Auslandsreise:Seehofer wirbt für Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien

Seehofer in Saudi Arabien

Horst Seehofer beim Händeschütteln mit Badran al Omar, dem Rektor der King Saud University in Riad.

(Foto: dpa)
  • CSU-Chef Horst Seehofer hat sich bei einem Gespräch mit dem saudischen König Salman klar für den Export von Militärgütern nach Saudi-Arabien ausgesprochen.
  • Dabei hatte er sich vor zwei Jahren selbst noch gegen Waffen für den Golfstaat ausgesprochen.
  • Nun zettelt Seehofer einen Koalitionskrach in Berlin an. Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) hatte vor wenigen Wochen in Saudi-Arabien gesagt, er könne mit schweren Waffen nicht dienen.

Von Wolfgang Wittl, Riad

Jetzt kommt es auf jedes Wort an, auf jede Silbe. Was wird Horst Seehofer sagen? Und wie wird er es tun? Der bayerische Ministerpräsident weiß, dass er unter Beobachtung steht. In Deutschland gibt es im Moment nur zwei Themen, wenn es um Saudi-Arabien geht: den Krieg im Jemen, in den sich Saudi-Arabien immer mehr einschaltet. Und die Verurteilung des Bloggers Raif Badawi, der sich mit der Geistlichkeit angelegt hatte und deshalb um sein Leben fürchten muss.

Doch Seehofer schafft es, ein drittes Thema aufzumachen: Er steht vor dem Eingang des saudischen Wirtschaftsministeriums in Riad, im Hintergrund rauschen Autokolonnen vorbei. Und dann spricht Seehofer den Satz, der die Berliner Koalition in den kommenden Tagen beschäftigen wird: Dass man, wenn man von einer Sache überzeugt sei, auch "verantwortlicherweise mit militärischen Gütern helfen" müsse. Mit Waffenexporten also.

Wie sehr er von Saudi-Arabien überzeugt ist, daran lässt Seehofer bei seiner dreitägigen Reise in den Nahen Osten keinen Zweifel. "Ein Stabilitätsanker" sei das Land, das jede erdenkliche Unterstützung verdiene. Bevor ihn am Sonntagmittag der neue König Salman ibn Abd al-Aziz Al Saud zur halbstündigen Audienz empfängt, erhält er von seiner Frau Karin aus der Heimat noch schnell eine SMS: "Viel Glück. Zwei Könige."

Der prächtige Palast ist ein Hochsicherheitstrakt

Doch schnell wird klar, dass zwischen einem echten Monarchen und einem bayerischen Ministerpräsidenten gewisse Unterschiede bestehen. Der prächtige Palast, durch den Seehofer zu Salman geleitet wird, gleicht einem Hochsicherheitstrakt. Mit Rosenduft sei der Besprechungssaal aromatisiert gewesen, schildern Teilnehmer. Auffallend oft wird Seehofer hinterher den Begriff "Realpolitik" in den Mund nehmen, wie sie früher schon der SPD-Kanzler Helmut Schmidt erfolgreich praktiziert habe.

Auch Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) war zu Besuch in Saudi-Arabien, sechs Wochen erst liegt die Reise zurück. Zwei Stunden hatte die Unterredung gedauert, doch Erfreuliches hatte der Wirtschaftsminister dem König nicht zu berichten. Mit schweren Waffen für das Königreich könne er nicht dienen, beschied Gabriel, er könne schließlich keine deutschen Gesetze brechen.

Seehofer hatte sich vor zwei Jahren selbst noch gegen Waffen für Saudi-Arabien ausgesprochen. Jetzt erklärt er bei vergleichsweise milden 30 Grad, warum er seine Meinung "schon vor Längerem" geändert habe: Weil der Arabische Frühling in sich zusammengebrochen sei und die Probleme nur noch verschärft habe. Weil es hier überall fast nur Krisenländer gebe. Und nicht zuletzt, weil König Salman ihm sehr überzeugend dargelegt habe, dass er sich nichts sehnlicher wünsche, als dass die Menschen dieser Region in Frieden zusammenleben könnten. Dafür brauche es Waffen.

Er wisse, wie der Koalitionspartner darüber denkt, sagt Seehofer. Doch er werde seine Eindrücke der Reise der Kanzlerin genau schildern. Erst am Freitag hatte Saudi-Arabien der Bundesregierung geholfen, hundert Europäer, darunter zahlreiche Deutsche, aus dem umkämpften Jemen auszufliegen.

760 bayerische Unternehmen unterhalten Beziehungen zum Golfstaat

Zwei Fernsehteams dürfen Seehofer zum König begleiten, etwa eine Minute lang. Mit dabei waren außerdem zwei Manager von Siemens und Airbus Helicopters. Denn darum geht es natürlich auch in Saudi-Arabien, das über Devisenreserven von 750 Milliarden Dollar verfügt: um Geschäfte. Der Abstecher beim Ölkonzern Saudi Aramco war kein Zufall.

760 bayerische Unternehmen unterhalten derzeit Beziehungen zu dem Golfstaat. Obwohl sich das Handelsvolumen in den vergangenen fünf Jahren auf 1,3 Milliarden Euro fast verdoppelt hat, scheinen die Möglichkeiten des Marktes so grenzenlos zu sein wie die Weite der Wüste. Anlagen- und Maschinenbau, Medizintechnik, wissenschaftliche Kooperationen - das Potenzial ist enorm, schwärmen Delegationsteilnehmer.

Am Vormittag besuchte Seehofer die King Saud University, die mit der LMU etwa an Grundlagen zur Früherkennung von Krebs und Alzheimer forscht. 60 Prozent der Studenten sollen inzwischen weiblich sein. Das zeige den Fortschritt Saudi-Arabiens. Noch studieren die Geschlechter strikt getrennt voneinander. Wenn Studentinnen von einem Mann unterrichtet werden, geschieht dies via Bildschirm. Autofahren ist Frauen nach wie vor verboten.

Menschenrechte? "In angemessener Form" angesprochen

Von der Reisemüdigkeit, die Seehofer nachgesagt wird, ist nichts zu spüren. Er marschiert lächelnd durch das Flugzeug. Es sieht so aus, als verbessere sich seine Laune mit jeder Flugmeile, mit der er unangenehme Debatten und quälende Kleingeister hinter sich lassen kann. Hie und da ein kleiner Seitenhieb, das war's. Unlust auf die Fremde? Bei bald 40 Auslandsreisen in sieben Jahren könne davon nicht die geringste Rede sein. Die Debatte über Billig-Übernachtungen von Abgeordneten im Schlosshotel Elmau, der Herberge für den G-7-Gipfel? "Pipifax!"

Hinweise der Opposition, er solle sich für die Einhaltung von Menschenrechten einsetzen, hat der Ministerpräsident nicht vergessen. Ja, er habe das Thema beim König angesprochen, sagt Seehofer, aber "in angemessener Form", wie er das immer mache. Zu Raif Badawi, dem zu 1000 Peitschenhieben verurteilten Religionskritiker, will er sich nicht im Detail äußern. Man müsse solche Sachen mit Fingerspitzengefühl angehen, damit erreiche man mehr als durch öffentlichen Aktionismus. Engere Beziehungen = mehr Einfluss, so lautet Seehofers Gleichung: "Ich möchte keine Schlagzeilen, sondern dass wir durch unser gutes politisches Verhalten den Menschen helfen."

Keine Schlagzeilen? Sollte das wirklich sein Ziel gewesen sein, so hat er es gründlich verfehlt.

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