Auf Werksbesuch in Lechhausen:Kukas kluge Köpfe

KUKA

Bis zu 4,5 Milliarden Euro würde Midea für die schwäbische Firma Kuka ausgeben. Sie ist vor allem für ihre Roboter bekannt.

(Foto: Uli Deck/dpa)

Beim Augsburger Roboterhersteller tüfteln sie an der Zukunft der Industrie, dieses Know-how möchte sich der chinesische Konzern Midea sichern. Die derart begehrten Mitarbeiter sind selbstbewusst, aber auch ein bisschen hin- und hergerissen ob des Übernahme-Angebots

Von Stefan Mayr, Augsburg

Das Objekt der Begierde liegt im gänzlich unspektakulären Stadtteil Lechhausen. Augsburg, Zugspitzstraße 140: Hier steht neuerdings ein stattlicher, sechsstöckiger Neubau mit elegant abgerundeten Kanten. Über dem Portal mit viel Glas glänzen in Knallorange vier Großbuchstaben: KUKA. Das Kürzel steht für das Augsburger Traditionsunternehmen Keller und Knappich Augsburg. Das Kürzel ist in aller Munde, seit der chinesische Haushaltswaren-Hersteller Midea am 18. Mai verkündete, er wolle den schwäbischen Roboter-Hersteller kaufen. Der Bundeswirtschaftsminister fordert ein europäisches Gegenangebot, die Bundeskanzlerin meldet sich zu Wort, darauf reagiert wiederum das chinesische Außenministerium. Es gibt Leitartikel, die fordern eine "Rettung" Kukas vor der chinesischen Gefahr. Andere sprechen von einem ganz normalen Geschäft und rufen: Nur Mut!

Alle reden über Kuka - und was sagen die Kukaner?

"Ich habe keine Angst. Die Chinesen haben gute Gründe, sich für Kuka zu interessieren."

Es ist ja nicht das neue Gebäude, auf das die Chinesen scharf sind. Sie haben es auf die Köpfe abgesehen und das, was in ihnen steckt. Bis Mitte Mai hatten die schwäbischen Ingenieure noch mehr oder weniger im Stillen vor sich hingetüftelt, ihre Roboter in alle Welt verkauft und Konzepte für die vernetzte Zukunft der "Industrie 4.0" entworfen. Das Ziel: Die Produktion weltweit durchdigitalisieren und damit noch effektiver machen. Bei Kuka sind sie auf einem guten Weg - und das macht sie so begehrenswert. Erst zum Jahreswechsel hat die Firma ihr neues Entwicklungs- und Technologiezentrum bezogen. Das signalisiert auf den ersten Blick: Seht her, diese Firma hat sich nach überstandener Krise prächtig herausgeputzt. Doch neben dem Neubau rumpeln auch noch Handwerker. Kuka wächst, Kuka steht gut da, aber Kuka ist auch eine Baustelle. Mit entsprechendem Lärm, und entsprechender Unruhe. Das gilt seit dem 18. Mai mehr denn je.

Die meisten Mitarbeiter eilen hastig in das Gebäude, viele von ihnen tragen die schwarz-orangen Rucksäcke mit den vier Großbuchstaben. Sie zeigen sich durchwegs selbstbewusst, kaum verunsichert, sind aber schon auch hin und her gerissen. "Ich habe keine Angst", sagt einer, "die Chinesen haben gute Gründe, sich für Kuka zu interessieren." Dieser Satz ist doppeldeutig: Sind diese guten Gründe die rosige Zukunft und die Profitaussichten? Oder eher die Gier nach Geschäftsgeheimnisse, die man absaugen und nach China transferieren kann? "Eine gewisse Gefahr besteht vielleicht schon", sagt ein Mitarbeiter, "es würde sich jedenfalls sicherer anfühlen, wenn eine europäische Allianz zusammen käme." Ein Dritter - auch er will anonym bleiben - sagt: "Ich bin optimistisch und habe vollstes Vertrauen in unseren Vorstand." Kuka-Chef Till Reuter hatte sich Ende Mai offen für das Angebot gezeigt. Es könne Vorteile bringen, auch weil Kuka seinen Umsatz in China bis ins Jahr 2020 von 425 Millionen auf eine Milliarde Euro erhöhen will. Derzeit macht das Unternehmen insgesamt drei Milliarden Euro Umsatz. Mit 12 300 Mitarbeitern weltweit, 3500 davon in Augsburg.

Ohne Rucksack, dafür mit schwarzer Ledertasche und Designer-Anzug, kommt eine Führungskraft in die Kuka-Zentrale. "Ich kann Herrn Reuter nur bestätigen", sagt der Manager. China sei für Kuka der größte Wachstumsmarkt weltweit. "Wir müssen in diese Märkte gehen, auch um die Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern." Auf das Know-how müsse man schon achten, bestätigt er, "Daten sind das Öl der Zukunft". Er betont aber auch: "Aus heutiger Sicht habe ich keine Angst, dass es einen Abfluss von Know-how geben könnte." Dennoch gibt es Widerstand. Neben Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel wollen auch EU-Kommissar Günther Oettinger und der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber den Verkauf verhindern. Sie nennen Kuka eine "Perle", die man schützen müsse. Die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner gibt sich entspannter und meldet sich erst auf Anfrage zu Wort. Sie begrüße es, wenn es Interesse an Kuka "insbesondere aus Deutschland oder Europa" gebe, sagt Aigner. Die Staatsregierung werde den Prozess "kritisch und konstruktiv verfolgen" und darauf achten, dass kein Ausverkauf deutscher Interessen stattfindet.

Midea hat angekündigt, pro Aktie 115 Euro zu bezahlen, das liegt 35 Prozent über dem Kurs vor dem 18. Mai. Wer Midea überbieten will, muss also mindestens 4,5 Milliarden Euro lockermachen. "Es wird kein weißer Ritter kommen und so viel Geld zahlen", sagt eine andere Kuka-Führungskraft, die nicht genannt werden will. Die spannende Frage sei: Was machen die Ankeraktionäre Voith und Loh, gehen sie auf das großzügige Angebot ein? Hiervon hänge alles ab. Loh hat sich bislang nicht geäußert, Voith eher mehrdeutig.

Noch haben sie Zeit zu überlegen, bislang hat Kuka noch kein offizielles Angebot vorliegen. Die Entscheidung liegt letztlich bei den Aktionären. Vorstand und Aufsichtsrat können nur eine Empfehlung aussprechen. Wie auch immer der Poker ausgeht, eines weiß einer der begehrten Köpfe mit Rucksack sicher: "Ich bin stolz, bei Kuka zu arbeiten."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: