Anschlag in Ansbach:Münchens OB erwägt Rucksackverbot fürs Oktoberfest

Eröffnung der Siemens-Zentrale in München, 2016

Münchens OB Dieter Reiter will nach Ansbach die Sicherheitslage für das Oktoberfest neu diskutieren

(Foto: Florian Peljak)
  • Als Reaktion auf den Anschlag in Ansbach denkt Münchens Oberbürgermeister darüber nach, Rucksäcke auf dem Oktoberfest zu verbieten.
  • Ermittler prüfen noch, was das Motiv des Täters ist. Bayerns Justizminister Winfried Bausback sagt: "Würzburg und auch Ansbach zeigen wohl, dass der islamistische Terror Deutschland erreicht hat."

Nach dem Amoklauf in München und dem Anschlag in Ansbach denkt Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) über ein Rucksackverbot auf dem Oktoberfest nach. Dem Bayerischen Rundfunk sagte er, dass "sogar über ein Verbot von Rucksäcken" beim größten Volksfest der Welt nachgedacht werden könne. "Das sage ich ganz offen. Denn seit Ansbach wird jeder Verständnis haben, dass wir über solche Maßnahmen nachdenken müssen."

Im Münchner Stadtrat liegt mittlerweile auch ein Antrag der Fraktion aus Bayernpartei und Freien Wählern vor, der eine Anpassung des Sicherheitskonzeptes auf dem Oktoberfest fordert. Rucksäcke und größere Taschen sollten verboten werden. Als Begründung werden die Taten von München und Ansbach genannt.

Noch ist unklar, was den 27-Jährigen angetrieben hat. Er lebte als geduldeter Flüchtling in Deutschland (was wir bislang über ihn wissen, lesen Sie hier). Michael Schrotberger von der Staatsanwaltschaft Ansbach rät zu Besonnenheit. Derzeit sei vieles Spekulation, sagte er. Ob die Tat einen politischen Hintergrund habe, müsse erst geklärt werden. Noch ermitteln die hiesigen Behörden in dem Fall. Die Bundesanwaltschaft hat noch nicht entschieden, ob sie die Ermittlungen an sich zieht.

Die Ansbacher Oberbürgermeisterin Carda Seidel (parteilos) sieht kein Versagen der Stadt in der Flüchtlingsbetreuung. Der Täter, ein syrischer Asylbewerber, lebte in einem Ansbacher Flüchtlingsheim und war längere Zeit von der Stadt betreut worden. Seidel äußerte sich erschrocken und schockiert.

Um Flüchtlinge das Einleben zu erleichtern, habe die Stadt eigens das Projekt "Ankommen in Ansbach" entwickelt. Dieses Projekt bestehe aus sieben eineinhalbstündigen Informationsbausteinen, mit denen Flüchtlinge unter anderem über Recht und Gesetz und die deutsche Gesellschaft informiert würden, erläuterte Seidel. Das Projekt diene ferner dazu, "zu wissen, wer in der Stadt eigentlich mit einem und neben einem lebt", sagte Seidel. "Das werden wir auch noch verstärken, denke ich." In Ansbach leben nach ihren Angaben rund 600 Asylbewerber.

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) äußerte sich am frühen Montagmorgen mit einer persönlichen Einschätzung zum Hintergrund der Tat. Er hält es für "sehr naheliegend", dass "hier ein echter islamistischer Selbstmordanschlag stattgefunden hat". Hinweise auf eine Verbindung zur Terrormiliz Islamischer Staat gebe es jedoch nicht. Der Tatverdächtige sei in Deutschland schon mehrmals "strafrechtlich in Erscheinung getreten", habe aber auch psychische Probleme gehabt und bereits zweimal versucht, sich das Leben zu nehmen. Zeitweise sei er deshalb in klinischer Behandlung gewesen.

Polizisten fordern schärfere Kontrollen bei der Einreise

Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU) äußerte sich ähnlich. "Würzburg und auch Ansbach zeigen wohl, dass der islamistische Terror Deutschland erreicht hat", sagte er. Er teile Herrmanns Einschätzung. Der Rechtsstaat müsse sich darauf einstellen. Er plädierte für eine weitere Verstärkung der Sicherheitsbehörden. "Und im Internet und den sozialen Netzwerken müssen die Möglichkeiten von Fahndung und Gefahrenabwehr verbessert werden." Der vom Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof gesetzte Rahmen sei "angesichts der Bedrohungslage zu eng". Die beiden Gerichte sollten hier "ihre Wertungen überdenken", schrieb er. "Auch im Bereich der Regeln des Aufenthaltsrechts und bei der strafrechtlichen Verfolgung besteht Ergänzungsbedarf."

Aus der Deutschen Polizeigewerkschaft kam der Ruf nach einer besseren Kontrolle der nach Deutschland kommenden Flüchtlinge. Vorsitzender Rainer Wendt sagte dem Radiosender HR-Info: "Weder ist die Identität aller Menschen geklärt, die zu uns gekommen sind, noch ihr geistiger und körperlicher Zustand."

In Anspielung auch auf die Messerattacke in Reutlingen fügte er hinzu: "Wir erleben ja in diesen Tagen, dass sich psychische Labilität, Terrorismus, Kriminalität miteinander vermischen". Umso wichtiger sei es, "sich diese Menschen ganz genau anzuschauen, ob von ihnen eine mögliche Gefahr ausgeht". In Reutlingen hat ein 21-jähriger Asylbewerber aus Syrien am Sonntag eine Frau mit einem Hackmesser getötet.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat sich "erschüttert" über die Gewalttaten von Reutlingen und Ansbach gezeigt. "Mein Mitgefühl gilt den Angehörigen des Opfers und den Verletzten", erklärte de Maizière am Montag in Berlin. "Die Ermittlungen laufen mit Hochdruck und ich hoffe, wir erhalten bald Gewissheit über die Motivation der Täter."

Ähnlich äußerte sich Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer. Die Bundesregierung sei "erschüttert" über die Gewalttaten am Wochenende. Die Regierung trauere mit den Angehörigen der getöteten Frau in Reutlingen. Die Gedanken seien auch bei den Verletzten der Attacken in Reutlingen und Ansbach. "In Reutlingen liegt kein Staatsschutzdelikt vor, zu Ansbach dauern die Ermittlungen an", sagte Demmer.

Die katholische Kirche reagierte auf die Explosion in Ansbach mit Betroffenheit. Der Erzbischof der Diözese Bamberg, Ludwig Schick, auf deren Gebiet die mittelfränkische Stadt liegt, schrieb: "Wir teilen Leid, Ängste und Sorgen der Menschen." Schick schrieb weiter: Er bete für die Verletzten und um Frieden und Sicherheit.

Die Ansbach-Würzburger Regionalbischöfin Gisela Bornowski sagte dem Evangelischen Pressedienst, man müsse die aufflammenden Ängste der Menschen ernst nehmen, aber auch jede Panik und Hysterie vermeiden. Wichtig sei es jetzt, dass die Einheimischen mit den Geflüchteten weiter im Gespräch bleiben. "Ich glaube, es täte auch gut, wenn die in Ansbach lebenden Flüchtlinge sich ganz klar distanzieren und sagen: Nein, das ist nicht in unserem Namen passiert."

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