Augsburgs Bürgermeister Gribl:Im falschen Boot

Der Augsburger Rathauschef Kurt Gribl wurde von der CSU als Erneuerer gefeiert. Nach 100 Tagen im Amt spricht die Partei jetzt von einem Fehlstart.

Mike Szymanski

Als die Augsburger CSU neulich im Kulturhaus Abraxas zusammenkam, stand eigentlich nur ein Punkt auf der Tagesordnung: "100 Tage Stadtregierung der bürgerlichen Mitte". Und obwohl es Sekt gab, war den Parteifreunden nach Feiern nicht zumute. Spätestens als Parteichef Bernd Kränzle in seiner Rede das Wort Fehlstart verwendete, war der Abend für die meisten gelaufen.

Augsburgs Bürgermeister Gribl: Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl musste einige Wahlversprechen brechen.

Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl musste einige Wahlversprechen brechen.

(Foto: Foto: dpa)

Es ist nicht das erste Mal, dass die Augsburger CSU offenbar mit der Macht nicht umgehen kann, die ihr für alle so überraschend am Wahlabend zugefallen ist. Drei Monate nachdem OB Kurt Gribl seinen SPD-Vorgänger Paul Wengert und dessen rot-grüne Regenbogen-Regierung abgelöst hat, macht sich Frust breit.

Die CSU zankt, und Wahlversprechen wurden gebrochen. In den Leserbriefspalten der Lokalzeitung häufen sich die Beschwerden. SPD-Fraktionschef Stefan Kiefer nannte die erste Bilanz der neuen Regierung "miserabel". Kränzles Auftritt zeigte, dass die CSU dem wenig entgegenzusetzen vermag.

"Gefühlte 150 Tage" im Amt

Der 43-jährige Kurt Gribl, als Erneuerer der personell ausgezehrten CSU gefeiert, macht jetzt schon einen erschöpften Eindruck - "gefühlte 150 Tage" sei er im Amt, stöhnte er vor seinen Parteifreunden.

Bevor die CSU ihn gefragt hatte, ob er nicht für das Oberbürgermeisteramt kandidieren wolle, hatte er mit Politik nichts am Hut. Gribl arbeitete als Verwaltungsjurist in einer Kanzlei. Am Wahltag vertrauten ihm die Bürger die Verantwortung für eine Großstadt mit 270.000 Einwohnern und einen üppigen Verwaltungsapparat an.

Manchmal vermittelt Gribl den Eindruck, er sei überfordert. Presseanfragen bleiben tagelang unbeantwortet. Bei Reden verhaspelt er sich häufig. Und dann wollten Gerüchte über angebliche Affären sich nicht verflüchtigen. Sie nahmen derart bizarre Züge an, dass Gribl in die Offensive ging und öffentlich erklären musste: alles Lügen. Über Sachpolitik redete zuletzt kaum einer.

Ein Fremdkörper in der Fraktion

Daran ist die CSU nicht unschuldig. Zwar ist Gribl nach seinem Amtsantritt von CSU-Chef Erwin Huber persönlich in die Partei aufgenommen worden, aber die Fraktion behandelt ihn noch immer wie einen Fremdkörper. Als Gribl seine Kandidaten für die Referentenposten aufstellte, verließ er sich lieber auf das Urteil externer Berater.

Die Fraktion zahlte ihm diese Missachtung heim. Sie ließ Gribls Wunschkandidaten - etwa für das Bildungsreferat - durchfallen. Beim Parteitag sah sich CSU-Chef Kränzle gar zu einem Bekenntnis gezwungen: "Die Partei steht zu dir." Da hatte er Rebellen in der Fraktion schon lukrative Aufsichtsratssitze verschafft, damit sie Ruhe geben.

Wohler fühlt sich Gribl offenkundig beim Juniorpartner der Regierung, bei der Wählergruppe Pro Augsburg. Dort werben Parteiverdrossene, die sich für die besseren Politiker halten, mit dem Slogan "Bürger machen Politik".

Am Donnerstag saß Gribl in deren Fraktionsräumen und überhäufte den Partner mit Lob, wie es die CSU gerne mal von ihm hören würde. "Zuverlässig und kompetent", schwärmte Gribl. "Eine Arbeitsweise, die meinem Wesen entspricht." Gribl gibt sich kaum Mühe, den Eindruck zu zerstreuen, er sei vielleicht in der falschen Partei.

Das Ergebnis der Koalitionsarbeit zeigt Züge des Abschottens. "Zeit für den Augsburger" - war Gribls Slogan im Wahlkampf. Nun bekommen die Bürger statt Politik reihenweise Wünsche wie die Semmeltaste an der Parkuhr erfüllt. Überregional schwindet der Einfluss Augsburgs. In den neuen Vorstand des Städtetags hat es Gribl als Vertreter von Bayerns drittgrößter Stadt nicht geschafft. Er unterlag dem Bürgermeister von Pfarrkirchen. Das ohnehin schwindende Großstadt-Bewusstsein leidet, auch weil Lokale wieder um zwei Uhr schließen sollen.

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