Aufgelöstes Rudolf-Heß-Grab in Wunsiedel:Drohbriefe und Schmähungen

Es sind schon mehr als 200 Briefe: Nachdem das Grab von Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß aufgelöst worden ist, attackieren Ultrarechte Wunsiedler Bürger - und die NPD ruft zu einer Kundgebung auf.

Olaf Przybilla

Seit einer Woche bekommen sie Drohbriefe und Schmähungen: Hans-Jürgen Buchta bekommt sie, der evangelische Dekan in Wunsiedel, inzwischen sind es mehr als 200 Briefe und E-Mails; Peter Seißer bekommt sie, der Mann, der bis zum Jahr 2008 insgesamt 18 Jahre lang als Landrat die juristische Auseinandersetzung mit den in Wunsiedel einfallenden Rechtsextremisten führte. Und Jürgen Schödel bekommt sie, Pfarrer und Sprecher der Initiative "Wunsiedel ist bunt".

The place where the tomb and headstone of Adolf Hitler's deputy Rudolf Hess once stood is pictured at Wunsiedel graveyard

Das Grab von Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß wurde am 20. Juli aufgelöst - vor Sonnenaufgang.

(Foto: REUTERS)

Es geht um das Grab von Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß, das am 20. Juli noch vor Sonnenaufgang aufgelöst worden ist. Nichts ist nun geblieben von Heß in Wunsiedel, außer einer eingeebneten Grabstätte. Ein schmales Stückchen Erde - sozusagen ein "brauner Fleck", wie es die Hofer Frankenpost formuliert hat.

Dass die Kleinstadt in Oberfranken ihren braunen Fleck nun sofort losbekommen würde, hat Schödel nicht erwartet. Der Pfarrer aber sieht das ganz gelassen: Mit kurzfristigen Trotzreaktionen aus der ultrarechten Szene sei schließlich zu rechnen gewesen, sagt er, man habe sich darauf eingestellt. Tatsächlich hat die NPD für diesen Samstag eine Versammlung in Wunsiedel angemeldet, angeblich soll das Motto "Fremdarbeiterinvasion stoppen" heißen. Aber man könne sich "ja ausrechnen, was das eigentliche Thema ist", sagt Schödel - auch wenn dieses laut Versammlungsbescheid gar nicht erwähnt werden darf: Rudolf Heß. Dazu müsse man nur die Drohbriefe lesen, die dieser Tage in Wunsiedel eingehen.

Hans-Jürgen Buchta trifft es gerade besonders. Der Dekan hat die Gespräche mit der Schwiegertochter von Heß geführt, die im Auftrag ihrer Familie handelte. Und er hat der Bitte der Familie entsprochen, das Familiengrab aufzulösen und die Gebeine umzubetten, nachdem der Kirchenvorstand von Wunsiedel entschieden hatte, die Nutzungsrechte für das Grab nicht zu verlängern.

In den Hetzschreiben auf seinem Tisch muss Buchta nun lesen, das Grab sei gezielt am 20. Juli aufgelöst worden, am Jahrestag des Hitler-Attentats. Das stimme nicht, erwidert Buchta, es sei schlicht darum gegangen, nach dem Gespräch mit der Heß-Verwandten möglichst rasch und unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu handeln. Die Gebeine von Heß sind inzwischen eingeäschert worden, sie sollen auf See bestattet werden. Der Grabstein wurde aus Wunsiedel abtransportiert.

"Ich habe keine Angst", sagt Buchta, wenn man ihn auf die Drohbriefe anspricht. Es werde jemand nach Wunsiedel kommen, und dann werde "etwas passieren", heißt es in einem der Schreiben. "Aber wir lassen uns von denen nicht einschüchtern", sagt der Dekan. Die Staatsanwaltschaft prüft derzeit, ob die Schreiben Straftatbestände erfüllen.

Ungeachtet aller Drohungen werden die Wunsiedler am Samstag wieder auf die Straße gehen, gegen "Hass, Gewalt und Fremdenfeindlichkeit" heißt das Motto, zu dem man sich an den Schulen zu einem Sternmarsch trifft. Peter Seißer, der ehemalige Landrat, wird auch dabei sein - und er ist optimistisch. "Sie werden sehen", sagt er, "diese NPD-Aktion wird ein Flop."

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