Allgäu:Stadt verteidigt Heimatforscher mit Nazi-Begeisterung

  • In Kempten forderte eine Initiative, die nach einem früheren Heimatforscher benannte Knussertstraße umzubenennen.
  • Richard Knussert äußerte selbst in der Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges Bewunderung für Adolf Hitler und das Dritte Reich.
  • Die Stadt sieht keine Notwendigkeit, die Straße umzubenennen.

Von Christian Rost, Kempten

Der frühere Heimatforscher und Lehrer am Gymnasium Kempten, Richard Knussert, hat sich zweifellos verdient gemacht. Eine seiner Leidenschaften war die Erforschung der Römerstraße im südlichen Schwaben. Daneben bewunderte er allerdings selbst in der Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkrieg etwas, was dem sittlich gebotenen und geschichtspolitisch angemessenen Gedenken an die Millionen Opfer des Nazi-Regimes völlig konträr entgegen steht: Adolf Hitler und das Dritte Reich. Und dennoch ist eine Straße in Kempten nach dem 1966 im Alter von 59 Jahren verstorbenen Mann benannt - die Knussertstraße. Während die Stadt keine Notwendigkeit sieht, die Straße umzubenennen, tritt eine Initiative von ehemaligen Schülern Knusserts dafür ein, den Namen aus dem öffentlichen Raum zu tilgen.

Zum Beispiel Georg Karg, emeritierter Professor für Wirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München, und der Augsburger Theologe Michael Mayr. Sie haben, wie andere ehemalige Schüler des Kemptener Gymnasiums auch, eine Stellungnahme zur öffentlichen Ehrung von Richard Knussert an das Rathaus der Stadt im Allgäu geschrieben und darin ihre Erfahrungen mit dem NS-Apologeten während ihrer Schulzeit Ende der Fünfziger- und Anfang der Sechzigerjahre detailliert beschrieben. Der Geschichtslehrer habe sie mit seinen rhetorischen Fähigkeiten "sehr lebensnah durch alle Epochen" geführt. Bemerkenswerterweise habe er im Unterricht auch keinen Bogen um die Nazi-Zeit gemacht. Dass sich damals ein Lehrer überhaupt mit dem Thema befasste, überraschte die Schüler. Jedoch wurde rasch deutlich, dass sich Knussert nicht kritisch damit auseinandersetzte, sondern in Erinnerungen schwelgte.

Karg und Mayr berichten, dass Knussert als junger Studienrat zum Gaukulturwart im Gau Schwaben befördert worden war. Während des Krieges war er für das Reichspropagandaministerium tätig. Bis Kriegsende diente er anschließend bei einer Sonderkompanie in Finnland, danach folgte die Entnazifizierung. Erst 1950 konnte er wieder in den Schuldienst nach Bayern zurückkehren. Die Entnazifizierung hat bei ihm nicht gefruchtet. "Er hatte sich nicht geändert und sich über die Amerikaner lustig gemacht", erinnert sich Michael Mayr.

Im Unterricht habe er das NS-Regime unverhohlen verteidigt. Hitlers Machtergreifung sei alternativlos gewesen, der Zweite Weltkrieg Deutschland von missgünstigen Gegnern aufgezwungen worden. Knussert soll auch gesagt haben, dass die Judenvernichtung nicht stattgefunden habe. Das sei "üble Siegerpropaganda der Engländer gewesen". Für Hitler habe der Lehrer die allergrößte Bewunderung gehegt, von ihm sprach er "mit verklärtem Blick wie von einer Heiligenerscheinung".

Im Kempten will man sich dennoch nicht von Knussert distanzieren. Oberbürgermeister Thomas Kiechle (CSU) erklärt in einer Stellungnahme, dass es "keine belastbaren Anhaltspunkte" gebe, die des Heimatforschers Verdienst derart relativeren und schmälern könnten, dass eine Umbenennung der Straße angezeigt wäre. Laut Entnazifizierungs-Bescheid sei er als Mitläufer eingestuft worden. Würde man in solchen Fällen Straßen umbenennen, so Kiechle weiter, müsste man das bundesweit bei nahezu allen nach Personen der Geburtsjahrgänge von 1890 bis 1920 benannten Straßen tun.

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