Aufarbeitung:Korruptionsaffäre: Regensburger SPD und CSU liefern sich Schlammschlacht

Rathaus in Regensburg

Nach dem Ende des Korruptionsprozesses in Regensburg wird die politische Dimension heftig diskutiert.

(Foto: dpa)
  • Im Sommer 2016 wurden die Korruptionsaffäre um den suspendieren Oberbürgermeister Wolbergs (SPD) und die Ermittlungen gegen Alt-OB Schaidinger (CSU) bekannt.
  • Eineinhalb Jahre später wirft die CSU der SPD vor, dass in Regensburg zu wenig gegen Korruption getan wird. Die SPD steigt in die Schlammschlacht mit ein.
  • Beide Parteien nehmen jedoch die Verwaltung in Schutz.

Von Andreas Glas, Regensburg

Am vergangenen Wochenende gab es wieder Durchsuchungen im Regensburger Rathaus. Ein Großaufgebot, etwa 2000 Leute. Sie kamen in Zivil und haben sogar in der Schreibtischschublade im Büro des Oberbürgermeisters gewühlt. Wie die Mittelbayerische Zeitung berichtet, fanden sie dort aber nur ein paar Visitenkarten. Eine Überraschung war das nicht, die Besucher waren keine Zivilfahnder. Es waren Bürger, die beim Tag der offenen Tür "hinter die Kulissen verschiedener Ämter blicken" durften, wie die Stadt in ihrer Einladung schrieb.

Noch mehr hätte die Regensburger natürlich interessiert, wie es im Rathaus zugeht, wenn die Türen verschlossen sind. Das ist das eigentliche Rätsel, seit im Juni 2016 die Korruptionsaffäre um den inzwischen suspendierten Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (SPD) losbrach und bald danach Ermittlungen gegen Alt-OB Hans Schaidinger (CSU) bekannt wurden. Es geht in der Affäre ja nicht nur um Wolbergs und Schaidinger. Es geht auch darum, ob Mitarbeiter in der Stadtverwaltung versagt haben. Ob sie ein mögliches Korruptionssystem nicht erkannten, nicht erkennen wollten, oder einzelne Mitarbeiter ein System unterstützt haben.

Fragen, mit denen sich viele Stadträte zunächst nicht befassen wollten. Monatelang nahm die SPD-Fraktion ihren OB in Schutz, monatelang verhielt sich die CSU auffällig ruhig. Vielleicht aus Furcht, dass jemand auch in Schaidingers Schubladen wühlen könnte. Und jetzt, nach fast eineinhalb Jahren? Es ist Zeit für eine Bilanz. Was hat die Stadt getan, um Schwachstellen in den eigenen Reihen zu ermitteln? Und was tut sie, um in Zukunft gegen Korruption gewappnet zu sein?

Viel zu wenig, findet die CSU-Fraktion, und hat am vergangenen Dienstag eine neue Schlammschlacht mit der SPD eröffnet. Die Frage ist halt, ob es der CSU wirklich um Aufklärung geht - oder nur darum, allein der SPD die Schuld zuzuschieben und sich selbst als Saubermann-Partei zu profilieren. Das jedenfalls vermutet die SPD-Fraktion und stieg am Freitag in die Schlammschlacht mit ein.

Aber der Reihe nach. Am besten fängt man dort an, wo die ersten Schlammspritzer herkamen: bei der CSU. Sie fordert die Stadt auf, alle Fälle der vergangenen fünf Jahre offenzulegen, in denen der OB gegen den Willen der Verwaltung gehandelt habe. Anlass ist der Verdacht der Staatsanwaltschaft, dass Wolbergs Bedenken der Verwaltung ignoriert haben könnte, um Entscheidungen zugunsten jener Bauunternehmer durchzusetzen, von denen er Parteispenden bekam. Der SPD-Fraktionschef Klaus Rappert blockt ab: Es gebe "keinen Anspruch des Stadtrats auf Offenlegung solcher Interna". Der CSU gehe es nur darum, "ganze Bereiche der Stadtverwaltung unter Generalverdacht zu stellen". Auch Wolbergs hatte kürzlich in einer Videobotschaft vom "unerträglichen Generalverdacht" gesprochen und beteuert: "Die Regensburger Stadtverwaltung war und ist nicht korrupt." Basta.

Noch etwas gab die CSU am Dienstag bekannt: Solange die Affäre nicht aufgeklärt ist, will sie keiner Baugenehmigung für die drei beschuldigten Bauunternehmer mehr zustimmen. Dass die CSU jahrelang selbst Spenden dieser Unternehmer angenommen hat, dazu sagt Fraktionschef Josef Zimmermann nur: "Von uns gab es keine Gegenleistung." Für die CSU gilt offenbar immer noch, was Stadtrat Franz Rieger vor eineinhalb Jahren sagte: Die Korruptionsaffäre "ist eine Affäre Wolbergs und seiner SPD". Basta.

Ein Dilemma

Basta hier, Basta da. Schlechte Voraussetzungen, um die Affäre rathausintern aufzuarbeiten. Um Aufklärung gehe es der CSU auch gar nicht, nur um "Effekthascherei", legt SPD-Fraktionschef Rappert nach - hält dann aber selbst die Hand vor die Lampe, wenn es darum geht, das Rathaus mal gründlich zu durchleuchten. Man dürfe "die Verwaltung nicht für Fehler, die eventuell von ein paar wenigen begangen wurden", verantwortlich machen.

Dass die SPD der Verwaltung vertraut, zeigte sich bereits im Juni, als die Fraktion kein Problem darin sah, zwei Referenten wiederzuwählen, die bei Grundstücksgeschäften wesentlich mit eingebunden sind: Baureferentin Christine Schimpfermann und Finanzreferent Dieter Daminger. "Hochproblematisch, dass die Stellen in der aktuellen Situation nicht ausgeschrieben wurden", sagte CSU-Fraktionschef Zimmermann damals. Er schob aber eilig hinterher: "Auf gar keinen Fall wegen Misstrauens gegen die Referenten."

Es ist ein Dilemma. Dass SPD und CSU die Verwaltung vor Verdächtigungen öffentlich in Schutz nehmen, ist nachvollziehbar. Zugleich aber weckt dies den Eindruck, dass die Entscheider auch intern nicht hinterfragt werden. Nicht gegen die Verwaltung, sondern gegen die SPD richtet sich auch dieser neue Vorwurf der CSU: Nach seiner Wahl zum OB habe Wolbergs die Regel eingeführt, dass den Stadträten bei Vergaben nur noch der Preis, aber nicht mehr der Name des Bauträgers genannt werde. "Wir verlangen, dass diese anonymen Grundstücksvergaben sofort beendet werden und der Stadtrat vor der Abstimmung wieder weiß, an wen die Stadt Baugebiete vergibt", sagt Fraktionschef Zimmermann, der hinter dieser Regel ein Einfallstor für Korruption wittert.

Bürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer argumentiert andersrum: Gerade "aus Antikorruptionsgründen" würden die Namen der Bauträger "zunächst anonymisiert" und den Stadträten erst kurz vor Beschlussfassung offengelegt. Und überhaupt: "Die geschilderte Praxis ist nach meiner Erinnerung seit Jahrzehnten so." SPD-Fraktionschef Rappert formuliert es angriffslustiger: Hier bestehe "eine Praxis aus der Schaidinger-Zeit fort". Zwei Lager, zwei Versionen. Wie es wirklich hinter den Rathaustüren zugeht, bleibt Außenstehenden wieder verborgen.

Fest steht immerhin: Die Gespräche über eine Mitgliedschaft bei der Nichtregierungsorganisation Transparency International (TI) gehen voran. Zweimal war TI-Vorstand Gisela Rüß in Regensburg, um mit Stadträten und Referenten zu reden. Rüß glaubt, "dass bei allen Mitarbeitern das Gefühl da ist, dass sie sich fragen: Warum haben wir es nicht gemerkt? Haben wir nicht genau hingeguckt?" Kommt die Mitgliedschaft zustande, gilt für Politik, Verwaltung und kommunale Tochterfirmen ein strenger Verhaltenskodex, um Korruption zu verhindern. Bis es so weit ist, kann es aber noch Monate oder Jahre dauern - je nachdem, ob sich die Stadt beeilt, die Voraussetzungen für die Mitgliedschaft zu schaffen, zum Beispiel eine zentrale Vergabestelle.

Gescheitert ist derweil die Idee der Stadt, den Bayerischen Kommunalen Prüfungsverband (BKPV) zu beauftragen, alle Grundstücksvergaben der vergangenen Jahre auf Merkwürdigkeiten zu prüfen. "Die Übernahme dieses Sonderauftrags war uns nicht möglich", sagt BKPV-Chef Günter Heimrath. Sein Verband habe da keine Befugnisse. Man werde nur "stichprobenartig auch einzelne Grundstücksgeschäfte der letzten Jahre prüfen".

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