Auskunftspflicht:Verfassungsrichter rügen Staatsregierung

Bayerischer Verfassungsgerichtshof

Die Staatsregierung hat wegen unzureichender Auskünfte auf Abgeordnetenanfragen zum wiederholten Male eine massive Rüge des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs kassiert.

(Foto: Tobias Hase/dpa)

Das Kabinett muss sorgsamer mit den Rechten des Landtags umgehen, urteilen Bayerns oberste Richter. Das Innenministerium habe gegen die Verfassung verstoßen, als es Anfragen der Grünen zur rechten Szene abblockte.

Von Frank Müller

Inzwischen ist es schon eine Serie von Ermahnungen: Erneut hat sich die Staatsregierung vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof eine empfindliche Niederlage für ihren Umgang mit den Rechten der Landtagsabgeordneten abgeholt. In einer Entscheidung vom Donnerstag bescheinigen Bayerns oberste Richter dem Innenministerium klare Rechtsverstöße beim Umgang mit parlamentarischen Anfragen der Opposition. Ein ganzes Bündel von Anfragen der Grünen über den Verfassungsschutz sei unzureichend beantwortet worden, entschieden die Richter. Nur in einem Teilbereich unterstützten sie die Haltung des Innenministeriums.

Bei den parlamentarischen Anfragen geht es um eines der wenigen echten Kontrollinstrumente der Opposition im Landtag. Sie kann damit von der Regierung Auskünfte über Themen, die sie zu vertreten hat, innerhalb bestimmter Fristen verlangen. Im aktuellen Fall ging es um sieben Fragen der Grünen zum Vorgehen des Verfassungsschutzes aus den Jahren 2011 und 2012: unter anderem um den Einsatz von V-Leuten in der rechten Szene, um die Beobachtung von Politikern durch Verfassungsschützer und um Details des Münchner Oktoberfestattentats von 1980.

Die Grünen hatten dazu detaillierte Auskünfte, etwa über Zahlen und Honorare von eingesetzten V-Leuten oder auch über den Bestand an Unterlagen gestellt. Das Innenministerium blieb jedoch in den Antworten zahlreiche Details schuldig und verwies darauf, viele Informationen müssten geheim gehalten werden oder seien nur mit unzumutbarem Aufwand zu besorgen. Dadurch verletze das Ministerium die verfassungsmäßigen Rechte der Opposition, beschwerten sich die Grünen.

So sehen es überwiegend auch die Verfassungsrichter, wie Präsident Karl Huber in der mündlichen Begründung klarmachte. "Die Beantwortung dieser Anfragen wird den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht", sagte er. Zwar könne es durchaus geheimhaltungsbedürftige Punkte geben, führte Huber aus. Das müsse aber das Ministerium dann auch in jedem Einzelfall begründen, was es nicht getan habe. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte an vielen Stellen nur lapidar auf "geheimhaltungsbedürftige Aspekte" verweisen lassen und Auskünfte nur im sogenannten Parlamentarischen Kontrollgremium geben wollen, einer geheim tagenden Landtagsgruppe.

Ausnahmen an zwei Stellen

Die Verfassungsrichter verwerfen dies als "pauschal gehaltene Begründung", die nicht ausreiche, "um das Informationsinteresse der Antragsteller zurücktreten zu lassen". Das gelte vor allem für Fragen der Grünen zu Politikern, die der Verfassungsschutz beobachtete: Dabei sei "das parlamentarische Informationsinteresse besonders hoch zu gewichten, da die Beobachtung von Mandatsträgern erhebliche Gefahren für den Prozess der demokratischen Willensbildung in sich birgt".

Die Verfassungsrichter machen nur an zwei Stellen Ausnahmen. Eine Anfrage, mit der die Grünen Detailauskünfte über V-Leute in der NPD wollten, sei zu Recht zurückhaltend beantwortet worden. Weil die Grünen genaue Angaben über Zeitpunkte und Parteiebenen haben wollten, auf denen V-Leute wirkten, drohte laut Gericht deren Enttarnung. In Ordnung sei auch, wenn das Ministerium Angaben schuldig bleibe, weil Unterlagen aus Datenschutzgründen schon gelöscht seien. Es gebe "keine Rekonstruktionspflicht", sagte Huber.

Rundum zufrieden

Der Grünen-Abgeordnete Sepp Dürr zeigte sich nach der Entscheidung rundum zufrieden. "Das ist ein Erfolg für die parlamentarische Demokratie." Dürr verwies auch darauf, dass der Staat noch Antworten auf andere Grünen-Anfragen verweigere, etwa zum Umgang mi dem ADAC oder dem Fall Hoeneß. Innenminister Herrmann versprach eine sorgfältige Analyse der Entscheidung . "Die Rechte des Parlaments und der Abgeordneten werden wir selbstverständlich wahren."

Mit solchen Ankündigungen reagierte die Staatsregierung allerdings schon früher auf vergleichbare Schlappen vor dem Verfassungsgerichtshof. Die Richter hatten das Fragerecht von Abgeordneten schon dadurch gestärkt, dass sie den Staat zur Auskunft über Firmen verpflichteten, an denen er beteiligt ist. Oder auch durch die Pflicht zur Auskunft über parteipolitische Umfragen der Staatsregierung auf Steuerzahlerkosten. Bereits in der nächsten Woche steht eine ähnliche Entscheidung auf dem Programm des Gerichts. Die SPD klagt dagegen, dass die Staatskanzlei Auskünfte über die Beteiligung von Ministern an der Verwandtenaffäre verweigert.

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