Asylpolitik:Was Bayern bei der Integration von Flüchtlingen von Schwaben lernen kann

Asylpolitik: Viele Flüchtlinge haben es schwer, einen Ausbildungsplatz zu bekommen.

Viele Flüchtlinge haben es schwer, einen Ausbildungsplatz zu bekommen.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Bei der Integration von Flüchtlingen hilft ein Ausbildungs- oder Arbeitsplatz. Doch viele Asylbewerber finden nur unter größten Schwierigkeiten einen Job - dafür gibt es verschiedene Gründe.
  • Der Regierungsbezirk Schwaben gilt bei der Integration in den Arbeitsmarkt als vorbildlich.
  • In einer Studie wurde nun untersucht, was dort gut läuft und was verbesserungswürdig ist.

Von Maximilian Gerl, Neu-Ulm

Wenige Abbrecher und viel Unterstützung einerseits, Verunsicherung und fehlende Informationen andererseits: Eine noch unveröffentlichte Studie der Hochschule Neu-Ulm gibt neue Hinweise darauf, wie es um die Ausbildungssituation von Flüchtlingen bestellt ist.

Zum ersten Mal steht dabei der Regierungsbezirk Schwaben explizit im Fokus. Die Region gilt bei der Integration in den Arbeitsmarkt als vorbildlich. Entsprechend aufschlussreich sind die Ergebnisse der Studie, zeigen sie doch, welche Maßnahmen warum funktionieren - und wann sie sogar im Musterländle an Grenzen stoßen.

Die gute Nachricht vorweg: Bei der Integration wird schon Vieles richtig gemacht. Jens Boscheinen sagt: "Wir waren überrascht, wie gut das in Schwaben funktioniert." Boscheinen ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule Neu-Ulm und hat die Studie im Auftrag der Industrie- und Handelskammer (IHK) Schwaben durchgeführt. Diese begann im Dezember 2014 mit dem Projekt "Junge Flüchtlinge in Ausbildung". Die dabei gesammelten Erfahrungen wurden nun erstmals nach wissenschaftlichen Standards evaluiert.

Herausgekommen ist die wohl umfangreichste Dokumentation, die es bisher im Freistaat zu einem Integrationsprojekt gegeben hat. Wobei eine gewisse Unschärfe bleibt: Die 511 angefragten Unternehmen machen gerade einmal zehn Prozent aller Ausbildungsbetriebe in der Region aus.

In Bayerisch-Schwaben lebten 2016 rund 17 000 Geflüchtete. Von ihnen dürfte ein kleiner Teil einen Hochschulabschluss besitzen und etwa zehn Prozent eine Berufsausbildung. "Für Unternehmen bedeutet das, dass sie eine große Zahl an Geflüchteten haben, welche in ungelernten Berufen eingesetzt werden", schreiben die Autoren der Studie.

Weitere Hürden bei der Arbeitsaufnahme seien fehlende Deutschkenntnisse bei den Flüchtlingen und unklare rechtliche Rahmenbedingungen auf Seiten der Betriebe. Insgesamt befinden sich im Bezirk derzeit zwischen 900 und 1000 Geflüchtete in einer Ausbildung oder haben diese jüngst abgeschlossen. Die Abbrecherquote innerhalb des IHK-Projekts liegt bei neun Prozent. In vergleichbaren Projekten pendelt der Wert bei 30 Prozent.

Die Kümmerer sind wichtige Ansprechpartner

Als einen Schlüssel zur Integration identifiziert die Studie zwei sogenannte Kümmerer. Sie sind bei der IHK angestellt, werben in Berufsintegrationsklassen, begleiten die jungen Menschen in der Ausbildung und versuchen, bei privaten wie beruflichen Problemen Lösungen zu finden. Bei psychischen Problemen vermitteln sie Betroffene an eine Beratungsstelle.

"Ähnliches gibt es schon in Deutschland", sagt Boscheinen, aber in Schwaben haben die Kümmerer selbst einen Fluchthintergrund. Das sei ein "unglaublicher Vorteil", denn sie könnten auf andere Geflüchtete besser zugehen, sie motivieren und inspirieren. "Betreuung, die von vorne ansetzt", sagt Boscheinen. Es sei sehr wichtig, die Geflüchteten in einem neuen Netzwerk aufzufangen, heißt es von der IHK, denn ein Ausbildungsabbruch gehe meist nicht von den Unternehmen aus. "Die brauchen jemanden", sagt Oliver Heckemann, Leiter des Geschäftsbereichs Berufliche Bildung.

Die Studie zeigt auch, wo es bisweilen noch hakt - nicht nur in Schwaben, sondern bayernweit. Manche Probleme sind altbekannt, etwa der restriktive Umgang der Ausländerbehörden mit Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen. Das verunsichert die Betriebe und mindert ihre Motivation, überhaupt Flüchtlinge zu beschäftigen.

Manche Probleme sind neu, etwa beim Berufseignungstest "Check.work". Im April begann der Kompetenzcheck des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags mit großen Erwartungen: Auch Flüchtlinge ohne Deutschkenntnisse sollten endlich nachprüfbare Angaben über ihre Qualifikation machen können. Den nun befragten Unternehmen waren die Testergebnisse aber wenig Hilfe. Offenbar ist das Sprachniveau in einigen Teilen des Tests zu hoch. Das führte in einem Fall dazu, dass der Geflüchtete mit Raten ein besseres Resultat erzielte als eine deutsche Grundschullehrerin mit Wissen.

Die Studie empfiehlt daher, das Sprachniveau des Tests niedriger anzusetzen. Ein weiteres, bislang wenig erforschtes Problemfeld ist die psychische Belastung der Kümmerer und Ausbilder. "Die Begleitung ist eine große Herausforderung", sagt Boscheinen, man werde mit traumatischen Fluchtereignissen konfrontiert, mit Leid, Krieg. Darum sei es wichtig, seinen Mitarbeitern bei der Aufarbeitung zu helfen.

Bei der IHK Schwaben sieht man sich durch die Studie bestätigt. Auch wenn Geflüchtete nur einen sehr kleinen Teil aller Azubis ausmachten, sei es wert, um jeden Einzelnen zu kämpfen. Tatsächlich beginnen in Schwaben viele Flüchtlinge in Branchen mit Fachkräftemangel eine Ausbildung: 30 Prozent in der Gastronomie, 22 Prozent in der Metallbearbeitung, je zehn Prozent in Logistik und Einzelhandel. Für 2018 rechnet die IHK mit 450 bis 500 neuen Teilnehmern an ihrem Projekt. Einen dritten Kümmerer, einen Syrer, haben sie schon eingestellt.

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