Volksbegehren zur Bildungspolitik:Seehofer bastelt am G 8,5

Volksbegehren zum Gymnasium

Das Volksbegehren zum Gymnasium läuft schleppend - und wird vermutlich scheitern.

(Foto: dpa)

Weil das Volksbegehren für das neunstufige Gymnasium so gut wie gescheitert ist, verzichtet Ministerpräsident Seehofer auf eine große Schulreform. Der bayerische Philologenverband befürchtet: Das Experimentieren geht weiter.

Von Tina Baier

Auch wenn noch keine endgültigen Zahlen vorliegen: Das Volksbegehren zur Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9 ist gescheitert. Bayernweit haben nach Schätzung von Michael Piazolo, dem Generalsekretär der Freien Wähler und Initiator des Volksbegehrens, knapp über zwei Prozent der Bürger unterschrieben. Für einen Erfolg hätten es zehn Prozent sein müssen. "Wir kämpfen bis zur letzten Minute", sagt Piazolo. "Aber es wird nicht reichen."

Dieser Mittwoch ist der letzte Tag, an dem man ins Rathaus gehen und unterschreiben kann. Am Donnerstag wollen die Freien Wähler dann das offizielle Ergebnis bekanntgeben. Anfang der Woche lag die Beteiligung in München und Nürnberg bei lediglich 1,2 Prozent. In Regensburg unterschrieben knapp zwei, in Bayreuth 2,3 Prozent der wahlberechtigten Bürger. Höher war die Zustimmung in Landshut und Schweinfurt, wo sich bis Dienstagvormittag 3,5 beziehungsweise 3,8 Prozent eingetragen haben.

CSU bastelt an einer kleinen Lösung

Dieses schlechte Ergebnis macht eine Rückkehr zu einer neunjährigen Gymnasialzeit in Bayern äußerst unwahrscheinlich. Schon jetzt gibt es viele Hinweise darauf, dass die CSU an einer kleinen Lösung bastelt, die Ministerpräsident Horst Seehofer und Kultusminister Ludwig Spaenle (beide CSU) dann wahrscheinlich als Reform verkaufen werden.

Eine Art erweitertes Flexijahr zum Beispiel: Der G-8-Lehrplan bleibt wie er ist, den Schülern der Mittelstufe wird aber angeboten, irgendwo ein Zusatzjahr einzuschieben. Denkbar wäre auch das sogenannte Rosenheimer Modell, wonach Schüler nach der zehnten Klasse ein Zusatzjahr in Anspruch nehmen können, um vor dem Übertritt in die Oberstufe Wissenslücken zu schließen.

Dazu passt, dass Seehofer Anfang der Woche eine "große Bildungsreform" ausgeschlossen hat. Dazu passt auch, dass er die "individuelle Förderung der Schüler fortentwickeln" will und dass für ihn die Frage G 8 oder G 9 nicht vorrangig ist. Dass die bayerische Staatsregierung nicht vorhat, zu einer neunjährigen Gymnasialzeit zurückzukehren, lässt auch ein Interview mit CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer vermuten, das der Bayernkurier am Montag veröffentlicht hat. Also genau an jenem Tag, an dem klar war, dass das Volksbegehren scheitern würde. "Achtjähriges Gymnasium ist ein Erfolgsmodell", lautet die Unterzeile dieses Artikels. Kreuzer erklärt darin unter anderem "dass das achtjährige Gymnasium besser angenommen wird als das neunjährige".

Max Schmidt, Chef des bayerischen Philologenverbands, hat das Interview alarmiert und verärgert. Die Philologen wollen zu einer neunjährigen Gymnasialzeit zurückkehren und begabten Schülern die Möglichkeit geben, das Abitur wie bisher nach acht Jahren zu machen. Kreuzer hatte bei verschiedenen Gelegenheiten angedeutet, es werde eine Lösung geben, mit der die Philologen leben können. Die stellt Schmidt sich anders vor: "Mit einem erweiterten Flexibilisierungsjahr werden die Betonköpfe in der CSU keine Ruhe ins System bekommen. Wenn sie so weiter machen, werden sie die Arschkarte ziehen", sagt er.

Gleich am Montag hat sich der geschäftsführende Vorstand der Philologen getroffen. "Der Verband wird einer Lösung, die nicht auf einer neunjährigen Gymnasialzeit beruht, nicht den Finger reichen", sagt einer, der dabei war. In der offiziellen Presseerklärung heißt es: "Wer glaubt, angesichts der breiten Ablehnung in der Bevölkerung gegen die Schulzeitverkürzung und angesichts der Einführung des neunjährigen Gymnasiums in Baden-Württemberg und Hessen mit einem ,Weiter so' durchzukommen, wird sich gründlich täuschen."

Deal mit der bayerischen Staatsregierung?

Trotz dieser deutlichen Worte grummelt es bei einigen Verbandsmitgliedern. Sie werfen Schmidt vor, sich zu wenig für das G 9 eingesetzt zu haben. Es wird gemunkelt, der Vorsitzende arbeite trotz aller offiziellen Bekenntnisse zum neunstufigen Gymnasium an einem Deal mit der bayerischen Staatsregierung. Schmidt selbst sagt, er habe den Eindruck gehabt, dass Seehofer und Spaenle durchaus aufgeschlossen waren, zu einer neunjährigen Gymnasialzeit zurückzukehren.

Dafür spricht auch, dass auf dem zweiten Dialogforum des Kultusministeriums, bei dem es kommenden Montag um die Gymnasialreform gehen wird, als letzter Redner Josef Kraus sprechen wird. Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbands und Schulleiter des Maximilian-von-Montgelas-Gymnasiums in Vilsbiburg, lehnt das G 8 ab und will zu einer neunjährigen Gymnasialzeit zurückkehren.

Nicht etwa weil er glaubt, dass die Schüler dem Druck des G 8 nicht gewachsen sind, sondern weil er um das Niveau des bayerischen Abiturs fürchtet. "Ich war sehr überrascht, als der Anruf aus dem Kultusministerium kam", sagt er. "Sie kennen meine Position?", habe er zur Sicherheit nachgefragt.

Das war allerdings, bevor klar war, dass das Volksbegehren derart deutlich scheitern würde. "Das Volksbegehren hat wohl doch eine wichtigere Rolle gespielt als wir gedacht haben", sagt einer aus dem Philologenverband etwas kleinlaut. Bei einem Ergebnis irgendwo zwischen zwei und drei Prozent hat Seehofer jetzt jedenfalls wenig Anlass, die Rückkehr zu einer neunjährigen Gymnasialzeit zu befürworten und sich damit jede Menge Ärger mit der CSU-Fraktion einzuhandeln, die lieber beim G 8 bleiben will.

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