AOK Bayern will Geld zurück:TÜV soll für fehlerhafte Brustimplantate haften

Der Skandal um die Brustimplantate der franzöischen Firma PIP beschäftigt jetzt auch ein Gericht in Nürnberg. Weil sich 26 Frauen aus dem Freistaat die Silikonkissen wieder entfernen lassen, will die AOK Bayern die Behandlungskosten zurück - vom TÜV.

Von Katja Auer

Die AOK Bayern will vom TÜV Rheinland Geld zurück. Der Grund ist der Skandal um die Brustimplantate der franzöischen Firma Poly Implant Prothèse (PIP), die mit billigem Industriesilikon gefüllt waren, das nicht dafür vorgesehen war. 26 Frauen aus Bayern, die bei der AOK versichert sind, haben sich die Silikonkissen inzwischen wieder entfernen lassen, was die Krankenkasse um die 50.000 Euro kostete.

Diese Kosten soll nun der TÜV tragen, da er für die Zertifizierung und damit auch die Zulassung der Implantate verantwortlich gewesen sei. Dabei habe er pflichtwidrig gehandelt und seine Funktion als Zertifizierungsstelle nicht erfüllt, argumentieren die AOK-Vertreter. Nun hat der Prozess vor dem Landgericht Nürnberg begonnen.

Mehr als 5000 Frauen sollen alleine in Deutschland betroffen sein, viel mehr noch auf der ganzen Welt. Alle haben Brustimplantate eingesetzt bekommen, ohne zu ahnen, dass diese statt mit dem medizinisch dafür zugelassenen Silikon mit billigem Industriesilikon gefüllt waren. Der Betrug hatte jahrelang System. 2010 kam alles ans Licht, im vergangenen Dezember wurde PIP-Gründer Jean-Claude Mas wegen schweren Betrugs zu vier Jahren Haft verurteilt.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte empfahl erstmals 2012 den betroffenen Frauen, die Billig-Implantate wieder entfernen zu lassen. Von den Kissen könnten gesundheitliche Gefahren ausgehen.

Die Anwälte der AOK warfen dem TÜV am Montag vor Gericht schwere Verfehlungen vor. So seien die angemeldeten Kontrolle nicht gewissenhaft genug gewesen und außerdem habe es niemals unangemeldete Überprüfungen der Firma gegeben. Musste es auch nicht, hielten die Anwälte des TÜV dagegen, da es keinerlei Anhaltspunkte für die Betrügereien von PIP gegeben habe. Der TÜV überprüfte das Management zur Qualitätssicherung des Unternehmens, aber nicht dessen Produkte.

"Der TÜV ist keine Marktüberwachungsbehörde"

Beim TÜV fühlt man sich selbst von PIP getäuscht. Bei allen Kontrollen habe das Unternehmen vollständige Unterlagen über die Verwendung des zugelassenen Silikons bereit gehalten und auch das Material selbst sei vorhanden gewesen. Dass tatsächlich ein ganz anderes und noch dazu ungeeignetes Gel in die Implantate gefüllt wurde, sei nicht ersichtlich gewesen.

Hätte es einen Verdacht gegeben, hätten allerdings die französischen Gesundheitsbehörden aktiv werden müssen, sagten die TÜV-Anwälte, und auch die Richterin sah das so. "Der TÜV ist keine Marktüberwachungsbehörde", sagt sie. Die Vertreter der AOK überschätzten offenbar dessen Funktion. Die Richterin ließ bereits durchblicken, dass sie der Klage der AOK kaum Erfolgsaussichten einräumt. Ja, es sei nicht einmal sicher, ob überhaupt jemand haften müsse.

PIP-Gründer Mas ist angeblich pleite, die Firma insolvent. Die Empfehlung des Bundesinstituts, dass sich die Frauen die Implantate wieder entfernen lassen sollte, bedeute nicht automatisch, dass irgendjemand haften müsse, sagt sie. Schließlich sei bisher nicht beweisen, dass die Billig-Implantate tatsächlich krank machten.

Sie verstehe die Sorgen der Frauen, sagte die Richterin, "aber es ist nicht so, dass es für jede Lebenssituation jemand gibt, der haftet". Es gebe bereits Urteile darüber, dass der TÜV nicht haftbar gemacht werden können. Ein anderes Verfahren in Frankreich, bei dem der TÜV zur Zahlung von Schadenersatz verurteilt worden war, befindet sich gerade in der Berufung.

"Da habe ich im Moment nichts"

Die AOK-Vertreter bleiben bei ihren Vorwürfen. Der TÜV habe auf Unregelmäßigkeiten und Produktfehler nicht reagiert und in unangemessener Weise mit PIP kommuniziert. Somit habe der TÜV "letztlich den Betrug der PIP erst möglich gemacht".

Außerdem habe er die Überwachungspflichten an den TÜV Frankreich delegiert, der dafür allerdings gar nicht qualifiziert sei, weil er nur für Elektrizität zuständig sei. "Die Verstöße des TÜV Rheinland sind so gravierend und zahlreich, dass dies nur Kopfschütteln hervorrufen kann", sagte Rechtsanwalt Jörg Heynemann.

Der Richterin dagegen waren viele Vorwürfe zu ungenau. "Ich muss eine Pflichtverletzung nachweisen können und da habe ich im Moment nichts", sagte sie. Außerdem fehlten Stellungnahmen des TÜV. Der Prozess wird fortgesetzt.

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