Altötting:Nach Bauarbeiter-Protest: Neue Hoffnung für Afghanen ohne Arbeitserlaubnis

Altötting: Damit ihr afghanischer Kollege bleiben darf, haben die Bauarbeiter demonstriert.

Damit ihr afghanischer Kollege bleiben darf, haben die Bauarbeiter demonstriert.

(Foto: S. Schedl/Firma Strasser)
  • Das Landratsamts Altötting hat Tavus Qurban aus Afghanistan die Arbeitserlaubnis entzogen.
  • Seine Kollegen haben deswegen für den Asylbewerber demonstriert.
  • Qurbans Anwalt will den Behörden beweisen, dass sich sein Mandant ernsthaft um Papiere bemüht hat.

Von Dietrich Mittler

Geht es nach der Schweizer Online-Zeitung watson.ch, so ist Tavus Qurban "der bekannteste Flüchtling Europas", und das aus einem einzigen Grund: Am vergangenen Freitag hatten die Mitarbeiter des Bauunternehmens Strasser mit Hauptsitz in Gilching an gut 30 Baustellen aus Solidarität für ihren afghanischen Kollegen die Arbeit niedergelegt. Sie protestierten damit gegen die Entscheidung des Landratsamts Altötting, Tavus Qurban die Arbeitserlaubnis zu entziehen. Der, so argumentiert die Behörde, habe bei der Passbeschaffung nicht ausreichend mitgewirkt. "Wir stehen hinter dir", stand am Freitag auf den Protest-Transparenten.

Das Foto der Bauarbeiter, die sich bei ihrem als ebenso "fleißig" wie "beliebt" beschriebenen Kollegen unterhaken, geht derzeit um die Welt - via Facebook, aber auch durch viele Presseveröffentlichungen.

"Die Protestveranstaltung seiner Kollegen hat ihm einen Schub gegeben", sagt die Neuöttinger Asylhelferin Martha Wittmann. Sie war am Dienstagmorgen bereits mit dem 24-Jährigen auf dem Sozialamt. Tavus Qurban, der seit viereinhalb Jahre in Bayern als Bauarbeiter seinen Lebensunterhalt selbst finanzierte, droht nun zum Sozialfall zu werden.

Nach Ansicht des Bayerischen Flüchtlingsrat ist der Fall Qurban kein Einzelfall. "Betroffen sind viele junge, gut integrierte Afghanen, die täglich ihre Abschiebung befürchten müssen", sagen die Mitarbeiter des Flüchtlingsrats, das beobachteten sie bereits seit Längerem.

"Die Bundesregierung und die bayerischen Behörden machen ihre seit Monaten anhaltenden Drohungen ernst und versuchen derzeit, afghanische Geflüchtete unter Druck zu setzen, indem sie Arbeitsverbote erteilen, Aufenthaltsdokumente nicht verlängern und sie dadurch zur Passbeschaffung drängen."

"Überführung in lebensbedrohliche Zustände"

Im Innenministerium wird kein Hehl daraus gemacht, dass es Flüchtlinge ohne Aufenthaltserlaubnis "auch nach Afghanistan zurückführen will - wenn es möglich ist", sprich wenn die nötigen Papiere vorliegen. Bereits im September 2012, sagt ein Sprecher des Ministeriums, habe die Innenministerkonferenz festgestellt, "dass die Sicherheitslage in einigen Regionen Afghanistans eine Rückkehr ausreisepflichtiger Afghanen erlaubt".

Aus Sicht der Landtags-Grünen ist diese letztlich von Bundesinnenminister Thomas de Maizière vorgegebene Linie schlicht inhuman. Es sei "unredlich, von Krieg und Terror geplagte Länder einfach als sicher zu erklären". Für die Betroffenen bedeute das eine "Überführung in lebensbedrohliche Zustände". Und was Tavus Qurban betreffe, gelte es jetzt, eine menschliche Lösung zu finden. "Sein hoher Integrationswille muss anerkannt werden", fordert die Abgeordnete Christine Kamm.

In diesem Jahr wurden aus Bayern bislang 16 Afghanen abgeschoben, so die Auskunft des Innenministeriums. Zum konkreten Fall Qurban werde man nichts sagen. Auch eine Sprecherin des Sozialministeriums erklärt, ihr Haus äußere sich generell nicht zu Einzelfällen. Qurban sei dem Ministerium nicht einmal bekannt, "da er nicht durch uns untergebracht ist und auch keine Leistungen erhält".

Stefan Birnbacher, der Chef der Baufirma Strasser, gibt sich optimistisch, dass sein afghanischer Mitarbeiter in Bayern auch weiterhin sein Geld selbst verdienen kann. "Wir bleiben dran", sagt er, "der Arbeitsvertrag mit Herrn Qurban besteht ja weiter - auch wenn er momentan nicht arbeiten darf".

Ohne Geburtsurkunde keinen Pass

Aus dem Landratsamt heißt es indes, die Behörde habe im Fall Qurban gar nicht anders handeln können. "Das ist eine Entscheidung, bei der wir keinerlei Spielraum hatten", sagt ein Sprecher. Seit 2013 habe man Qurban aufgefordert, einen Pass zu beantragen. "Das ist aber nicht geschehen", heißt es. Deshalb habe man ihm - dem Gesetz entsprechend - die Arbeitserlaubnis entziehen müssen.

Im Nachsatz betont der Sprecher allerdings auch: "Es würde uns ja reichen, wenn er nachweisen könnte, dass er im Konsulat war und die Papiere beantragt hat." Qurbans Rechtsanwalt Felix Briesenick will diesen Nachweis nun erbringen. Eine Zeugin hat er in der Asylhelferin Martha Wittmann. "Ich war seit April 2013 sogar des Öfteren mit ihm in dieser Sache auf dem afghanischen Konsulat in München", sagt sie.

Dort hätten die Mitarbeiter gesagt: "Hast du keine Tazkira (eine Art Geburtsurkunde), dann kriegst du auch keinen Pass." Die Tazkira wiederum sei lediglich in Afghanistan zu bekommen. Tavus Qurban hat dort aber keine Angehörigen mehr, sie leben seit Jahren in Australien. "Wie soll er da an eine Tazkira kommen?", fragt sich Martha Wittmann.

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