Asylgipfel:"Bayern ist auf einem total verkehrten Weg"

Asylgipfel: Eine Berufsausbildung trägt zur Integration von Flüchtlingen bei.

Eine Berufsausbildung trägt zur Integration von Flüchtlingen bei.

(Foto: Ingo Wagner/dpa)
  • Flüchtlingshelfer kritisieren, dass die sogenannte "3+2-Regelung" in Bayern faktisch nicht umgesetzt wird. Sie besagt, dass nicht anerkannte Asylbewerber eine Ausbildung beginnen und anschließend zwei Jahre im erlernten Beruf arbeiten können.
  • Auch eingefleischte Konservative können diesen Kurs der CSU nicht nachvollziehen.

Von Dietrich Mittler, Straubing

Gut zwei Wochen vor dem ersten "Ostbayerischen Asylgipfel" im niederbayerischen Straubing hatte Petra Nordling - überregional bekannt seit ihrem TV-Auftritt mit Angela Merkel - noch einen Anruf aus dem Bundeskanzleramt bekommen. Tenor: In Berlin verstehe man die Kritik der bayerischen Asylhelfer.

Es sei auch im Interesse der Kanzlerin, dass nicht anerkannte aber integrationswillige Asylbewerber als Geduldete eine Berufsausbildung beginnen und sodann zwei Jahre im erlernten Beruf arbeiten können. Diese "3+2-Regelung", so hatte Nordling in einem Brief an die Kanzlerin festgestellt, werde in Bayern faktisch nicht umgesetzt, mit "katastrophalen Folgen für den sozialen Frieden in Städten und Dörfern".

Am Samstag zeigte sich beim Asylgipfel in Straubing, dass bei den Asylhelfern das Maß voll ist. Selbst jene, die bislang der CSU ihr Vertrauen geschenkt hatten, warfen der Staatsregierung vor: "Bayern ist auf einem total verkehrten Weg." Eine Helferin, die sich als Fürsprecherin ihres Pflegesohns aus Afghanistan eigens aus dem fränkischen Rednitzhembach auf den Weg nach Straubing gemacht hatte, erklärte unter Applaus, sowohl die jungen Flüchtlinge als auch ihre deutschen Helfer erlebten "permanente Traumatisierung" und "psychische Gewalt" seitens der bayerischen Politik, die leistungsbereiten Menschen den Zugang zu einer Berufsausbildung blockiere und in ihnen die Angst vor der Abschiebung schüre.

Julia von Seiche, die Vorsitzende der Regensburger Initiative "Ausbildung statt Abschiebung", die gemeinsam mit Nordling den Asylgipfel organisiert hat, versteht nur zu gut, dass etlichen der circa 120 Vertreter von Helferkreisen die Geduld ausgeht: "Junge Menschen mit einem Arbeits- und Ausbildungsverbot zu belegen, das ist für mich nicht nachvollziehbar", sagte sie am Rande des Gipfels im Untergeschoss der Straubinger Christuskirche.

Ihr Urgroßvater Johannes Rings habe nach dem Zweiten Weltkrieg die CDU mitgegründet, und sie selbst sei "konservativ bis auf die Knochen". Aber: "Ich habe mich von der CSU entfernt", sagte sie. Und wenn diese Partei nicht aufpasse, entgleite ihr - was die vielen tausend Asylhelfer im Freistaat betreffe - ein beträchtliches Wählerpotenzial. Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner sei offenbar "die einzige", so glaubt Nordling, die diese Gefahr für ihre Partei erkenne.

In der Welt am Sonntag hatte Aigner vor gut einer Woche davor gewarnt, die CSU nun auf einen Rechtskurs einzuschwören. Die stellvertretende Ministerpräsidentin hatte erklärt: "Wir haben mitnichten nur an die AfD Stimmen verloren, sondern auch an Grüne und FDP." Diese Stimmen aus dem bürgerlichen Lager seien endgültig verloren, wenn die CSU ausschließlich zum rechten Rand schiele. "Ich versuche nun einen Termin bei Ilse Aigner zu bekommen", kündigte Nordling an. Schließlich gehe es um "Tausende von Ausbildungen" für junge Flüchtlinge, die nicht genehmigt würden.

Ausbildungsbetriebe und Flüchtlingshelfer verzweifeln

Kürzlich hatte die Ministerin mit anderen Vertretern des Kabinetts die Erfolgsbilanz der bayerischen Initiative "Integration durch Ausbildung und Arbeit" verkündet, die vor zwei Jahren ins Leben gerufen wurde. Demnach seien bereits 48 000 Flüchtlinge in reguläre Beschäftigung gebracht worden, und mehr als 7000 hätten eine Berufsausbildung begonnen. Es gelte allerdings, die "Anstrengung auf die Menschen zu konzentrieren, die absehbar dauerhaft in unserem Land bleiben werden".

In diesem Geiste sind auch die Vollzugshinweise des Innenministeriums verfasst, die Bayerns Flüchtlingshelfer - aber auch zahlreiche Ausbildungsbetriebe - seit mehr als einem Jahr oft daran zweifeln lassen, ob ihre Arbeit überhaupt noch Sinn ergibt. War es vor den Anweisungen an Bayerns Ausländerämter kein Problem, dass Flüchtlinge trotz abgelehnten Asylantrags relativ schnell zu einer Duldung und zu einer Ausbildungserlaubnis kamen, so sei damit längst Schluss.

Betroffen sind davon insbesondere die jungen Afghanen im Freistaat. Dabei hätten viele von ihnen bereits einen Ausbildungsvertrag. "Wir, die Recht und Ordnung als Grundpfeiler unseres Staates begriffen haben, mussten erkennen, dass Recht ein äußerst dehnbarer Begriff ist", sagte Nordling in ihrer Rede. Und jene Flüchtlinge, deren Akte von einer der Zentralen Ausländerbehörden angefordert wurde, könnten "die Hoffnung gleich fahren lassen". Es sei erklärter Wille der Staatsregierung, dass sie "gar nicht erst integriert werden".

Für den Regensburger Albert Rogg und Clarissa Witzlinger aus Forchheim grenzt das an "ökonomischen Irrsinn". "Wir haben viel Geld in diese jungen Leute investiert. Und jetzt, wo wir die Früchte ernten könnten, lässt man sie nicht arbeiten und alimentiert sie", sagte Rogg. "Das ist eine Politik, die nur um der Machtdemonstration willen durchgesetzt wird", glaubt Rainer Krug aus Bad Windsheim. Wie er kamen mehr als 30 Asylhelfer auch aus anderen Regierungsbezirken als Niederbayern und der Oberpfalz nach Straubing.

Der 21-jährige Afghane Herjat Khan Marofkhel, der mit seiner Helferin Christiane Lettow-Berger zur Versammlung anreiste, ist froh, dass so viele Menschen für ihn und die anderen Flüchtlinge kämpfen. "Ich lebe seit vier Jahren hier", sagt er in flüssigem Deutsch, "und auch ich habe einen Ausbildungsvertrag gehabt." Den Stempel der Behörde aber bekam er nicht.

Petra Nordling hofft, dass die CSU "von ihrem harten Kurs ablässt". Mit Julia von Seiche ist sie sich einig: Das Treffen in Straubing habe ein politisches Zeichen gesetzt - für die Landtagswahl 2018.

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