Bayerische Agrarministerin:"Grad gut ist's, dass Kaniber bisher nichts mit der Landwirtschaft zu tun hatte"

Bayerns neue Agrarministerin, Michaela Kaniber, reiht seit Wochen einen Termin an den anderen.

Seit Wochen reiht sich bei Michaela Kaniber ein Termin an den anderen.

(Foto: Ernst Wukits/Imago)

Die neue Agrarministerin Michaela Kaniber hat sich mit ihrer resoluten Art schnell Respekt verschafft - auch in der Altherrenriege der CSU.

Von Christian Sebald, Teisendorf

Es ist einer dieser strahlend blauen Frühlingstage. Auf den Weiden im oberbayerischen Rupertiwinkel malmen die Kühe Gras in sich hinein, auf den Feldern wird geackert. Im Landgasthof Gut Edermann bei Teisendorf scharen sich Biobauern, Bürgermeister und andere Honoratioren um eine junge Frau im Dirndl: die neue bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU). Sie sind alle in Feierlaune, weil Kaniber als eine ihrer ersten Amtshandlungen das Öko-Programm, mit dem der Freistaat seine Biobauern sponsert, um drei Jahre verlängert.

Außerdem sind im Rupertiwinkel alle ein bisschen Minister geworden, denn Kaniber ist hier in der Gegend daheim. "Es tut mir ja so gut, hier bei euch zu sein", schmeichelt Kaniber ihrem Publikum. "Ihr seids die Bauern, die wir brauchen." Die Grünen-Politikerin Gisela Sengl, die ebenfalls aus der Region stammt und auch nach Teisendorf gekommen ist, stimmt in den Frühlingschor mit ein, als sei sie CSU-Mitglied: "Ja, so ist die Michaela Kaniber: konservativ, bodenständig und lebensnah. Und sie kann sehr gut mit den Leuten umgehen."

Acht Wochen ist es her, dass Ministerpräsident Markus Söder Kaniber zur Agrarministerin gemacht hat. Sie ist gewissermaßen seine Auftragsbäuerin. Außer dass sie vom Land kommt, hatte Kaniber bisher nichts mit Landwirtschaft zu tun. Null Hektar Wald, null Hektar Wiese und null Ahnung von der aberwitzigen Agrarbürokratie. Im Ministerium und draußen in den Landwirtschaftsämtern, aber auch bei den Bauernverbänden mussten sie erst einmal googeln, wer die neue Ministerin ist.

Kaniber, 40, gelernte Steuerfachangestellte, gehört erst seit 2013 dem Landtag an. Ihr Terrain war die Sozial- und Wissenschaftspolitik. Aber jetzt muss sie sich mit dem EPLR Bayern und der Frage der Energieeffizienz als Primäreffekt im Zielkatalog der MSF herumschlagen. Kann das gut gehen? Womöglich schon.

Das hat auch damit zu tun, dass Michaela Kaniber in Bayrisch Gmain daheim ist, einem 3000-Einwohner-Dorf im Berchtesgadener Land. Sie spricht die Sprache der Leute auf dem Land, ähnlich dem Ilse-Aigner-Sound: bairisch, direkt, unverblümt. Ihre Eltern sind aus Kroatien zugewandert, in Bayrisch Gmain haben sie viele Jahre einen Gasthof geführt.

In der Partei fiel sie erst nach der Wahl auf

Nach ihrer Ausbildung hat Kaniber erst in einer Steuerkanzlei und später im Hotel ihrer Schwester in Bad Reichenhall gearbeitet. Mit ihrem Mann, einem Polizeibeamten, hat sie drei 18, 17 und 14 Jahre alte Töchter. Zur Politik und in die CSU kam sie vor gut 15 Jahren - "durch den Streit um die richtige Kinderbetreuung", wie sie sagt.

Im Maximilianeum ist Kaniber, anders als daheim, eher weniger aufgefallen. Dann kam die Bundestagswahl 2017, bei der die CSU historisch schlechte 38,8 Prozent holte. Kurz darauf machte Kaniber, die bei allem Charme sehr resolut auftreten kann, Ministerpräsident Horst Seehofer verantwortlich für die massiven Verluste - vor der versammelten Fraktion. Und sie plädierte offen für einen Neuanfang, mit Söder als Ministerpräsident.

Das war ein Tabubruch: Ausgerechnet eine Frau aus der Oberbayern-CSU machte sich für einen Ministerpräsidenten aus Franken stark. Kanibers Kritik an Seehofer war eines der ersten Löcher in dessen Bollwerk. Danach hieß es in der CSU: Der Job als Ministerin sei Söders Belohnung für ihre frühe Attacke gegen Seehofer gewesen.

Kaniber ficht das nicht an. Man könnte auch sagen: Das Gerede ist ihr wurscht. Seit acht Wochen reiht sie Termin an Termin. Sie empfängt die Bierkönigin. Sie prämiert Genussorte. Sie besucht den Bratwurstgipfel im fränkischen Pegnitz. Nun kann man sich leicht über solche Termine lustig machen. Aber da wird Kaniber gleich bestimmt. "Das sind alles Dinge, die den Leuten wichtig sind", sagt sie. "Jeder Termin hat mit Menschen zu tun, die hart arbeiten und sich engagieren. Das will ich anerkennen und belohnen."

Junge Frauen werden in der CSU gern unterschätzt

Eine wie sie wird schon mal unterschätzt, vor allem in der CSU, einer Partei, die sich mit jungen und selbstbewussten Frauen oft noch schwer tut. Aber Kaniber kann zurückschlagen. Einer ihrer ersten großen Auftritte war der Landesjägertag in Veitshöchheim, den sie mit Söder absolvierte. Jägerpräsident Jürgen Vocke, 75, der lange Jahre für die CSU im Landtag saß, verlieh seiner Freude über die neue Ministerin auf Altherrenmanier Ausdruck: Als Kaniber vor der Halle aus ihrer Limousine stieg, tätschelte er sie am Kopf. Später fasste er ihr ans Kinn, als habe er seine Enkelin vor sich. Und in seiner Ansprache äußerte er so penetrant seine Begeisterung über "unsere junge, hübsche Ministerin", dass sich einige im Saal fremdschämten.

Kaniber reagierte souverän. "Meine Damen und Herren, sie haben einen bestgelaunten Ministerpräsidenten gesehen", hob sie nach Vockes Ansprache zu ihrem Grußwort an. "Danach haben Sie eine Realsatire von Herrn Vocke erlebt. Und zu den jagdpolitischen Themen spricht nun eine Frau zu ihnen." Der Saal tobte, mit einem Schlag hatte Kaniber die 700 Jäger auf ihrer Seite. Und in der CSU sprechen sie seither achtungsvoll davon, mit welcher Stärke Kaniber die Situation gemeistert habe.

Diese Stärke wird Kaniber noch oft brauchen. So engagiert, wie sie sich in ihr Ministeramt stürzt, erinnert sie an ihre Parteifreundin, die Ex-Umweltministerin Ulrike Scharf. Wie Kaniber war auch Scharf eine Quereinsteigerin, die kaum einer kannte, als sie 2014 ins Kabinett kam. Und von Naturschutz und Umweltpolitik hatte die Diplomkauffrau aus Erding bei ihrer Berufung ebenfalls keine Ahnung. Aber wie Kaniber ging Scharf offen auf die Leute zu - nicht nur auf Umweltschützer, sondern auch auf Bauern, Kommunalpolitiker und andere, die dem Naturschutz bisweilen skeptisch gegenüberstehen.

Vor allem aber bezog Scharf klare Positionen, in den Streitereien um den Schutz der Bergwelt oder um einen dritten Nationalpark. So erwarb sie sich zwar schnell die Achtung der Naturschützer und der Expertenwelt, zog sich aber Feinde in der CSU zu. Darunter war dummerweise auch Fraktionschef Thomas Kreuzer. Scharf musste bei Söders Kabinettsumbildung gehen, obwohl sie fachlich unangefochten war. Kaniber, so heißt es jetzt, müsse aufpassen, dass es ihr nicht einmal ähnlich ergehe.

Die Bauern indes sind angetan von ihrer Ministerin. Zwar gibt es den einen oder anderen Skeptiker. So lästerte der Biobauer und Agrar-Aktivist Stephan Kreppold, ihre Berufung sei ein Signal, "dass man die Bedeutung der Landwirtschaft inzwischen mehr unter ferner liefen ansiedelt" - eben weil Kaniber fachfremd ist.

"Ihre Grundeinstellung stimmt"

Aber die Mehrheit sieht das anscheinend anders. Walter Heidl, der Chef des Bayerischen Bauernverbands, rühmt, "wie offen und unvoreingenommen Kaniber an ihre Aufgabe herangeht". Schon beim ersten Treffen habe er gespürt: "Ihre Grundeinstellung stimmt."

Das wird auf Dauer aber nicht reichen, denn in Bayern ist die Landwirtschaft massiv unter Druck. Massentierhaltung, Glyphosat und andere Pflanzenschutzmittel, der massive Einsatz von Gülle und das Insektensterben - all das sorgt im Freistaat für Kontroversen zwischen Erzeugern und Verbrauchern. Kaniber wird wie Scharf Position beziehen müssen. Zwar hat sie nach dem Amtsantritt verkündet, dass sie sich schützend vor die Landwirte stellen wolle. Aber zugleich will sie für einen schnellen Verzicht auf Glyphosat eintreten, sie verspricht mehr Grundwasserschutz, sie bekennt sich zu einem staatlichen Tierwohllabel, und sie will die Artenvielfalt fördern.

Bei den Biobauern im Rupertiwinkel kommt sie jedenfalls an. Einer von ihnen ist Andreas Remmelberger. "Grad gut ist's, dass Kaniber bisher nichts mit der Landwirtschaft zu tun hatte", sagt er. "Sie muss jetzt halt ernst machen mit ihren Bekenntnissen zu uns Bauern. Dann haben wir eine gute Zukunft." Ob Kaniber eine gute Zukunft in der CSU hat, ist eine andere Frage. Doch eins steht schon mal fest: Nicht nur Oberjäger Vocke hat jetzt Respekt vor ihr.

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