Asylpolitik:Bayern erwägt Notmaßnahmen

Alleine am Dienstag wurden 10 000 Flüchtlinge in Passau erwartet. Die Staatsregierung will Züge in andere Bundesländer fahren lassen

Von D. Kuhr, W. Wittl

Um den Zuzug von Flüchtlingen zu reduzieren, denkt die bayerische Staatsregierung über Transitzonen an der deutschen Grenze nach - ähnlich wie es sie bereits an Flughäfen gibt. In diesen Zonen könnten die Anträge von Flüchtlingen einer ersten Prüfung unterzogen werden, sodass Flüchtlinge ohne Aussicht auf Asylrecht gar nicht erst nach Deutschland einreisen würden. Ob diese Maßnahme sinnvoll und rechtlich machbar sei, müsse aber erst noch geklärt werden, sagte Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) am Dienstag nach der Sitzung des Kabinetts. Wenn das der Fall ist, will sich die Staatsregierung in Berlin dafür stark machen.

Seit Anfang September sind in Bayern 170 000 Flüchtlinge angekommen. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen wurden am Dienstag allein im Raum Passau mehr als 10 000 Asylbewerber erwartet. An den Übergangsstellen Passau und Rosenheim meldete die Bundespolizei den Angaben zufolge einen "Rückstau" von 4500 Menschen. Die Angelegenheit sei "vollständig aus den Fugen geraten", sagte Seehofer. Die Staatsregierung lässt daher auch prüfen, ob es helfe, auf EU-Ebene eine "Krisensituation" auszurufen. Darüber hinaus erwägt Bayern eigenständige "Notmaßnahmen" auf Landesebene. Dem Vernehmen nach wird dabei auch an einen Erstaufnahmestopp gedacht. Züge mit ankommenden Flüchtlingen würden dann gleich in andere Bundesländer weitergeleitet, ohne dass sie zuvor in Bayern registriert werden. Seehofer wollte sich dazu nicht äußern, da auch diese Maßnahme erst auf ihre Machbarkeit hin überprüft werden soll.

Der Ministerpräsident rechnet damit, dass sich die Situation in den kommenden Wochen noch verschärft. Die EU hat bereits beschlossen, Ende November sogenannte Hotspots in Griechenland, Bulgarien und Italien einzurichten, in denen die Flüchtlinge registriert werden, bevor sie in weitere EU-Staaten verteilt werden. "Es würde jeder menschlichen Erfahrung widersprechen, wenn das nicht zu Vorzieh-Effekten führen würde", sagte Seehofer. Sprich: Er erwartet, dass viele Flüchtlinge versuchen werden, jetzt noch schnell nach Deutschland zu kommen. Vor dem Hintergrund, dass jetzt die kalte Jahreszeit beginne, werden "wir eine weitere Dramatik erleben", fürchtet er. In einer Sondersitzung am 9. Oktober will das Kabinett über die Integration von Flüchtlingen und eine Zuzugsbegrenzung beraten.

Die Grünen sind der Ansicht, dass die Staatsregierung einem Trugschluss aufsitze. Der Miltenberger Landrat Jens Marco Scherf betrachtet mit "Sorge, dass die große Politik den Eindruck erweckt, wir könnten Zuwanderung stoppen". So etwas sei "nicht durch politische Willensentscheidung zu schaffen", sagte Scherf. Die Staatsregierung forderte er auf, die Kommunen in ihrer Arbeit zu stärken. Dazu gehörten die Unterstützung bei Personalkosten, im Schulbereich sowie bei der Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge ebenso wie Erleichterungen beim Baurecht. Dringend mahnte Scherf die Einführung einer Gesundheitskarte an, die der Bund den Ländern freistelle. Anders werde man "das Bürokratiemonster" nicht in den Griff bekommen. Die Flüchtlingsaufgabe entscheide sich in den Landkreisen, Städten und Gemeinden, ehrenamtliche Helfer und Behörden befänden sich "jenseits jeder Belastungsgrenze".

Auch die Landtags-Grünen fordern eine Gesundheitskarte. Man werde den Druck auf die Staatsregierung weiter erhöhen, kündigte Fraktionssprecherin Margarete Bause an. Die Mittel aus dem Betreuungsgeld vom Bund solle Bayern in den Ausbau der Kitas stecken.

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