Axt-Angriff in Regionalzug:Was wir über den Angriff bei Würzburg wissen

Axt-Angriff in Regionalzug: Der Zug, in dem es zu dem Angriff kam.

Der Zug, in dem es zu dem Angriff kam.

(Foto: AP)

Er war nie polizeilich aufgefallen. Doch dann zog ein 17-Jähriger los und verletzte mehrere Menschen in einem Regionalzug schwer. Er sah sich als Soldat des "Islamischen Staats". Die wichtigsten Fakten.

Von Olaf Przybilla und Oliver Klasen, Würzburg

Was wir über den Tathergang wissen

• In einem Regionalzug hat ein junger Mann Fahrgäste mit einer Axt und einem Messer angegriffen. In einem Zugabteil ist der 17-Jährige völlig unvermittelt auf eine Gruppe von fünf Touristen aus Hongkong losgegangen. Er fügt vier Menschen schwerste Verletzungen zu, eine fünfte Person im Abteil bleibt unversehrt.

• Die Regionalbahn war auf der Strecke von Treuchtlingen nach Würzburg unterwegs und kam im Würzburger Stadtteil Heidingsfeld zum Stehen, nachdem ein Fahrgast die Notbremse gezogen hatte.

• Am Abend verabschiedete sich der 17-Jährige von seiner Pflegefamilie. Er wolle eine Radtour machen, es könne länger dauern, sagte er. Der Attentäter ist wahrscheinlich in Ochsenfurt eingestiegen, dort hielt der Zug laut Fahrplan um 20.57 Uhr. Er sollte um 21.18 im Würzburger Hauptbahnhof ankommen. Kurz bevor der Zug die Würzburger Stadtgrenze erreichte, kam es zu der Tat.

• Zuvor traf der Täter im Zug zufällig auf eine Mitarbeiterin des Ochsenfurter Flüchtlingsheims. Sie sprach ihn an, er reagierte darauf aber nicht. Kurze Zeit später soll er auf die Zugtoilette gegangen sein und sich dort mit Axt und Messer bewaffnet haben.

• Nachdem der Zug anhielt, flüchtete er. Er lief zunächst mehrere Hundert Meter entlang des Bahndamms und dann vermutlich über das Gelände einer Stahlfirma, eine Straße und mehrere Felder in Richtung Main, der etwa 500 Meter parallel zur Bahnlinie verläuft.

• Auf seiner Flucht traf der Mann zufällig auf zwei Frauen, die in der Nähe des Bahndamms spazieren gingen. Auf eine der Frauen schlug er mit dem Stiel der Axt ein und verletzte sie schwer. Bevor er zuschlug, soll er die Frau als "Schlampe" beschimpft und bedroht haben.

• Beamte eines Spezialeinsatzkommandos (SEK), die zufällig wegen eines Einsatzes gegen Drogendealer in der Nähe waren, verfolgten den Attentäter auf seiner Flucht in Richtung Main. Zwei der Polizisten spürten den 17-Jährigen schließlich in einem Gestrüpp in den Mainauen auf. Als der Attentäter sie aus einer Entfernung von einem bis anderthalb Meter mit der Axt bedrohte, schossen die SEK-Männer auf ihn. Dabei wurde der 17-Jährige in die Stirn getroffen und getötet.

Was wir über den Täter wissen

• Der Täter ist ein 17-Jähriger, der am 30. Juni 2015 bei Passau als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling über die Grenze gekommen ist und um Asyl gebeten hat. Danach kam er nach Ochsenfurt im Landkreis Würzburg in ein Heim für Flüchtlinge. Eine Aufenthaltsgestattung wurde ihm im März erteilt, er hielt sich also legal in Deutschland auf. Er soll aus Afghanistan stammen. Allerdings bezweifeln Ermittler nach Angaben des ZDF an seiner Herkunft. Es gebe Anhaltspunkte, wonach sich der Täter bei seiner Registrierung in Deutschland als Afghane ausgab, um seine Chancen zur Anerkennung als Flüchtling zu erhöhen. Er soll vielmehr aus Pakistan stammen.

• Vor etwa zwei Wochen kam er zu einer Pflegefamilie in einem Ort im Landkreis Würzburg zu Pflegeeltern. Er habe dort einen "zuvorkommenden und netten Eindruck gemacht", sagt seine Pflegemutter. Von einer Radikalisierung sei nichts zu spüren gewesen. Ähnlich beschreibt ihn der Helferkreis in Ochsenfurt. Der 17-Jährige lernte Deutsch und war in einem Sportverein aktiv. Er galt als gläubiger Sunnit und betete vorwiegend zuhause.

• Am Freitag oder Samstag soll er die Nachricht vom Tod eines engen Freundes in Afghanistan bekommen haben. Darüber redete er auch mit seinen Pflegeeltern.

Was über die Verbindungen des Täters zum IS bekannt ist

• Die Staatsanwaltschaft geht von einer politisch motivierten Tat aus, auch der Polizei spricht von einer "islamistisch-religiösen" Motivation.

• Weil es sich offensichtlich um eine politisch motivierte Tat handelt, hat die für Staatsschutzsachen zuständige Staatsanwaltschaft in Bamberg die Ermittlungen übernommen. Auch das Landeskriminalamt hat sich eingeschaltet.

• Bei einer Durchsuchung des Zimmers des Attentäters wurden eine handgemalte IS-Flagge sowie Notizen auf einem College-Block gefunden. Es handelt sich dabei um einen Text auf Paschtu, Polizeiübersetzern zufolge ist es ein Abschiedsbrief an den Vater des 17-Jährigen. Darin schreibt der Attentäter, er hoffe, dass er sich "an diesen Ungläubigen rächen kann und dass ich in den Himmel komme".

• Der Staatsanwaltschaft zufolge hat es vor der Tat keinerlei Anzeichen oder Alarmsignale für eine islamistische Radikalisierung gegeben. Der 17-Jährige sei polizeilich "ein völlig unbeschriebenes Blatt" gewesen. Auch die Geheimdienste hätten keinerlei Erkenntnisse zu ihm gehabt.

• In einer Meldung der Propaganda-Agentur des IS - Amaq - beansprucht die Miliz die Tat für sich. Zudem hat eine dem IS nahestehende Internetseite ein Video veröffentlicht, dass den 17-Jährigen vor der Tat zeigt. Die Ermittler gehen davon aus, dass das Video authentisch ist.

• Die beiden Polizisten, die den Attentäter gestellt und bei ihrem Einsatz getötet haben, handelten nach bisherigen Erkenntnissen in Notwehr. Gegen sie wird nicht wegen eines Tötungsdeliktes ermittelt. Sie seien lediglich als Zeugen vernommen worden, teilte die Würzburger Staatsanwaltschaft mit. Die Anklagebehörde sei zu "der festen Überzeugung" gekommen, dass die beiden Beamten so hätten handeln müssen, um Schaden abzuwenden, sagt der Würzburger Leitende Oberstaatsanwalt Bardo Backert. Die beiden Beamten hätten sonst möglicherweise ihr und das Leben anderer gefährdet. Das Landeskriminalamt untersucht dennoch, ob der Gebrauch der Schusswaffen gerechtfertigt war. Es ist übliche Praxis, dass solche Untersuchungen nicht von ortsansässigen Polizisten übernommen werden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: