Asylunterkünfte in Bayern:Flüchtlinge müssen draußen bleiben

Aufnahmestelle für Flüchtlinge Zirndorf

Privatsphäre? Gibt es nicht. Die Erstaufnahmeeinrichtung in Zirndorf ist so voll, dass viele Flüchtlinge in Zelten übernachten müssen.

(Foto: David Ebener/dpa)

Bayern nimmt vorübergehend keine Flüchtlinge mehr auf: In der Münchner Bayernkaserne sind die Masern ausgebrochen, in Zirndorf ist kein Platz mehr. Wie geht es jetzt weiter?

Von Katja Auer und Mike Szymanski

Mit dem Aufnahmestopp für weitere Flüchtlinge in Bayern hat die angespannte Situation bei der Unterbringung von Asylbewerbern einen neuen Höhepunkt erreicht. Ministerpräsident Horst Seehofer will das Thema bei der ersten Sitzung des Kabinetts nach der Sommerpause Anfang September besprechen. "Mit diesem Ansturm war nicht zu rechen", verteidigte er am Donnerstag die momentanen Zustände. Wie geht es jetzt weiter? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Wie lange bleiben die Erstaufnahmeeinrichtungen in München und Zirndorf geschlossen?

In der Münchner Bayernkaserne werden so lange keine neuen Flüchtlinge aufgenommen und weitergeleitet, bis die Inkubationszeit der Masern vorbei ist, die dort ausgebrochen sind, teilt das Sozialministerium mit. Vier Menschen sind erkrankt, momentan werden die Asylbewerber geimpft, um zu verhindern, dass sich die Krankheit ausbreitet. Das Münchner Referat für Gesundheit und Umwelt habe dieSchließung der Unterkunft für 18 Tage empfohlen, heißt es aus dem Ministerium. Demnach bleibt die Kaserne nach momentanem Stand bis zum 11. September geschlossen. Erst dann wird auch die Einrichtung in Zirndorf wieder geöffnet. Von dort dürfen Menschen allerdings weiter verteilt werden.

Wer nimmt jetzt die Asylbewerber auf?

Solange der Aufnahmestopp in Bayern gilt, werden die Asylbewerber in andere Bundesländer umgeleitet. Das sei nicht unüblich, heißt es aus dem Sozialministerium. Eigentlich werden die Flüchtlinge, die in Deutschland ankommen, nach Quoten auf die Bundesländer verteilt, die sich nach dem Königsteiner Schlüssel aus Bevölkerungszahl und Steuereinnahmen errechnen. Bayern muss 15 Prozent der Menschen aufnehmen und steht damit nach Nordrhein-Westfalen an zweiter Stelle. Die niedrigste Quote hat der Stadtstaat Bremen mit nicht einmal einem Prozent.

Einige Asylbewerber nimmt Bayern weiterhin auf. Welche sind das?

Es gibt Flüchtlinge, für die ein Bundesland allein zuständig bei der Bearbeitung der Asylanträge ist, beispielsweise weil sie aus einem bestimmten Land kommen. Nicht in jeder Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge wird jedes Herkunftsland bearbeitet. Bayern ist speziell für Menschen aus etwa 40 Ländern wie der Demokratischen Republik Kongo und Kasachstan zuständig. Diese Menschen machen etwa fünf Prozent der monatlich ankommenden Asylbewerber aus. Am Donnerstag kamen 260 solcher Kontingentflüchtlinge in Zirndorf an.

Was tut die Politik?

Muss Bayern dann umso mehr Menschen aufnehmen, wenn die Einrichtungen wieder geöffnet sind?

Der Freistaat muss sein Kontingent wieder erfüllen, das steht fest. Das werde aber nicht auf einmal, sondern sukzessive geschehen, heißt es aus dem Sozialministerium.

Sind unbegleitete minderjährige Flüchtlinge von dem Stopp betroffen?

Nein, da sie nicht mehr in den Erstaufnahmelagern untergebracht werden, sondern in Jugendhilfeeinrichtungen.

Momentan schlafen Asylbewerber in Zelten, weil die Unterkünfte nicht mehr ausreichen. Soll das so bleiben?

"Zelte sind nicht das Mittel der Wahl", erklärt Ministerpräsident Horst Seehofer. Und auch im Sozialministerium wird betont, dass es sich um "vorübergehende Notfallmaßnahmen" handle. Momentan stehen in Zirndorf Zelte, ebenso wie in Nürnberg und Bayreuth. Sozialministerin Emilia Müller will in allen Regierungsbezirken Erstaufnahmeeinrichtungen für jeweils etwa 500 Menschen schaffen. Die erste in Deggendorf soll zum Beginn des neuen Jahres eröffnet werden. Anderswo wird es noch länger dauern. Außerdem würden die Bezirksregierungen in diesem Jahr 5000 neue Plätze in Gemeinschaftsunterkünften schaffen, teilt das Ministerium mit.

Was tut die Politik?

"Neben der labilen Weltlage ist das Flüchtlingsdrama für mich die politische Herausforderung mit erster Priorität", sagte Ministerpräsident Horst Seehofer der Süddeutschen Zeitung am Donnerstag. Er werde auch Kanzlerin Angela Merkel am Sonntag darauf ansprechen. Deutschland solle sich in Europa für eine "stimmige Flüchtlingspolitik" einsetzen. Im Moment käme ein Drittel der Flüchtlinge nach Deutschland. "Es geht nur gemeinschaftlich. Die Lasten müssen verteilt werden." Von Merkel verlangt er auch die politische Unterstützung, Flüchtlinge aus sogenannten sicheren Drittstaaten zügig abschieben zu können. Er warnt vor fremdenfeindlichen Tendenzen in Deutschland angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen. "Wir kommen allmählich bei der Bevölkerung in eine Stimmung, die mich besorgt macht", sagte Seehofer. Bei einem Auftritt im sächsischen Landtagswahlkampf habe er festgestellt: "Wir hatten lange Zeit sehr großes Verständnis und auch Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung. Ich habe das Gefühl, dass sich da jetzt ein Stimmungswandel anbahnt." Rechte Gruppierungen seien bereits dabei, die Stimmung anzuheizen. "Ich möchte nicht, dass sich die Dumpfbacken von Rechts hier politisch bereichern können."

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