Ausstellung zu Schwaben:"Seid klug, spart Fett"

Ausstellung zu Schwaben: Wer sich vom selbst gezogenen Obst und Gemüse ernährte, weil er sich sonst nichts leisten konnte, brauchte Gläser zum Einkochen.

Wer sich vom selbst gezogenen Obst und Gemüse ernährte, weil er sich sonst nichts leisten konnte, brauchte Gläser zum Einkochen.

(Foto: privat/oh)

Warum gelten die Schwaben als besonders knausrig? Eine Ausstellung bei Augsburg gibt Antworten auf diese Frage.

Von Christian Rost

Als Ende der Fünfzigerjahre die ersten beheizten Trommelwaschmaschinen auf den Markt kamen, mussten die Energieversorgungsunternehmen, die ja möglichst viele stromverbrauchende Geräte unters Volk bringen wollten, zunächst Überzeugungsarbeit leisten. Die Hausfrauen, und die schwäbischen ganz besonders, rechneten scharf nach, ob sich eine solche Anschaffung auch lohnte.

Natürlich erleichterte eine Waschmaschine die Hausarbeit ungemein. Aber so ein Gerät kostete Geld und teuren Strom verbrauchte es zudem. Die Lech-Elektrizitätswerke ließen sich deshalb etwas einfallen: Der Sieben-Pfennig-Haushaltstarif für Strom wurde eingeführt, zudem schulten Elektroberaterinnen die kritischen Kundinnen im wirtschaftlichen Umgang mit den Geräten, um Klagen über einen zu hohen Stromverbrauch vorzubeugen. In den Siebzigerjahren gehörten Waschmaschinen schließlich zum Haushaltsstandard.

Dass die schwäbische Hausfrau ihre Sachen ordentlich zusammenhält und unnötige Ausgaben möglichst vermeidet, ist nicht erst bekannt, seit Kanzlerin Angela Merkel sie als Vorbild für eine solide europäische Sparpolitik pries. Den Tugenden der sparsamen, sorgfältigen und innovativen Hausfrau widmet sich derzeit das Schwäbische Volkskundemuseum in Oberschönenfeld. Auf Anregung des Heimatpflegers des Bezirks, Peter Fassl, hat das Museum in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Europäische Ethnologie/Volkskunde der Universität Augsburg eine Schau mit dem Titel "Sparen, verschwenden, wiederverwenden" zusammengestellt.

Bis 10. September wird anschaulich gezeigt, wie sich der Wandel von der Bedarfswirtschaft, bei der die Produktion vorrangig der Selbstversorgung ohne nennenswerte Überschüsse diente, zum heutigen Umgang mit Dingen in der Überflussgesellschaft vollzog. Anhand von Küchengeräten, Kleidungsstücken und Lebensmitteln wie Milchprodukten oder Brühwürfeln ist zu sehen, dass die wirtschaftliche Entwicklung oft mit der Not der Menschen einher gegangen ist.

Die Menschen mussten improvisieren

Wer sich vom selbst gezogenen Obst und Gemüse ernährte, weil er sich sonst nichts leisten konnte, brauchte Gläser zum Einkochen. Die Firma Weck machte damit gute Geschäfte, auch Einkochfibeln hatten Konjunktur. Seit in jedem Haushalt ein Kühlschrank steht und es kaum mehr jemand nötig hat, selbst Lebensmittel zu konservieren, wirkt der einstige Werbespruch "Eine sinnvolle häusliche Vorratshaltung hilft sparen und wirtschaften" wie aus der Zeit gefallen. Das Einwecken wird heute als Hobby von Genussmenschen gepflegt.

Dass man einst sparte, hatte also nichts mit Geiz zu tun, sondern war schlichtweg notwendig, um zu überleben. Die Menschen mussten improvisieren, um mit dem Wenigen, das sie besaßen, über die Runden zu kommen. In der Ausstellung, die sich auf zwei Räume verteilt, ist eine sogenannte Kochkiste zu sehen, die in Kriegszeiten dazu diente, möglichst wenig Energie zu verbrauchen. Speisen wurden auf dem Herd nur angekocht, dann kamen die Töpfe in die gut isolierte Kiste und garten über Nacht fertig. Im Ersten Weltkrieg hungerte die Bevölkerung, viele Lebensmittel wie Mehl, Fleisch, Eier, Milch und Butter waren nicht zu bekommen.

Mit Parolen wie "Esst Kriegsbrot" oder "Seid klug, spart Fett" forderte der Staat die Menschen auf, ihren Beitrag zum Krieg zu leisten. Statt Tee oder Kaffee wurden heimische Kräuter aufgebrüht. Um Mehl zu sparen, wurden dem Brotteig Sägespäne, Kartoffeln oder Rübenschnitzel als Streckmittel beigemengt. Fleisch war nicht zu bekommen, und wenn doch ein Schwein geschlachtet werden konnte, verwendeten die Menschen auch die weniger edlen Teile. Abfall gab es praktisch nicht. Eigens herausgegebene Kriegskochbücher enthielten alle möglichen Anleitungen, um beim Verbrauch von Nahrungsmitteln zu sparen.

Das strenge Haushalten nach dem Motto "Butterbrot statt Schnitzel kaue" ging den Menschen gewissermaßen in Fleisch und Blut über. Mangel herrschte auch nach 1945, etwa bei den Küchengeräten. Das Museum zeigt einige Utensilien, die damals aus der Not heraus entstanden sind: aus Konservendosen gefertigte Reiben, Kaffeekannen aus Panzerfaustköpfen und Nudelsiebe aus Stahlhelmen. Die Industrie perfektionierte den sparsamen Umgang mit Ressourcen - aus Profitgründen natürlich. Bereits im 19. Jahrhundert kamen die ersten industriell hergestellten Lebensmittel auf den Markt, die teure Produkte ersetzten: Margarine, Brühwürfel, Erbswurst und Milchpulver sind nur einige Beispiele.

"Sparen und wiederverwenden"

Auch der Kunststoff wurde erfunden, um kostbare Naturstoffe wie Elfenbein, Schildpatt oder Perlmutt zu ersetzen. Bakelit wurde gar als "Stoff der tausend Möglichkeiten" gefeiert und diente zur Herstellung von Lichtschaltern, Staubsaugern und Haartrocknern. Die technischen Möglichkeiten revolutionierten die gesamte Industrie. In der Textilherstellung kamen mehr und mehr Chemiefasern zum Einsatz. In Bobingen (Kreis Augsburg) stand in den Fünfzigerjahren das weltweit größte Werk für die Produktion von Endlosgarn aus Polyester.

Der Wandel von Natur- zu Kunstprodukten zeigte sich landauf, landab in den Warenhäusern - und auf den Mülldeponien. Die Wohlstandsgesellschaft produzierte gigantische Müllberge. Heute werden Kunststoffabfälle recycelt, doch weniger als die Hälfte kommen tatsächlich in die Verwertung, das meiste wird verbrannt.

Vor diesem Hintergrund sind die Tugenden der schwäbischen Hausfrau aktuell wie nie. "Sparen und wiederverwenden" lautet die Antwort auf die Frage, welche Lösungsansätze es für den verschwenderischen Umgang mit Ressourcen gibt. Um sich in dieser Disziplin zu üben, können sich die Besucher aus dem Museum ein Rezept mit nach Hause nehmen und einen schwäbischen Apfelbettelmann backen - aus Brotresten für sechs Personen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: