Asylbewerber in Bayern:Ärztliche Hilfen für Flüchtlinge

Asylbewerber-Unterkunft

Die Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber in Bayern, wie hier in Zirndorf, platzen aus allen Nähten.

(Foto: dpa)

Flüchtlinge leiden häufig unter posttraumatischen Belastungsstörungen. Der Gang zum Arzt stellt für sie bislang jedoch eine kaum zu überwindende Hürde dar. In bayerischen Erstaufnahmeeinrichtungen sollen deshalb bald Psychiater, Kinderärzte und Gynäkologen Sprechstunden anbieten.

Von Bernd Kastner

Die medizinische Versorgung von neu angekommenen Flüchtlingen in Bayern soll verbessert werden. Bald sollen Psychiater, Kinderärzte und Gynäkologen in den beiden Erstaufnahmeeinrichtungen in München und Zirndorf Sprechstunden anbieten, Allgemeinärzte tun dies bereits. Das bayerische Sozialministerium will ein niederschwelliges Angebot schaffen mit einer Art Krisenintervention bei psychischen Problemen. Damit reagiert das Haus von Ministerin Christine Haderthauer auf die Ergebnisse zweier Pilotprojekte. Dabei hatte sich herausgestellt, dass Flüchtlinge deutlich häufiger als die übrige Bevölkerung unter Posttraumatischen Belastungsstörungen leiden.

"Das verwundert wirklich nicht", kommentiert Hans Dick, der für Flüchtlinge zuständige Referatsleiter im Sozialministerium, das Ergebnis der beiden Studien in München und Zirndorf. Erlebnisse im Heimatland oder auf der Flucht hinterlassen bei vielen Asylbewerbern tiefe seelische Wunden. Nun, da man belastbare Zahlen über das längst Vermutete habe, ziehe man die Konsequenz und hole weitere Ärzte in die großen Sammelunterkünfte, in denen neu ankommende Flüchtlinge die ersten Wochen verbringen.

Stellt bisher der Gang zu einem Arzt eine große Hürde dar für viele Flüchtlinge, da sie ihn in einer für sie noch völlig fremden Stadt in seiner Praxis aufsuchen müssen, soll es künftig regelmäßige Sprechzeiten in den Einrichtungen geben. Die soll ein Psychiater anbieten, der als Arzt, anders als ein Psychologe, auch Medikamente verordnen darf. Kinder und schwangere Frauen will das Ministerium künftig ebenfalls besser medizinisch versorgen, die jeweiligen Fachärzte sollen in den Unterkünften präsent sein.

Kommunikation ist oft nur mit einem Dolmetscher möglich

Dick ist zuversichtlich: "Wir wollen, dass das kommt." Noch in diesem Jahr sollen die Sprechstunden starten. Man habe die Kassenärztliche Vereinigung bereits gebeten, unter ihren Mitgliedern nach Interessenten zu suchen. Die Ärzte sollen dann eine Praxisfiliale eröffnen. Zunächst sei vorgesehen, dass die drei Fachärzte zusammen eine Sprechzeit von zwölf Stunden anbieten. Die solle bei Bedarf ausgeweitet werden. Die Kosten der Behandlung übernimmt bei Flüchtlingen generell der Freistaat, die Ärzte erhalten das für Kassenpatienten übliche Honorar.

Für Flüchtlinge sind die ersten Wochen nach der Ankunft in Deutschland meist eine sehr schwierige Zeit. Sie müssen sich in einer fremden Umgebung orientieren und versuchen, ihr Leben zu ordnen. Gesundheitliche Belange treten da entweder in den Hintergrund, oder aber werden verstärkt, gerade im psychischen Bereich.

Schwierig macht eine therapeutische Versorgung in diesen Tagen die knappe Zeit, denn im Schnitt werden Asylsuchende nach etwa einem Monat von der Erstaufnahmeeinrichtung in eine andere Unterkunft geschickt, in ganz Bayern gibt es mehr als 400 davon. Deshalb sei in dieser ersten Station in Zirndorf oder München in der Regel keine gesicherte Diagnose möglich, erklärt Dick. Allenfalls eine Krisenintervention.

Selbst wenn nun diese nun verbessert wird, wenige Tage später, am neuen Ort, stehen psychisch angeschlagene Flüchtlinge vor neuen Problemen: Wo einen dauerhaften Therapieplatz finden? Viele Therapeuten scheuen sich, Asylsuchende zu versorgen. Die Kommunikation ist oft nur mit einem Dolmetscher möglich, und was diese Patienten berichten, ist oft auch für den Arzt oder Psychologen eine große Belastung. Dazu kommt, dass es mit einer Therapiestunde oft nicht getan ist, weil auch viel anderes zu organisieren ist, was der Behandelnde dann oft unbezahlt erledigt.

Das Interesse niedergelassener Ärzte ist gering

Wenn dann doch ein Therapeut gefunden ist, dauere es oft Monate, bis der Antrag auf die Therapie von den Behörden bearbeitet wird, berichtet Jürgen Soyer, Geschäftsführer von Refugio, dem Behandlungszentrum für Flüchtige in München. Ob die Therapie genehmigt und damit bezahlt wird, hänge oft vom Wohnort des Patienten ab: Das Asylbewerberleistungsgesetz lasse den zuständigen Kommunen und Landkreisen großen Spielraum; die einen seien großzügiger, andere aber bekannt für ihre restriktive Ablehnung von Psychotherapien.

Ein Behandlungszentrum wie Refugio ist auf die Bedürfnisse der Flüchtlinge eingestellt, doch dort ist die Warteliste enorm lang, es vergeht oft wertvolle Zeit, ehe einem kranken Flüchtling geholfen werden kann. So sehr Refugio-Chef Soyer das geplante niederschwellige Hilfsangebot in der Erstaufnahme als "klug und sehr gut" lobt, weil die Verantwortlichen endlich dieses große Problem erkannt hätten: Zusätzlich, fordert Soyer, müssten bayernweit die Strukturen für psychosoziale Beratung ausgebaut werden, viel mehr Psychiater und Sozialpädagogen müssten sich Hand in Hand um belastete Flüchtlinge kümmern.

Weil das Interesse niedergelassener Ärzte an dieser Aufgabe aber sehr gering sei, bleibe nichts anderes, als die entsprechenden Zentren zu stärken. Refugio etwa bietet inzwischen, wenn auch in kleinem Umfang, Beratung und Therapie in Landshut und Augsburg an, von September zudem in Rosenheim. Hans Dick vom Sozialministerium lässt durchblicken, dass ihm auch an einer Stärkung der Arbeit von Refugio gelegen sei. Man sei im Gespräch miteinander, um eine Lösung zu finden.

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