Augsburg:Ein "Hirschi" für die Jägerin

Messe Jagen und Fischen Augsburg

Was nach der Jagd vom Tier übrig bleibt, ist am Pelzstand zu sehen.

(Foto: Florian Peljak)

Heger und Pfleger der Natur oder einfach nur grausam? Die Jagd ist umstritten. Doch die Messe "Jagen und Fischen" ist gut besucht - immer mehr Frauen interessieren sich dafür.

Von Christian Rost

Im Schießkino auf den laufenden Keiler zielen, sich in einem zweiten und dritten Versuch verbessern und dann "einen schönen Preis" vom Online-Jagdshop mitnehmen - "was will Frau mehr?", heißt es im Werbetext für die Messe "Jagen und Fischen" in Augsburg. Und tatsächlich, so ist noch bis Sonntag auf der Leistungsschau für Jäger, Angler und Bogenschützen unschwer zu übersehen, interessieren sich immer mehr Frauen für Kimme und Korn, Pfeil und Bogen, Rute und Haken.

Die Jägerin Natascha Rieger hat daraus ein Geschäft gemacht. Sie vertreibt "feine Accessoires und Bekleidung für die Jägerin". Die Produkte in ihrem Shop haben besondere Namen: Eine Kapuzenjacke heißt "Hirschi", die andere "Sau". Mehr Jagdbegeisterung steckt wohl in keinem anderen Textil. Weil der Modemarkt für Jägerinnen noch relativ jung ist, findet Rieger immer wieder Dinge, "die es für uns Damen noch nicht gibt". Und diese Dinge kreiert sie dann. Ideen dafür holt sie sich beim Jägerinnenstammtisch, zu dem die Geschäftsfrau auf der Messe einlädt. Bei einem Glas "Pinkpearls", einem rosa Schaumwein, tauschen sich die Jägerinnen über praxis- und alltagstaugliche Produkte für die Jagd aus.

Über die "Neue Lady" etwa, wie ein Jagdgewehr des Waffenherstellers Sauer heißt. 2148 Euro kostet die Waffe und liegt damit preislich noch im unteren Segment. Der Stutzen daneben, mit dem gerade eine blonde Frau mit Feder im Hut zur Probe anlegt, kommt schon auf 5799 Euro. Die passende Pistole dazu ist auch mit Griffbeheizung zu haben. "Nie mehr kalte Finger", wirbt der Hersteller. Damit lasse es sich "besser schießen und treffen".

Die Jagdbegeisterung der Frauen hat einen neuen Markt geschaffen. Mittlerweile gibt es sogar ein eigenes Siegel für Jagd-Zubehör, das speziell für Frauen entwickelt wurde: Jagdwaffen, Angelruten, Pfeil und Bogen, Funktionskleidung, Pelzmode und noch einiges mehr. Deshalb unterhalten sich die Jägerinnen am Stammtisch auch nicht nur über Waffen und Mode. Da geht es auch um die Hundeausbildung.

So ein Hund ist ja ebenfalls unabdingbar bei der Jagd. Die Messe räumt den Welsh Terriern, Border Terriern, Wasserpudeln und all den anderen Jagdhunden mit 1000 Quadratmetern Ausstellungsfläche eine Menge Platz ein. In Halle 4 sind rund 50 Rassen zu sehen. Und weil Hunde nicht lange still sitzen und sich begaffen lassen wollen, reißen sie auch mal aus, um mit ihren Artgenossen zu spielen. Immer wieder sind Züchter oder Jäger zu sehen, die ihren Hunden hinterherrennen, um sie einzusammeln.

Der Magyar Vizsla zum Beispiel ist ein lebhafter, freundlicher, fröhlicher und intelligenter Hund. Er ist sehr sensibel, benötigt einen engen Kontakt zu seiner Familie und ist sehr anhänglich. Die Rasse stammt aus Ungarn. Eine Messebesucherin hat gleich fünf Magyar Vizsla dabei. Eines der Tiere hat am Kopf schon ein deutlich angegrautes Fell. "Das ist die Oma", sagt die Besitzerin, "und die anderen sind ihre Kinder und Enkel." Es dauert keine Minute, bis zunächst die Oma und dann auch ihre Nachkommen zeigen, wie nähebedürftig sie sind. Alle lehnen sich an die Beine des Reporters und holen sich so ihre Portion Nähe ab. Das ist berührend und zugleich ein wenig irritierend, weil es sich doch um Jagdhunde handelt. Jagen und kuscheln - das passt nicht zusammen.

Tierschützer kritisieren die Jagd

Die Jäger verstehen sich als Heger und Pfleger der Natur und übernehmen Aufgaben, die alles andere als angenehm sind. Jetzt, da die Tage wieder länger werden, kommt es vermehrt zu Wildunfällen. Das immer dichter werdende Straßennetz zerschneidet die Rückzugsgebiete der Tiere im Wald. Und weil auch der Freizeitdruck hoch ist, findet das Wild keine Ruhe mehr. Die Folge sind Wildunfälle, um die sich dann der Jäger kümmern muss.

Matthias Meyer ist ein erfahrener Schweißhundeführer. Diese Hunde sind speziell dafür ausgebildet, verletztes Wild aufzustöbern. Nicht immer endeten Unfälle für Reh, Hirsch und Wildschwein sofort tödlich, so Meyer. "Häufig fliehen die Tiere nach einem Unfall mit inneren Verletzungen und offenen Brüchen. Im Sinne des Tierschutzes muss verletztes Wild so schnell als möglich von seinen Qualen erlöst werden." Sind Wildschweine betroffen, geht es auch um die Sicherheit von Spaziergängern. Verletzte Wildschweine seien durchaus in der Lage, Fußgänger oder deren Hunde, die ihnen unwissentlich zu nähe kämen, anzugreifen, so Meyer. Er lässt keinen Zweifel daran, dass es ohne die Jagd nicht geht.

Es gibt allerdings zahlreiche Tierschützer, die die Argumente der Jägerschaft, wie wichtig die Bejagung für ein Gleichgewicht von Natur und Wild sei, nicht gelten lassen. Kritik an der Augsburger Messe kam diesmal von der Tierrechtsorganisation Peta, die "ein Ende des Hobbytötens" fordert. "Jagd ist unnötig, kontraproduktiv und grausam", lässt sich ein Peta-Sprecher zitieren, auch das Angeln sei stets mit "Tierleid verbunden".

Das Angeln, der Schießsport und das Bogenschießen bilden die Schwerpunkte auf der Messe. Menschen, die an der Sinnhaftigkeit dieser Disziplinen zweifeln, trifft man hier eher nicht. Auch etliche Kinder besuchen die Messe mit rund 300 Ausstellern. Ganze Schulklassen sind da, worüber sich der Augsburger Gauschützenmeister Gerhard Morasch besonders freut. Er will den Schülern zeigen, "dass Schießen ein Sport ist". Es fördere die Konzentrationsfähig und die Disziplin. Morasch geht sogar so weit, dass er den Schießsport als "Therapie für ADHS-Kinder" empfiehlt.

Ohne Altersbeschränkung können sich Kinder beim Schießen mit einem Lichtgewehr oder einer Lichtpistole versuchen. Oder sie probieren das Blasrohr am Stand des Bayerischen Sportschützenbundes aus. Ein Mann mit ausgeprägtem Schweizer Dialekt demonstriert derweil an einem Wasserbecken das Fliegenfischen. Gleich einem Metronom bewegt er die Rute hin und her und lässt die Schnur übers Wasser fliegen, um sie dann gleich wieder zurückzuziehen und erneut auszuwerfen. Die gleichförmigen Bewegungen faszinieren auch zwei Buben, die wie hypnotisiert dem Fliegenfischer zusehen. Für den Bogensport wirbt derweil Uwe Beier. "Die Menschheit schießt länger Bogen, als sie schreibt", sagt Beier und zählt die Neuheiten in diesem Sport auf. Im Trend lägen 3D-Schießen auf Tier- und Fantasiefiguren, besonders für Familien geeignet sei ein Wochenendurlaub mit Parcoursschießen.

"Waidmannsheil", "Petri Heil", "Gut Schuss" - das sind die Grußformeln der Jäger, Angler und der Schützen. Von der Thermosocke bis zum Nachsichtgerät, vom Wildfangkäfig bis zu Vakuumierungsmaschine fürs Wildfleisch finden sie auf der Messe alles, was sie für ihre Ausrüstung benötigen. Sogar ein Autohändler ist da und wirbt für seine Allradfahrzeuge. Bernhard Kraus unterdessen braucht das alles nicht. Er hat einen dicken Lederhandschuh an, auf dem ein Wanderfalke sitzt. Auch Kraus ist Jäger, aber ohne Waffe. Der Falkner lässt seinen Vogel die Arbeit tun. Krähen vergrämen zum Beispiel. Auch das ist ein blutiges Geschäft. Der Falke vertreibt die Krähen nicht nur, "er fängt und tötet sie", sagt Kraus. Das Jagen mögen immer mehr Frauen für sich entdecken. Für sensible Gemüter ist es aber nichts.

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