Anklage gegen Ex-Fraktionschef Schmid:Verwandtenaffäre holt CSU ein

Winterklausur CSU-Landtagsfraktion - Auftakt

Politisch ist er längst am Ende, nun soll er sich wegen der Verwandtenaffäre vor Gericht verantworten: Der frühere CSU-Fraktionschef Georg Schmid.

(Foto: dpa)

Er soll dem Staat 340 000 Euro vorenthalten haben. Nun erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Ex-CSU-Fraktionschef Georg Schmid. Seine Partei hält das für eine private Geschichte.

Von Mike Szymanski

Der frühere CSU-Fraktionschef Georg Schmid muss sich wegen seiner Verstrickungen in die Verwandtenaffäre des Landtags wahrscheinlich vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft Augsburg hat nach gut einjähriger Ermittlungsarbeit Anklage gegen den 61-jährigen Politiker aus Schwaben wegen des Verdachts der Scheinselbstständigkeit und Steuerhinterziehung erhoben.

Der Politiker hatte seine Ehefrau Gertrud jahrelang mit einem Werkvertrag als Sekretärin beschäftigt und ihr hierfür bis zu 5500 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer monatlich auf Steuerzahlerkosten ausbezahlt. Sie wird der Beihilfe beschuldigt und muss sich ebenfalls vor Gericht verantworten. Dem Staat sollen laut Anklage Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von mindestens 340 000 Euro vorenthalten worden sein.

Mit der Anklage ihres früheren Spitzenpolitikers holt die Verwandtenaffäre aus dem Jahr 2013 die CSU noch einmal mit großer Wucht ein. Ein gutes halbes Jahr vor der Landtagswahl war bekannt geworden, dass etliche Parlamentarier Familienangehörige auf Staatskosten beschäftigten. Sie beriefen sich auf eine Übergangsregelung im Abgeordnetenrecht, klar war aber auch, dass diese Praxis eigentlich längst hätte beendet werden sollen. Im Fall Schmid standen schnell strafrechtliche Vorwürfe im Raum, nachdem er erklärte, seine Frau habe mit ihrer Firma rund um die Uhr für ihn gearbeitet.

Im Mai vergangenen Jahres durchsuchten Fahnder der Finanzkontrolle Schwarzarbeit Schmids Privathaus in Donauwörth. Am Freitag teilte die Staatsanwaltschaft mit: "Der Angeschuldigte ist hinreichend verdächtig, in der Zeit von Mai 1991 bis einschließlich März 2013 seine Ehefrau und darüber hinaus im Zeitraum von Juni 2000 bis April 2013 eine weitere Arbeitnehmerin in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis beschäftigt zu haben, ohne sie ordnungsgemäß bei der zuständigen Krankenkasse und dem Finanzamt anzumelden und die Sozialversicherungsbeiträge beziehungsweise Lohnsteuer abzuführen."

Seiner Ehefrau wirft die Staatsanwaltschaft zudem vor, "für angebliche unternehmerische Tätigkeit unzutreffende Rechnungen erstellt zu haben, um die Taten ihres Mannes zu unterstützen". Sollte es angesichts der hohen Schadenssumme zu einer Verurteilung kommen, dürfte es für Schmid womöglich sogar schwierig werden, überhaupt noch eine Bewährungsstrafe zu bekommen.

Seehofer will sich nicht äußern

Schmids Verteidiger, der Augsburger Rechtsanwalt Nikolaus Fackler, erklärte, sein Mandant werde die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnen. Aus seiner Sicht liege keine Scheinselbstständigkeit vor, dies hatte er bereits vor Wochen vorgetragen. "Wir haben den Eindruck, dass sich die Staatsanwaltschaft nicht ausreichend damit beschäftigt hat."

In der Parteispitze war man am Freitag bemüht, weiteren Schaden von der CSU fernzuhalten. Markus Ferber, schwäbischer Bezirkschef der CSU und Vorstandsmitglied, sagte der SZ: "Es handelt sich hier um eine Geschichte, die Georg Schmid als Privatperson zu verantworten hat." Er bezeichnete die Anklageerhebung als "absehbaren Schritt". Als Politiker habe Schmid mit seinem kompletten Rückzug aus der Politik bereits die "notwendigen Konsequenzen" gezogen. Er wünsche Schmid aber, dass dieser im Prozess "in der Lage ist, alle Vorwürfe zu entkräften".

CSU-Chef Horst Seehofer wollte sich zunächst nicht zum Fall Schmid äußern. Auch in der Fraktion wollte man offiziell nichts sagen, obwohl Schmid von 1990 bis 2013 dem Landtag angehörte. Aus Parteikreisen verlautete jedoch, der Gerichtsprozess könne durchaus noch einmal für Unruhe in der Partei und an der Basis sorgen.

Justizkreise rechnen mit kurzem Verfahren

In Augsburger Justizkreisen wird mit einem eher kurzen Verfahren gerechnet, weil unter anderem die Zahl der möglichen Zeugen sehr überschaubar sei. Mit gewisser Spannung war auch erwartet worden, vor welchem Gericht die Staatsanwaltschaft Anklage erhebt.

Das Landgericht wäre womöglich auch in Frage gekommen, gilt jedoch als extrem überlastet. CSU-Chef Horst Seehofer hatte Schmid wegen der Schwere des Falls zum kompletten Rückzug aus der Politik gedrängt. Nachdem der Schwabe im April 2013 vom Fraktionsvorsitz zurückgetreten war, zog er auch seine Kandidatur für die Landtagswahl im Herbst zurück. "Ich bin Privatmann. Ich bin Rentner. Ich habe alles aufgegeben", sagte er vor wenigen Wochen der SZ, der er wie auch anderen Medien vorwarf, ihn bei der Berichterstattung "nicht korrekt" behandelt zu haben.

Den Kontakt zu vielen Kollegen in der Fraktion hat Schmid abgebrochen. Dort heißt es: Er habe alles verloren. Andere Kollegen wie etwa der frühere Haushaltsausschuss-Chef Georg Winter verloren zwar ihren Posten, konnten aber im Landtag bleiben. Die in die Verwandtenaffäre verstrickten Kabinettsmitglieder Ludwig Spaenle, Beate Merk, Helmut Brunner, Franz Pschierer, Bernd Sibler und Gerhard Eck durften in der Regierung bleiben, Seehofer zwang sie jedoch, einen Teil des an Angehörige geflossenen Geldes zurückzubezahlen.

Um welche Dimensionen es sich bei der Job-Affäre gehandelt hatte, wurde im Juni deutlich. Per Klage vor dem Verfassungsgerichtshof hatte die SPD die Staatsregierung zur Auskunft gezwungen: Mehr als 1,3 Millionen Euro waren seit den Neunzigerjahren allein von den Kabinettsmitgliedern an Verwandte geflossen.

Die parlamentarische Aufarbeitung der Affäre ist mittlerweile abgeschlossen. Der Landtag hat solche Beschäftigungsverhältnisse klar verboten. Der Umgang mit dem Steuergeld ist viel strenger geregelt, der Landtag verwaltet die Arbeitsverträge zwischen Abgeordneten und ihren Mitarbeitern selbst. Landtagspräsidentin Barbara Stamm hat eine Diskussion über den Stellenwert der Abgeordneten in der Gesellschaft angestoßen und betreibt nicht nur Imagepflege. Sie trifft derzeit auch die Vorbereitungen, um den Parlamentariern künftig mehr Geld für wissenschaftliche Mitarbeiter zahlen zu können - ein Vorhaben, von dem sie auf dem Höhepunkt der Affäre hatte Abstand nehmen müssen.

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