Asylstreit:"Wir müssen gerüstet sein"

Bayerisches Kabinett tagt mit Österreichs Bundeskabinett

Die Merkel-Kritiker Markus Söder (links) und Sebastian Kurz hoffen auf mehr politische Schlagkraft zur Durchsetzung ihrer "gemeinsamen Haltung im Geiste", wie Söder es nennt.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)
  • Bayerns Ministerpräsident Söder und Österreichs Kanzler Kurz legen im Streit um den Umgang mit Flüchtlingen an der Grenze nach.
  • Der CSU-Politiker rügt die Ergebnisse der deutsch-französischen Beratungen vom Vortag - was in Berlin zu Verteidigungsreflexen führt.
  • Gegen den Willen Merkels will er an der deutschen Grenze die Zurückweisung von Flüchtlingen durchsetzen, die in anderen EU-Staaten bereits registriert worden sind.

Von Cerstin Gammelin, Berlin, und Wolfgang Wittl, Linz

Merkel, Macron, Meseberg, Migration. Das waren die Stichworte am Dienstag. Am Mittwoch wurden die Ergebnisse des deutsch-französischen Treffens natürlich überall und umfassend kommentiert, doch die Aufmerksamkeit verteilte sich diesmal nicht auf 4 M. Sondern auf ein einziges S. Markus Söder (CSU), bayerischer Ministerpräsident, bestimmte die Agenda. Zusammen mit der österreichischen Bundesregierung tagte das bayerische Kabinett in Linz - und von dort aus gab Söder den starken Mann.

Der CSU-Politiker warnte zunächst Kanzlerin Angela Merkel (CDU), andere europäische Länder mit finanziellen Zusagen zu einer Zusammenarbeit in Asylfragen zu bewegen. "Wir können jetzt nicht zusätzliche Schattenhaushalte auf den Weg bringen oder versuchen, die Stabilität der Währung aufzuweichen. Oder gar am Ende mit deutschen Zahlungen versuchen, irgendwelche Lösungen zu erreichen." Nicht zuletzt deshalb wird am Dienstag erstmals der Koalitionsausschuss tagen.

"Wir müssen gerüstet sein", sagt Kurz. Einen Vorwurf wegen Seehofers Plänen hört man nicht

Gegen den Willen Merkels will die CSU an der deutschen Grenze die Zurückweisung von Flüchtlingen durchsetzen, die in anderen EU-Staaten bereits registriert worden sind. Bundesinnenminister Horst Seehofer und Markus Söder sind sich in dieser Frage einig wie selten in ihrer an gegenseitigen Piesackereien reichen Vita. Und im österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) können sie sich auf einen treuen Verbündeten verlassen, das zeichnet sich am Mittwoch noch deutlicher ab als zuletzt bei dessen Besuch in Berlin.

Schon vor Beginn der gemeinsamen Kabinettssitzung weist Kurz der Kanzlerin die Schuld für die Situation an den Grenzen zu, allerdings ohne Merkels Namen zu nennen. Diejenigen, die 2015 die Grenzen geöffnet hätten, "haben es verschuldet, dass es heute Grenzkontrollen gibt zwischen Österreich und Bayern, Ungarn und Österreich, Italien und Österreich, und die Situation vielleicht noch schlimmer wird". Mit Blick auf den deutschen Asylstreit bereite sich Österreich auf eigene Schritte an den Grenzen vor. "Wir müssen gerüstet sein", sagt Kurz. Ein Vorwurf gegen Seehofer, dessen Abweisung von Asylbewerbern Österreich vor große Herausforderungen stellen würde, ist nicht zu hören. Vielmehr sei durch den Streit in Deutschland eine neue Dynamik entstanden mit der Chance, dass sich auf europäischer Ebene wieder etwas bewege, sagt Kurz.

Ohne die klare Haltung Bayerns - er meint die CSU - würde es jetzt nicht so schnell in Europa vorangehen, sagt auch Söder. Das Treffen beider Kabinette wurde bereits vor Monaten vereinbart. Dass es ausgerechnet jetzt stattfindet, im vielleicht finalen Flüchtlingsstreit zwischen Merkel und der CSU, ist für Söder eine glückliche Fügung. Auch zwischen Bayern und Österreich gibt es strittige Themen, etwa wegen der Blockabfertigung im Inntal, doch das wird an diesem Tag ausgeblendet. Man werde sich anstrengen, gemeinsame Lösungen zu finden, lautet die offizielle Sprachregelung. Vor allem aber strengen sich Söder und Kurz an, den Druck auf die Kanzlerin zu erhöhen.

Ob Merkel sein Vertrauen habe, wird Markus Söder gefragt. Wer nicht wolle, dass sich 2015 wiederhole, müsse auch Konsequenzen ziehen, sagt er. Es brauche entschlossenes Handeln, die Menschen dürften "nicht wieder ein halbes Jahr vertröstet" werden. Und: Er glaube, dass es die Bevölkerung inzwischen "nervt", wenn wichtigste Sachfragen immer wieder mit persönlichen Machtfragen verbunden würden. Auch das ist ein Angriff auf Merkel: Die CSU wirft ihr vor, ihre Partei nur deshalb auf Kurs zwingen zu können, weil sie die Flüchtlingsfrage mit ihrem persönlichen Schicksal verknüpft habe. Die Botschaft an diesem Tag in Linz: Sowohl Bayern als auch Österreich plädieren für den Schutz der Außengrenzen. Aber solange er nicht funktioniere, müsse an den Binnengrenzen kontrolliert werden.

In Berlin reagiert man an diesem Mittwoch dann auch eher auf Söder als auf das Meseberg-Treffen. Franziska Brantner von den Grünen fasst es so zusammen: "Während Merkel und Macron versuchen, das gemeinsame Haus Europa weiterzubauen, fällt ihr Söder in den Rücken und würde am liebsten die Achse Berlin-Wien-Rom wiederbeleben." Solidarität bei der Aufnahme von Flüchtlingen zu fordern und gleichzeitig zur Stabilisierung der Euro-Zone nichts beitragen zu wollen, das "zerstört das gemeinsame Haus Europa", betont Brantner.

Vom Koalitionspartner kommen ebenso klare Worte, ohne allerdings auf Personen einzugehen. Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) sagt der Süddeutschen Zeitung: "Mit den Beschlüssen von Meseberg machen wir das Haus Europa stabiler, damit es den nächsten Stürmen standhält." Der Euro werde noch sicherer - "indem wir das Bankensystem stärken, mit klaren Vorgaben für die Risikovorsorge und strikten Regeln für den Abbau von notleidenden Krediten". Und der nächste Satz ist als Mahnung an die Union zu verstehen: "Europa ist unsere Antwort auf die aktuellen Herausforderungen, so haben wir es im Übrigen im Koalitionsvertrag klar vereinbart, und den setzen wir jetzt um."

Positiv zurückhaltend äußert sich der Unionshaushälter Eckhardt Rehberg (CDU). Vieles sei noch unklar und müsse weiter präzisiert werden, etwa der Umfang des neuen Euro-Budgets und die Höhe der deutschen Beiträge. "Zum jetzigen Zeitpunkt ist es für eine abschließende Beurteilung zu früh. Die Begründung für neue Euro-Geldtöpfe und Kreditlinien, zusätzlich zu den bestehenden, werden wir uns genau ansehen", betont Rehberg.

Söders Hauptgegner im Wahlkampf ist die AfD, das hat er intern deutlich gemacht

Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Anton Hofreiter, landet dann aber doch schnell wieder bei Söder. Meseberg zeige: Mit politischem Willen und per Dialog ließen sich mit europäischen Partnern Fortschritte erzielen. "Um sie gegen die unsäglichen Torpedierversuche der immer populistischeren Brandstifter aus München zu verteidigen, muss Frau Merkel sie so unterfüttern, dass sie Wirkung entfalten können. Die Stabilität Europas darf nicht dem rücksichtslosen Wahlkampfgetöse der CSU und ihren anti-europäischen Abschottungsfantastereien geopfert werden", sagt Hofreiter.

In Linz neigt sich das Treffen dem Ende zu, sogar ein paar Demonstranten haben sich noch eingefunden. Der Ko-Vorsitzende der bayerischen Landtagsgrünen, Ludwig Hartmann, fordert Söder auf, "sofort aufzuhören, Seite an Seite mit den Gegnern Europas am Grab der europäischen Idee zu schaufeln". Markus Söder sieht nicht aus, als würde ihn der Protest beeindrucken. Sein Hauptgegner im bayerischen Landtagswahlkampf ist die AfD, das hat er intern schon deutlich gemacht.

Für die Abschlusskundgebung im Oktober hat die CSU bereits um besondere Unterstützung im Kanzleramt ersucht - allerdings nicht in Berlin, sondern in Wien. Nicht Angela Merkel soll als Stargast den letzten Schub liefern, sondern der Österreicher Sebastian Kurz.

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