Augsburg:Die Energie der Augsburger

Die Augsburger lassen sich nicht von einer teuren PR-Kampagne der Stadt beeindrucken und stimmen gegen die Fusion der Stadtwerke mit einem Privatunternehmen. Eine Ohrfeige für den Oberbürgermeister. Der sitzt trotzdem fest im Sattel - es wackelt nur ein einziger Job

Von Stefan Mayr, Augsburg

Das Ergebnis des Bürgerentscheids steht seit einer halben Stunde fest, da spielt sich im Augsburger Rathaus eine ebenso kuriose wie bezeichnende Szene ab: Die Parteipolitiker von SPD und CSU ziehen von dannen, entweder nach Hause oder zur Krisensitzung. Währenddessen feiern die Mitglieder der Initiative "Bürgerenergiewende Augsburg" ihren Triumph mit rhythmischem Klatschen und Siegergejohle. Diese Handvoll einfacher Bürger - ohne Parteibuch und ohne großes Geld - hat den Saal, in dem ansonsten der Stadtrat tagt, erobert.

Dort, wo das demokratische Herz Augsburgs schlägt, haben die Regierungsparteien CSU und SPD am Sonntagabend nichts zu melden. Trotz einer teuren wie umstrittenen PR-Kampagne sind sie die klaren Verlierer eines denkwürdigen Bürgerentscheids. 72,2 Prozent derjenigen, die überhaupt zur Abstimmung gingen, sprachen sich gegen die von der Stadtregierung geplante Fusion der Stadtwerke Energie GmbH mit dem Privatunternehmen Erdgas Schwaben aus. Es ist eine Ohrfeige für die Stadtoberen um CSU-Oberbürgermeister Kurt Gribl. Er räumt das offen ein: "Ich bin überrascht und enttäuscht, das ist ganz sicher die heftigste Niederlage meiner Amtszeit." Sein Kontrahent Bruno Marcon, der Sprecher der Bürgerinitiative, steht inmitten seiner Mitstreiter und sagt etwas untertreibend: "Wir jubilieren nicht, aber wir sind zufrieden."

Mit einem derart deutlichen Ergebnis hatte niemand gerechnet, auch Bruno Marcon nicht. Während eine große Mehrheit des Stadtrats die Fusion befürwortet, lehnen fast drei Viertel der Bürger die Pläne ab. Die Wahlbeteiligung lag bei 21,7 Prozent. Fast 80 Prozent der Wahlberechtigten ist die Zukunft der städtischen Energieversorgung also egal. Diese Abstimmung lässt auch am Tag danach viele Fragen offen - allen voran diese zwei: Wie geht es nun weiter mit den Stadtwerken? Und wie geht es weiter mit der Stadtregierung?

Bürgerentscheid in Augsburg über Energie-Fusion, 2015

Augsburg ist dieser Tage zugepflastert mit Plakaten, die für eine Fusion der Stadtwerke Energie GmbH mit Erdgas Schwaben werben.

(Foto: Stefan Puchner)

OB Gribl betonte stets, ohne Fusion werde die Stadtwerke Energie mittelfristig in einem schwieriger werdenden Markt Probleme bekommen. Die Gewinne könnten einbrechen und damit die Quersubventionierung für den öffentlichen Nahverkehr. Wer gegen die Fusion ist, riskiert teurere Bustickets, hatte die SPD argumentiert. Sind die Stadtwerke bald zu schwach, um überleben zu können? Sind langfristig gar Arbeitsplätze gefährdet? "Nein", betont Bruno Marcon. Er schlägt einen "Energierat" vor, der die Zukunft der städtischen Versorgung beraten soll. "Die Stadtwerke GmbH muss bürgernäher werden", fordert er, "im Vordergrund dürfen nicht die Gewinnmargen stehen, sondern die Kundennähe und die dezentrale Energiewende." Das Ergebnis zeige, dass die Augsburger die Privatisierung der Stadtwerke ablehnen und die städtische Daseinsvorsorge in ihren Händen behalten wollen.

Marcon fordert auch ein Umdenken der Politik und personelle Konsequenzen: "Sie war unfähig, die Stimmung der Bürger aufzunehmen, und sie hat an den Menschen vorbei regiert." Zudem fordert er den Rücktritt von Stadtwerke-Geschäftsführer Klaus-Peter Dietmayer sowie von Grünen-Umweltreferent Reiner Erben.

Letzterer hatte wie auch viele Stadträte der Grünen für die Fusion geworben - und damit ein parteiinternes Erdbeben ausgelöst. Die Basis lehnte den Zusammenschluss ab und plakatierte für ein Nein. Doch die Parteispitze mit den prominenten Bundes- und Landespolitikerinnen Claudia Roth und Christine Kamm trommelte für ein Ja. Ob und wie diese Gräben zugeschüttet werden können? Am Sonntag weiß darauf kein Grüner eine Antwort. Immerhin betont OB Gribl, dass er die Kooperation mit den Grünen wie bisher fortsetzen werde. "Es gibt keinen Grund für irgendwelche Konsequenzen."

Für Gribl selbst ist die Niederlage ein schmerzlicher Denkzettel, aber unter dem Strich keine bedrohliche Sache. Angesichts seiner anderen Erfolge (Uni-Klinik, Millionen-Zuschuss für Theater-Sanierung) sitzt er parteiintern fest im Sattel. Bei den Wählern büßte er zwar Sympathien ein. Doch bis zur nächsten Wahl wird dieser Dämpfer wohl wieder vergessen sein. Größere Nachwirkungen wird das Ergebnis für SPD und Grüne haben, die als Juniorpartner im Regierungstrio ohnehin einen schlechten Stand haben. Während alle politischen Erfolge eher der CSU zugeschrieben werden, stehen sie nun zerrupfter respektive zerstrittener da denn je.

Kommunalwahlen Bayern - Augsburg

Kurt Gribl, CSU, ist seit sieben Jahren OB von Augsburg. Zuletzt hat er Erfolge verbuchen können, etwa die staatlichen Zuschüsse zur Theatersanierung.

(Foto: Hildenbrand/dpa)

Gribl kündigt an, er werde weiterhin für die Zukunft der Stadtwerke kämpfen. Dabei wolle er auch andere "Kooperationsmöglichkeiten" mit Erdgas Schwaben prüfen. Eine Machbarkeitsstudie war zum Ergebnis gekommen, dass mit einer Fusion 11,5 Millionen Euro pro Jahr eingespart werden könnten. Das Gutachten ergab aber auch, dass die Stadtwerke im Alleingang oder bei einer losen Kooperation mit Erdgas Schwaben Kosten reduzieren können - wenn auch viel weniger. Zunächst muss sich wohl nur ein Mitarbeiter der Stadtwerke Sorgen um seinen Job machen: Manager Dietmayer. Er wurde extra von Erdgas Schwaben geholt, um die Fusion vorzubereiten. Er ist sowohl Geschäftsführer von Stadtwerke Energie als auch von Erdgas Schwaben. Ob das so bleibt, ist eher unwahrscheinlich.

Vor seinem Abgang aus dem Rathaus geht Gribl auf Bruno Marcon zu, gratuliert ihm und sondiert einen Gesprächstermin. Sie sind sich einig: Die Stadtwerke müssen modernisiert werden. Diese Aufgabe soll nun im Dialog gelöst werden, kündigt Gribl an.

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