Atomdebatte:Grüne Profiteure

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Die Grünen können sich über einen sprunghaften Anstieg bei den Mitgliederzahlen freuen. Sogar der schwäbische JU-Bezirkschef wechselte die Seiten.

Stefan Mayr

Seit der Reaktor-Katastrophe in Japan verzeichnen die Grünen in Bayern einen sprunghaften Mitglieder-Anstieg. "Zuvor hatten wir pro Werktag etwa drei Eintritte, aber in den letzten Tagen sind es 25 bis 30", berichtet die Landesvorsitzende Theresa Schopper. CSU und FDP melden auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung dagegen sinkende Zahlen. Das bemerkenswerteste Neumitglied der Grünen ist Alexander Kolb aus Untermeitingen bei Augsburg. Der 35-Jährige war bis Samstag noch Vorsitzender der Jungen Union Schwaben.

Die Grünen können sich über einen sprunghaften Mitglieder-Anstieg freuen. (Foto: dapd)

Das Mitglied des Augsburger Kreistags begründet seinen Wechsel mit einer "wachsenden Entfremdung" zum politischen Kurs von CSU und JU. "Die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke im Herbst und die zeitgleiche Geburt meiner Tochter haben mir klargemacht, dass es der Energiepolitik der Staats- und Bundesregierung an Verantwortung gegenüber den kommenden Generationen fehlt", so Kolb. "Fukushima war das letzte auslösende Moment", so der Berufschullehrer "Da habe ich mir gesagt: Jetzt ist Schluss, jetzt reicht's."

Die Landesvorsitzende Theresa Schopper freut sich über den Zuwachs: "Wir heißen Alexander Kolb bei uns herzlich willkommen. Sein Schritt ist ein Beleg dafür, dass grüne Positionen auch in der Mitte der Gesellschaft immer mehr Zuspruch finden." Zwischen 2009 und heute verzeichneten die Grünen einen Mitglieder-Anstieg um mehr als zehn Prozent. Vor allem in den letzten Tagen gab es einen großen Aufschwung: Zu Jahresbeginn hatten die Grünen 7198 Mitglieder, derzeit sind es bereits 7402. "Der wahre Wert liegt vermutlich noch etwas höher", sagt Parteisprecher Alex Burger.

Denn viele Kreisverbände seien noch nicht dazugekommen, die zahlreichen Zugänge nach München zu melden. Theresa Schopper begründet den Boom so: "Viele Menschen sind besorgt und zugleich entschlossen, sich politisch zu engagieren, damit die Atomkraftwerke wegkommen und die Erneuerbaren Energien an ihre Stelle treten."

Die CSU hingegen macht über die Mitglieder-Entwicklung der letzten Monate überhaupt keine Angaben. Die aktuellste Zahl, die zu bekommen ist, stammt von Ende 2010. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Christsozialen 154000 Mitglieder. Dies ist ein neuer Tiefpunkt eines ebenso stetigen wie heftigen Rückgangs, der bereits seit zwölf Jahren anhält. 1999 zählte die CSU noch 183569 Mitglieder, heute sind es etwa ein Sechstel weniger. Dass die Plagiats-Affäre um Karl-Theodor zu Guttenberg und das Atom-Unglück in Japan diesen Schwund gebremst haben, ist wohl eher unwahrscheinlich.

Die Freien Wähler haben im gleichen Zeitraum 30 Prozent an Mitgliedern zugelegt: Im Jahr 1999, bei der Abstimmung über die Teilnahme an der Landtagswahl, wurden 30423 Mitglieder gezählt. Aktuell sind es 40461. Die FDP kämpft hingegen weiterhin gegen den anhaltenden Verlust von Anhängern. 2009, nach dem Erfolg bei den Landtagswahlen, sprang die Mitgliederzahl innerhalb eines Jahres von 5738 auf 6727.

Doch bis Ende 2010 musste die Partei schon wieder 560 Menschen ziehen lassen. Diese Entwicklung hat sich in den vergangenen drei Monaten fortgesetzt, zuletzt ist der Stand unter 6100 gesunken. Die ÖDP meldet "knapp unter 4000" Mitglieder. Dabei habe sich weder Fukushima ausgewirkt noch der Bürgerentscheid für das Rauchverbot. "Wir hatten auch Raucher, die wegen des Bürgerentscheids ausgetreten sind", heißt es vom Landesverband.

© SZ vom 24.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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