Artenschutz:Der Fischadler darf landen

Vogelschützer bauen künstliche Nester im fränkischen Seenland. Sie sollen Jungtiere anlocken

Von Christian Sebald

Der Beutezug des Fischadlers ist ein spannendes Naturspektakel. Die braun und weiß gefiederten Greifvögel, die mit ihren 1,70 Metern Flügelspannweite ein erhabener Anblick sind, kreisen dabei hoch über einem See. Den Kopf haben sie leicht nach unten gestreckt, damit sie genau sehen, was sich auf dem See und direkt unter der Wasseroberfläche abspielt. Sowie ein Fischadler einen Fisch entdeckt, stößt er im Sturzflug hinab. Dabei wird er bis zu 60 Stundenkilometer schnell. Bevor er ins Wasser eintaucht, legt er die Flügel an. Gleich darauf verkrallen sich seine halbkreisförmig gebogenen Zehen in der Beute. Dann hebt der Vogel schon wieder ab, mit mächtigen Schwingenschlägen transportiert er den Fisch in den Horst.

In Bayern kann man den Beutezug der Fischadler nur mit sehr viel Glück beobachten. Denn es gibt nur fünf Paare, die hier brüten und ihre Jungen aufziehen. Allesamt leben in der Oberpfalz - auf dem Gelände des Truppenübungsplatzes Grafenwöhr und in dessen unmittelbarer Umgebung. Sonst kann man Fischadler hier nur auf Durchzug in die Winterquartiere beobachten. Nun soll sich der Fischadler wieder ausbreiten in Bayern. Der Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV) hat dazu ein Artenhilfsprogramm gestartet. Im mittelfränkischen Seengebiet, am Altmühlsee und am Brombachsee, hat er sechs künstliche Horste aufgestellt, in der Hoffnung, dass sich dort alsbald junge Brutpaare niederlassen. "Von hier aus sollen sich die Vögel wieder in ganz Bayern verbreiten", sagt der Biologe Daniel Schmidt-Rothmund, der den LBV bei dem Projekt unterstützt.

Den Fischadlern ist es so ergangen wie vielen anderen heimischen Greifvogelarten und Raubtieren. Einst waren sie weit verbreitet. Aber als angebliche Fischräuber wurden sie erbittert gejagt, mit Giftködern, mit dem Gewehr und anderen Methoden. Das Ergebnis: Vor 50 Jahren waren die Fischadler im Freistaat komplett ausgerottet. Das erste Paar in der Oberpfalz wanderte dort Anfang der 1990er ein. Die Wiederansiedlung ist schwierig und sehr langwierig. So hat sich bisher kein einziges Fischadlerpaar einen natürlichen Horst gesucht. Alle fünf brüten auf künstlichen, wie sie der LBV jetzt am Altmühlsee und am Brombachsee aufgestellt hat.

Die künstlichen Horste sind große, flache Körbe, die auf ein Stahlgestell montiert werden. Körbe und Stahlgestell wurden in Wäldern nahe den beiden Seen auf kräftige Baumwipfel gepflanzt, die über die anderen Bäume hinausragen. So haben die Greifvögel nicht nur einen guten Überblick über die unmittelbare Umgebung, sondern auch einen weiten Ausblick auf den See. "Mit den künstlichen Horsten hilft der LBV dem Mangel an natürlichen Brutmöglichkeiten in den jungen Wäldern im Seenland ab", sagt Schmidt-Rothmund. "Denn ansonsten ist die Region mit ihren ausgedehnten Wasserflächen und den üppigen Beständen an Brachsen und anderen Beutefischen bestens geeignet für die Wiederansiedlung."

Bleibt nur die Frage, wie lange es dauern wird, bis sich das erste Fischadlerpaar in Mittelfranken niederlässt. "Oft geht das sehr schnell, Jungvögel erkunden meist schon während ihres ersten Winterflugs nach Süden geeignete Brutplätze für das nächste Jahr", sagt Schmidt-Rothmund. "Manchmal dauert aber auch es einige Jahre." Und manchmal wird so ein künstlicher Fischadler-Horst zweckentfremdet. Wie am Altmühlsee. Dort hat der LBV 2014 versuchshalber einen aufgestellt. Schon dieses Jahr ist er in Besitz genommen worden - von Störchen.

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