Anklage wird geprüft:Regensburger Krimi

Lesezeit: 1 min

Illegale Parteispenden, Razzien, Untersuchungshaft - die Korruptionsaffäre um OB Wolbergs ufert immer weiter aus

Von Andreas Glas, Regensburg

Für Joachim Wolbergs hat das Jahr 2017 mit Hagebuttentee begonnen. Es hat schlecht begonnen, "weil ich Hagebuttentee" hasse, hat Wolbergs neulich in einem Interview mit der Mittelbayerischen Zeitung verraten. Vor allem aber hat Wolbergs' Jahr schlecht begonnen, weil er den Hagebuttentee im Gefängnis trinken musste. Am 18. Januar nahm die Polizei den inzwischen suspendierten Regensburger Oberbürgermeister fest. Nach sechs Wochen in U-Haft kam er frei, doch die Anschuldigungen sind bis heute geblieben: Der OB soll von mehreren Bauunternehmern mit illegalen Parteispenden geschmiert worden sein.

Wäre die Regensburger Korruptionsaffäre ein Film, man müsste ihn einsortieren zwischen "Der Pate" und "Good Fellas", so sehr erinnern die Zutaten an einen Mafiakrimi. Es geht um patenhafte Bauunternehmer, abgehörte Telefonate, einen seltsamen Beratervertrag, kostenlose Segeltörns, Razzien in Banken, einen Fußballklub - und um die Frage, wie all diese Zutaten über Jahre, vielleicht Jahrzehnte hinweg geheim bleiben konnten.

"Wir ermitteln gegen sieben Beschuldigte plus x", sagte der Regensburger Oberstaatsanwalt zu Beginn des Jahres. Inzwischen muss man fürchten, dass es noch mehr Beschuldigte sind. Wäre die Korruptionsaffäre also ein Film, es gäbe viele Nebenrollen zu besetzen - und gleich zwei Hauptrollen: die des suspendierten Oberbürgermeisters Joachim Wolbergs (SPD) und die seines Vorgängers, Alt-OB Hans Schaidinger (CSU). Letzteren verdächtigt die Staatsanwaltschaft ebenfalls, eine sehr großzügige Gegenleistung für eine sehr bauunternehmerfreundliche Politik erhalten zu haben.

Für einen Filmproduzenten wäre die Regensburger Affäre auch deshalb interessant, weil sie vermutlich einen Mehrteiler hergibt. Eine Anklage gibt es bereits, weitere dürften folgen - und am Ende könnte eine ganze Reihe an Prozessen auf Regensburg zukommen. Es wäre ein Mehrteiler in Überlänge, denn die Vorwürfe sind umfassend und die Ermittlungsakten dick.

Was dem Drehbuch noch fehlt, ist ein Ende. Bis dieses Ende absehbar ist, dürfte es noch Monate, vielleicht Jahre dauern. Derzeit prüft das Landgericht die Anklagen gegen Wolbergs und den früheren SPD-Rathausfraktionschef Norbert Hartl sowie gegen einen Bauunternehmer und dessen früheren Geschäftsführer. Ob es in diesem Fall zum Prozess kommt, wird sich vermutlich in den ersten Wochen des neuen Jahres entscheiden. Und falls ja, dürfte der Prozess frühestens im Frühling losgehen. Wann die weiteren Ermittlungen abgeschlossen sind, ist derzeit noch nicht abzusehen. Bis auf Weiteres müssen sich die Regensburger also in Geduld üben. Sie müssen abwarten und, nun ja, Hagebuttentee trinken.

© SZ vom 30.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: