Ausstellung:Dokumente der Terra incognita

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Fotos und Texte geben in Bamberg Einblicke in die abgeschlossene Welt von Abschiebelagern

Von Dietrich Mittler, München

Am Donnerstagnachmittag ist im Bamberger Rathaus die Ausstellung "Inside Abschiebelager" eröffnet worden. Der Termin stand zwar schon seit einiger Zeit fest, aber angesichts der aktuellen Entwicklung gewinnt er ungewollt an Brisanz: An genau diesem Donnerstag nämlich erläuterte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer in Berlin ihren Plan, die Zahl der Abschiebungen aus Deutschland deutlich zu erhöhen. Um dieses Ziel effektiv erreichen zu können, sinnt die Bundesregierung offenbar auch über "Bundesausreisezentren" nach. In Bayern haben Zentren mit eben dieser Zielsetzung längst ihre Testphase hinter sich. Allerdings wurden sie hier seinerzeit "Ankunfts- und Rückführungseinrichtungen" genannt. Ihre Standorte: Ingolstadt/Manching und Bamberg.

"Abschiebelager" nennen sie indes diejenigen, die sich gegen solche Einrichtungen aussprechen. Für die meisten Menschen im Freistaat sind sie Terra incognita, unbekanntes Land, denn Mitarbeiter von Security-Firmen achten streng darauf, dass Unbefugte keinen Zutritt erhalten - und dazu zählen aus behördlicher Sicht auch die Aktiven des Bayerischen Flüchtlingsrats.

Um dennoch der Öffentlichkeit Einblick in das Innenleben der Einrichtungen geben zu können, griffen diese zu einem Trick. Sie fanden Flüchtlinge, die bereit waren, ihre Lebensumstände fotografisch und mit kurzen Texten zu dokumentieren. Entstanden sind dabei Fotos, die keinerlei professionellen Anspruch erheben. Losgelöst aus ihrem Kontext, würden sie wohl nicht einmal Betroffenheit auslösen: Kantinen-Tabletts etwa, auf denen Plastikteller stehen, gefüllt mit Brotscheiben, Schnittkäse und einem Becher Joghurt. Die Botschaft des Bildes ergibt sich aber aus dem Text darunter: "52 Wochen im Jahr das gleiche Essen".

Gleiches gilt für das Bild einer Metallrohr-Pritsche: Was jene, die darauf liegen, damit verbinden, ergibt sich erneut erst aus dem Flüchtlingstext: "In diesem Zimmer wohnen nur Frauen. Jede Nacht haben wir Angst. Wir haben schon oft nach einem Schlüssel gefragt, aber hier bekommt man keinen Schlüssel. Deswegen versuchen wir, mit einem Stuhl die Türe abzusperren."

Mittlerweile wurden die Einrichtungen im Raum Ingolstadt und in Bamberg zum Teil umbenannt. Die in Bamberg etwa wurde im Sommer 2016 Bestandteil der "Aufnahmeeinrichtung Oberfranken". Katrin Rackerseder, Mitglied des Ausstellungsteams, sagte indes bei der Eröffnung: "Das Abschiebelager mit seinen Problematiken bleibt bestehen."

© SZ vom 10.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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