Amberger Oberbürgermeister:"Es wirkt für uns nicht mehr rational"

Nach den Prügelattacken von Flüchtlingen

Michael Cerny (CSU), Oberbürgermeister von Amberg.

(Foto: dpa)

Nachdem im oberpfälzischen Amberg jugendliche Asylbewerber wahllos Passanten verletzten, ist Oberbürgermeister Michael Cerny ein gefragter Mann. Aber er versteht die Aufregung nicht.

Interview von Elisa Britzelmeier, Amberg

Michael Cerny wird langsam heiser. Der Oberbürgermeister von Amberg (CSU) hat gerade einen Termin nach dem anderen. Kamerateams vor der Tür, Anrufe von verschiedenen Medien, dann hat sich noch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann angekündigt. Cernys Rathaus ist weihnachtlich geschmückt, vom Büro aus schaut er über die Altstadt, auf den Marktplatz samt Christbaum. Er versteht ja, dass alle ihn sprechen wollen, sagt er. Mit ihm darüber reden wollen, dass am Amberger Bahnhof vier jugendliche Asylbewerber offenbar wahllos Passanten angegriffen und zwölf Menschen verletzt haben sollen. Aber die ganze Aufregung ist ihm dann doch etwas zu viel.

SZ: Herr Cerny, wie fühlt es sich an, dass plötzlich bundesweit über Amberg diskutiert wird?

Cerny: Aus meiner Sicht ist das alles total überdimensioniert. Auf neuoberpfälzerisch: too much. Der Vorfall hier hat wohl medial gerade gut gepasst, in die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr. Und dann hat sich das so hochgeschaukelt. Aber meine Stadt gerät in einen Blickwinkel, in den wir nicht gehören.

Was ist Amberg denn für eine Stadt, Ihrer Meinung nach?

Eine schöne und ziemlich durchschnittliche, im Grunde genommen. Wir sind bürgerlich und weltoffen zugleich, und eigentlich funktioniert die Integration bei uns recht gut. Als Oberbürgermeister einer 42 000-Einwohner-Stadt ist man diese Art von Aufmerksamkeit nicht gewohnt. Die Amberger, so wie ich das mitbekomme, verstehen nicht mehr so ganz, was los ist. Es wirkt für uns nicht mehr rational.

Sie sind ja schon länger Bürgermeister und sitzen lange im Stadtrat. Können Sie sich an Vorfälle erinnern, die der Tat vom vergangenen Samstag ähneln?

Ich will nichts verharmlosen: In der Form gab es das noch nicht. Aber dass es unter Alkoholeinfluss zu Körperverletzungen kommt, ist nichts Neues. Wir haben schließlich auch ein Nachtleben. Wenn da Jugendliche um drei Uhr betrunken aus der Disco kommen, der eine sich vom anderen provoziert fühlt, dann kommt es schon mal zu Rangeleien und Schlägereien. Das Thema Gewalt ist leider immer da, wenn Leute aufeinandertreffen und Alkohol trinken, vor allem wenn sie zu viel trinken. Das sehen wir in ganz Deutschland immer wieder.

Es wird aber nicht groß darüber gesprochen, wenn die mutmaßlichen Täter deutsche Jugendliche sind.

Dass ein Unterschied gemacht wird, ist klar. Das Thema haben wir jetzt seit drei Jahren immer wieder, wenn Asylbewerber Straftaten begehen. Es ist ja auch in Ordnung, darüber zu reden, das beschäftigt viele Leute. Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass wir jeden Fall für sich sehen müssen.

Also fühlt sich Amberg wie ein eher zufälliger Schauplatz an?

Man muss das einordnen in den Kontext der Straftaten, die täglich in Deutschland passieren. Egal ob sie von Deutschen oder Asylbewerbern begangen werden: Im Strafrecht sind beide gleich. Einen Unterschied zum deutschen Staatsbürger gibt es nur in den Konsequenzen im Aufenthaltsrecht. Dementsprechend werden auch die Amberger Täter behandelt werden. Wir haben einen Rechtsstaat, der funktioniert.

Manche haben nun die Gewalt in Amberg mit der in Bottrop zusammengebracht - auch, weil Bundesinnenminister Seehofer in einem Fall schärfere Gesetze fordert, im anderen aber nicht.

Die einzige Relation ist, dass es einen zeitlichen Bezug gibt. Aber als Straftaten lassen sich die Fälle nicht vergleichen. Allein wenn Sie sich die Vorwürfe ansehen: In Bottrop geht es um versuchten Mord, Menschen wurden lebensgefährlich verletzt. Das ist etwas ganz anderes. Die Amberger Opfer haben alle glücklicherweise wohl keine bleibenden Schäden davongetragen. Einer musste stationär behandelt werden, konnte das Krankenhaus dann aber wieder verlassen, um mit Freunden Silvester zu feiern. Darüber bin ich sehr froh.

Medial sorgte dann vor allem die Rede von vermeintlichen Bürgerwehren für Aufregung.

Die Gruppierung ist alles andere als das, was man sich unter einer klassischen Bürgerwehr vorstellt. Ich sehe es momentan eher als Imagekampagne der NPD.

Wie kam dann Ihre Aussage zustande, in der Stadt würden Gruppen "pa­t­rouillie­ren"?

Mir ist von Bürgern davon berichtet worden. Vier oder fünf NPD-Anhänger sind aus Nürnberg angereist, ich habe auch die Bilder auf Facebook gesehen.

Nun werden Sie als Experte gehandelt und im "heute-journal" gefragt, was Sie in Sachen Integration anders machen würden.

Das ist natürlich Stress pur, live vor einem Millionenpublikum zu sprechen. Egal was man sagt, man wird jede Menge Mails kriegen. Also versuche ich, sachlich und authentisch zu sein. Aber es ist nicht so, dass das für mich die einmalige Chance gewesen wäre, über diese Themen zu sprechen. Auch beim Städtetag oder in meiner Partei, der CSU, vertrete ich, was mir wichtig ist.

Was ist Ihnen denn wichtig?

Dass man erstens klar sagt, was man von Asylbewerbern erwartet, dass es Regeln und No-gos gibt. Aber dann zweitens eben auch das C in CSU, das Christliche: Unser Land hat sich der Humanität verpflichtet. Es ist eine Aufgabe, Schutzbedürftige aufzunehmen. Daraus folgt, dass man die Integration gut gestalten muss. Das ist viel Arbeit, aber wichtig. Und drittens ist mir wichtig, dass wir darüber hinaus einen Fachkräfte-Zuzug brauchen. Hardware-Entwickler etwa, um jetzt ein Beispiel zu nennen, die brauchen wir.

Sie haben selbst Kinder. Raten Sie ihnen jetzt zu besonderer Vorsicht in Amberg?

Es hat sich nichts verändert daran, was ich meinen Kindern sage oder wie ich mich in der Stadt fühle. Wenn man Kinder hat, ist man immer vorsichtig.

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