Asylpolitik:Flüchtlingszahlen setzen Politik unter Druck

Das Deggendorfer Erstaufnahmezentrum betreut inzwischen 1750 statt 500 Asylbewerber. Ministerpräsident Seehofer verlangt schnellere Abschiebungen. Erneut brennt es in einer Unterkunft

Von Katja Auer und Wolfgang Wittl, Waldaschaff/München

Wieder hat es in einer Flüchtlingsunterkunft in Bayern gebrannt, wieder könnte jemand das Feuer aus Fremdenfeindlichkeit gelegt haben. Am frühen Samstagmorgen bemerkte ein Fußgänger den Brand in der Garage einer Asylbewerberunterkunft im unterfränkischen Waldaschaff. Ein Papiercontainer brannte, der Mann schob ihn auf die Straße und rief die Polizei. Verletzt wurde niemand, das Feuer hatte noch nicht auf das Haus übergegriffen, in dem 30 Asylbewerber leben. "Wir ermitteln in alle Richtungen", sagte ein Polizeisprecher am Sonntag. Ein fremdenfeindliches Motiv wird ebenso wenig ausgeschlossen wie andere Ursachen. Kurz vor dem Brand wurde ein dunkel gekleideter Mann im Hof der Unterkunft beobachtet. Ob er etwas mit dem Feuer zu tun hat, ist unklar. Ein Spezialist des Landeskriminalamtes untersucht den Fall. Bislang seien keine Spuren eines Brandbeschleunigers gefunden worden.

Im oberbayerischen Reichertshofen bei Pfaffenhofen dagegen deutet alles auf einen Brandanschlag hin. Dort hatte ein Unbekannter in der Nacht zum Donnerstag in einem Gasthof Feuer gelegt, in den demnächst Flüchtlinge einziehen sollen.

Die Stimmung wird zunehmend angespannter im Land, in vielen Kommunen wissen die Bürgermeister nicht mehr, wohin mit den Flüchtlingen. Vielerorts wurde der Notfallplan aktiviert, den die Staatsregierung im Winter ausgearbeitet hatte, um Asylbewerber kurzfristig unterzubringen. Jeder Landkreis und jede kreisfreie Stadt muss demnach Kapazitäten für 200 bis 300 Menschen vorhalten. Meistens sind es Turnhallen, die mit Klappbetten zu Unterkünften umfunktioniert werden. Erst am Freitag zogen in Hof Flüchtlinge in eine Turnhalle ein, in der kommenden Woche werden auch im Landkreis Würzburg Asylbewerber in Hallen untergebracht.

In Niederbayern hat sich ein Bürgermeister krank gemeldet, weil ihm die Belastungen beim Asyl so zugesetzt haben sollen. Das Erstaufnahmezentrum in Deggendorf, das ursprünglich für 500 Bewohner ausgerichtet war, ist mittlerweile für etwa 1750 Asylbewerber zuständig. Etliche von ihnen sind bereits in zusätzlichen Unterkünften untergebracht, in Kürze sollen drei weitere Dependancen in Metten, Hengersberg und Osterhofen entstehen. Ungewiss ist auch, wie es mit den 200 Flüchtlingen im Deggendorfer Eisstadion weitergeht. Eigentlich sollte die Arena Ende Juli geräumt sein, damit sie wieder spielfähig gemacht werden kann. Nur wohin dann mit den Flüchtlingen? Kommunalpolitiker beklagen sich seit Wochen, es fehle ihnen an Ausweichmöglichkeiten. Der Druck steigt - auch in der Staatsregierung, in der sich die Beschwerden täglich häufen.

Vielleicht auch deshalb hat Ministerpräsident Horst Seehofer am Samstag beim niederbayerischen CSU-Parteitag in Essenbach ungewöhnlich deutliche Worte gefunden. So könne es nicht weitergehen, sagte der CSU-Chef mit Blick auf die steigenden Flüchtlingszahlen. Man werde diese Entwicklung "auf Dauer nicht durchhalten". Der Staat - insbesondere die Bundesregierung - müsse daher endlich handeln. Kein anderes Thema sei so geeignet wie dieses, um die Parteienlandschaft durcheinanderzuwirbeln, warnte Seehofer. Wolle man "rechte Rattenfänger nicht fördern", müsse man die Probleme endlich lösen. Das gelinge aber nicht durch starke Worte, sondern nur durch Taten.

Seehofer kündigte an, die Rückführung bereits abgelehnter Asylbewerber "wesentlich konsequenter" vorantreiben zu wollen. Im Fokus der CSU stehen vor allem Antragsteller aus dem westlichen Balkan, deren Chancen auf Anerkennung deutlich unter einem Prozent lägen. Er bleibe dabei, sagte Seehofer: Das sei "massenhafter Missbrauch, ich spreche das auch aus". Er denke an "rigorose Maßnahmen", um die Lage in den Griff zu bekommen. Welche das sein werden, ließ der Ministerpräsident zunächst offen. In der CSU wird allerdings bereits an den Aufbau von Zeltstädten gedacht, offenbar mit doppeltem Effekt: Einerseits um Flüchtlinge unterzubringen und sie andererseits abzuschrecken. Man müsse Asylbewerbern ohne Bleibeperspektive klar machen, dass Bayern nicht das Land sei, "in dem Milch und Honig fließen", soll ein Kommunalvertreter in der Staatskanzlei vorgetragen haben. Bei der Kabinettsklausur an diesem Montag will Seehofer erläutern, welche Maßnahmen ihm vorschweben. Die Ministerien waren noch am Wochenende damit beschäftigt, den rechtlichen Rahmen auszuloten, um die Standards für Asylbewerber und somit auch die Kosten zu senken.

Gleichzeitig betonte Seehofer, Bayern stehe allen Menschen offen, die um ihr Leben fürchten müssten. Die Solidarität in der Bevölkerung sei aber nur zu erhalten, wenn Missbrauch eingedämmt werde. Die 200 Delegierten der Niederbayern-CSU verabschiedeten am Samstag einstimmig eine Resolution zur Verschärfung des Asylrechts und schnelleren Bearbeitung von Verfahren. Albanien, Montenegro und Kosovo müssten zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt sowie Leistungen für Flüchtlinge aus diesen Ländern gekürzt werden.

Die Grünen übten an Seehofers Worten scharfe Kritik. "Die CSU ist in einem Fahrwasser, das weder christlich noch sozial ist", sagte Landeschefin Sigi Hagl. Die breite gesellschaftliche Solidarität mit Flüchtlingen werde bewusst aufs Spiel gesetzt.

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