Asylgipfel:Zwischen null Problemo und Katastrophe

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Im oberbayerischen Waakirchen wohnen Flüchtlinge im Kegelstüberl. (Foto: Manfred Neubauer)

Die Freien Wähler laden Kommunalpolitiker zum Meinungsaustausch ein. Deren Erfahrungen mit Flüchtlingen sind höchst unterschiedlich. FW-Chef Hubert Aiwanger spricht von Fehlentwicklungen

Von Daniela Kuhr, München

Christian Mayer hat sich vorbereitet. Der Bürgermeister von Hengersberg im Landkreis Deggendorf steht sogar auf, um besser gehört zu werden. Mit lauter Stimme beginnt er zu reden: In seiner Region habe man viel Erfahrung mit Flüchtlingen. Nach dem Krieg seien sie freundlich aufgenommen worden und nach der Wende habe man ebenfalls viele Neuankömmlinge aus der früheren DDR integriert. Was die Sache aber enorm erleichtert habe: "Die sprachen alle deutsch."

Das ist bei den Flüchtlingen, die derzeit aus Afrika oder vom Balkan kommen, nicht der Fall. Die jetzige Situation sei eine völlig andere, stellt Mayer fest. Und dann redet er sich in Fahrt. Er spricht über unbegleitete Minderjährige, deren Betreuung pro Monat etwa 5000 Euro koste; über 14-Jährige, die von ihren Familien nach Deutschland geschickt würden, damit die Familie auf diesem Weg den Anspruch bekomme, nachzuziehen; über Flüchtlinge aus dem Kosovo, die "ohne Zweifel Armutsprobleme" hätten, "aber kein Asylproblem", die aber die Plätze von denen "verstopfen, die sie benötigen". Mayer spricht Klartext - und Hubert Aiwanger hört zu.

Der Vorsitzende der Freien Wähler hatte für diesen Montag Bürgermeister, Landräte und Kreisvorsitzende aus ganz Bayern nach München zu einem "Asylgipfel" eingeladen. Er wolle wissen: "Was ist in den Kommunen los?", fragt Aiwanger einleitend. Und das erfährt er dann auch. Wie Mayer beschreiben auch die anderen Gäste die Situation so, wie sie sie empfinden - ohne bei jedem Satz erst lang abzuwägen, ob man ihn womöglich auch gegen sie verwenden könnte. Schließlich handelt es sich um eine interne Veranstaltung der Freien Wähler, da will und muss man sich offenbar nicht bei jeder Aussage erst gegenseitig versichern, nicht ausländerfeindlich zu sein. "Aber man muss doch sagen, wie es ist", sagt Mayer. Denn, wie Alfred Holzner, Bürgermeister in Rottenburg an der Laaber, feststellt: "Dieses System wird in Kürze scheitern. Es wird kollabieren."

Das könne man schon an einem Umstand ablesen: Selbst wenn ab sofort kein einziger Flüchtling mehr nach Deutschland käme, bräuchten die Behörden laut Holzner noch volle drei bis vier Jahre, um alle bis jetzt aufgelaufenen Anträge abzuarbeiten. Noch sei die Stimmung in der Bevölkerung gut. Aber sie sei im Begriff, sich zu ändern. "Und deshalb müssen wir auch aufpassen, wenn wir höhere Leistungen fordern." Der Monatssatz für einen Asylbewerber liege bei 325 Euro. "Das hat nicht jeder Rentner in diesem Land", sagt Holzner.

Das Thema "Neid" scheint tatsächlich ein ernstes zu werden - auch in anderen Kommunen. So berichtet Jürgen Horst Dörfler, Stadtrat in Nürnberg, dass sich Anwohner zunehmend fragten, wieso so viele junge Asylbewerber iPhones besäßen und in der Unterkunft als erstes nach Wlan fragten. "Das ist alles schwer verkäuflich nach außen", sagt er. Ullrich Gaigl, Bürgermeister der oberbayerischen Gemeinde St. Wolfgang, berichtet von einer Flüchtlingsfamilie, die bei ihnen sehr gut aufgenommen worden sei. Als aber das sechsjährige Kind wegen mangelnder Sprachkenntnisse besondere Betreuung in der Schule benötigte, seien Eltern anderer Schüler auf ihn zugekommen und hätten ebenfalls bessere Betreuung für ihre Kinder gefordert.

Doch es gibt auch andere Erfahrungen. Begeistert berichtet etwa Andreas Steppberger, Oberbürgermeister von Eichstätt, wie es bei ihnen läuft. Die dortige Erstaufnahmeeinrichtung mit circa 220 Plätzen liege "mitten in der Altstadt", mit einem großen Gartengrundstück und direktem Zugang zur Altmühl. Die Flüchtlinge seien "höchst zufrieden", es gebe keinerlei Vorkommnisse in der Stadt. Deshalb sei auch die Bevölkerung zufrieden mit der Situation. "Neid kommt bei uns nicht auf." Wenn er nun höre, dass sich andernorts Anwohner fragten, wieso Flüchtlinge ein Handy hätten, könne er nur sagen: "Entschuldigung bitte, das ist deren einziger Zugang zu ihrer Familie."

Auch Ruth Busl, Stadträtin in Olching, kann "nur Erfolgsgeschichten" berichten. Bei ihnen gebe es so viele freiwillige Helfer, dass auf zwei Asylbewerber ein Ehrenamtlicher komme. Was aber dringend geklärt werden müsste, sei das Thema Arbeitserlaubnis. "Wir haben drei Senegalesen, die mittlerweile sehr gut deutsch sprechen", erzählt Busl. Eine Bäckerei würde allen drei gern einen Ausbildungsplatz bieten, da sie keine deutschen Auszubildenden findet. "Doch weil der Senegal als sicheres Herkunftsland gilt, geht das nicht."

Zwei Stunden lang hört Aiwanger zu - und fasst dann zusammen: "Wir Freien Wähler stehen zum Asylrecht, aber es gibt Fehlentwicklungen." Wenn nicht schnell gezielte Maßnahmen ergriffen würden, stoße die große Integrationsbereitschaft der Menschen womöglich an Grenzen.

© SZ vom 07.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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