommen, sagt Herrmann. Natürlich habe man nicht zu viele Beamte und werde womöglich bei manchem Fußballspiel einen Bereitschaftszug weniger aufbieten. Die Kontrollen würden jedoch nicht zu Lasten der normalen Dienststellen gehen, sagt der Minister, während die Deutsche Polizeigewerkschaft schon einen "Ausverkauf der bayerischen Polizei für fragwürdige Grenzkontrollen" beklagt.

Herrmann dagegen betont den Sicherheitsaspekt: Es kämen immer noch viele Flüchtlinge, und "auch Kriminelle wie Drogenschmuggler oder Einbrecherbande sowie Schleuser" nutzten die großen Verkehrsströme, weswegen man neben der Schleierfahndung nun hier die Kontrollen intensivieren und "ihre Wahrnehmbarkeit erhöhen" werde. "In Spitzenzeiten" könne es "punktuell zu Beeinträchtigungen des Reiseverkehrs kommen", räumt Herrmann ein, aber man werde dafür sorgen, dass die Kontrollen "nicht zu einem Riesenverkehrshindernis werden".

Dies hofft auch der Berchtesgadener Landrat Georg Grabern (CSU), auf dessen stetes Drängen hin am Walserberg ein neuer Kontrollpunkt gebaut worden ist, mit dem Kontrollen auf zwei Fahrspuren möglich sind. Gleichwohl würden nicht alle Autos kontrolliert, sondern nur einzelne herausgewunken, betont Herrmann. Sobotka bekundet großes Verständnis für die ausgedehnten Kontrollen - schon weil Österreich genau so verfahre, sagt der ÖVP-Mann. SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern hatte dagegen zuletzt Vorbehalte gegen die Kontrollen geäußert.

Salzburgs Bürgermeister Heinz Schaden (SPÖ) bezeichnet sie gar als unfreundlichen Akt, gegen den er beim deutschen Botschafter in Wien protestiert hat. "Dieses Symbol und diese Kraftmeierei wird aber Zehntausenden Reisenden viele Stunden Stauzeit am Walserberg einbringen", kritisiert er. Die Schlepper aber würden "halt andere Routen finden". Die EU hat Binnen-Kontrollen bisher bis Ende Februar zugestimmt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: