AKW Gundremmingen:Zwölf Seiten für den Ernstfall

Was wäre wenn? Mit einer kleine Broschüre informiert das Kernkraftwerk Gundremmingen die Anwohner über die Sicherheitsvorkehrungen. Beruhigend wirken die Anweisungen aber nicht.

Stefan Mayr

Das entscheidende Signal ist ein einminütiger, auf- und abschwellender Heulton. Wenn er ertönt, ist klar: Eine Katastrophe ist passiert, die Menschen sollten schnellstmöglich das Radio einschalten und auf Durchsagen achten. So steht es in einer Broschüre, die das Atomkraftwerk Gundremmingen im Juni 2008 an alle Haushalte verteilt hat, die innerhalb eines Zehn-Kilometer-Umkreises um die zwei Reaktoren liegen.

Atomkraftwerk

Blick in den den offenen Reaktor des schwäbischen Kernkraftwerkes Gundremmingen.

(Foto: dpa)

In dem zwölfseitigen Heft sind konkrete Anweisungen enthalten für Schutzmaßnahmen im eigenen Haus sowie für den Fall einer Evakuierung. So erfahren die Bürger, an welchen Ort sie sich im Fall einer Räumung begeben müssten. Diese Anweisungen sind allerdings nicht frei von Widersprüchen.

Einerseits ist der Zehn-Kilometer-Kreis in zwölf Sektoren aufgeteilt, jedem Sektor wird ein bestimmter "Aufnahmebereich" zugeordnet. So sollen beispielsweise die Einwohner von Günzburg auf dem Messegelände Augsburg untergebracht werden, die Menschen in Burgau sollen wiederum nach Aalen in Baden-Württemberg kommen. Andererseits heißt es in der Broschüre: "Die Evakuierung erfolgt grundsätzlich in Aufnahmegebiete, die entgegen der Windrichtung in sicherer Entfernung zum Kernkraftwerk liegen." Die "konkreten Evakuierungsstraßen" würden "im Ereignisfall" bekannt gegeben. Mit anderen Worten: Je nach Windrichtung ist der Evakuierungsplan Makulatur.

In der Broschüre steht auch: "Jahrzehntelange Erfahrung hat die Beherrschbarkeit, Sicherheit, Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit der Atomtechnologie unter Beweis gestellt." Dass dennoch detaillierte und umfangreiche Pläne für den Katastrophenfall erstellt wurden, sei "kein Widerspruch in sich", wie es heißt. Denn "das Ziel und die Aufgabe des Katastrophenschutzes" sei, "das Restrisiko eines Unfalls" so gering wie möglich zu halten. Dass die Gefahr bei einem GAU in Gundremmingen weitreichend wäre, zeigt die Liste der für den Katastrophenschutz zuständigen Behörden: die Regierung von Schwaben, die Regierungspräsidien in Stuttgart und Tübingen sowie die Landratsämter in Günzburg, Dillingen und Heidenheim.

Gemäß der Strahlenschutzverordnung sind die Betreiber von Atomkraftwerken verpflichtet, im Abstand von fünf Jahren alle Anwohner über das richtige Verhalten im Ernstfall zu informieren. Für den Fall, dass den Bürgern empfohlen wird, in ihren Häusern zu bleiben, gibt das Heft ebenfalls Anweisungen: Die Fenster und Türen sollen "möglichst dicht" verschlossen werden, man solle sich "möglichst im Keller" aufhalten, Obst und Gemüse aus dem Garten seien zu "meiden".

Leitungswasser könne dagegen "unbesorgt" getrunken werden, "da die Wasserwerke überwacht werden". Jeder unnötige Aufenthalt im Freien sei zu "vermeiden", allerdings könne es sein, dass per Rundfunk die Einnahme von Jodtabletten empfohlen werde. Diese seien in Apotheken und Feuerwehrgerätehäusern abzuholen.

Auf eine "besondere Bitte" weist das Heftchen mehrmals hin: "Benutzen Sie nur im äußersten Notfall den Notruf 110 oder 112!", steht da. "Sie würden nur diese Rufnummer blockieren und die Arbeit der Hilfskräfte blockieren."

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