Agrarministerin bei Bauernversammlung:Eine Rohrzange für Ilse Aigner

Seit Bundesagrarministerin Ilse Aigner angekündigt hat, in die Landespolitik zu wechseln, sind die Erwartungen immens. Bei der Bauernversammlung gibt sie sich betont staatstragend - bei der letzten Wahl hatten die Landwirte der CSU die Gefolgschaft verweigert. Von den Bauern gibt es dafür jede Menge Werkzeug.

Christian Sebald

Landesversammlung des Bayerischen Bauernverbandes mit Bundesagrarministerin Aigner

Das ist der Hammer: Bauernverbandspräsident Walter Heidl überreicht Agrarministerin Ilse Aigner einen Präsentkorb - gefüllt unter anderem mit Werkzeug, das ihr beim Bearbeiten der Kollegen in Brüssel und Berlin helfen soll.

(Foto: dapd)

So sind die Bauern: Bevor Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) am Montag von der Herbstversammlung des Bauernverbands (BBV) in Herrsching zum Flughafen entschwinden darf, gibt ihr Bauernpräsident Walter Heidl einen Werkzeugkasten mit auf den Weg.

Darin liegen ein schwarz glänzender Hammer, damit Aigner "in Berlin und Brüssel auf den Tisch hauen kann", ein starker Bohrer, der ihr "beim Bohren der dicken Bretter bei der EU-Kommission" nützliche Dienste erweisen soll, und eine Rohrzange für "Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, wenn der wieder mal das Geld für die Bauern kürzen will". Ilse Aigner, die schon sichtlich in Zeitnot ist, nimmt's gelassen. Sie bedankt sich artig und posiert geduldig mit dem Bauernpräsidenten für das obligatorische Foto, das der BBV demnächst in all seinen Medien verbreiten wird.

Es ist eine schwierige Gratwanderung, die Ilse Aigner in diesen Wochen in Bayern absolviert. Seit sie Mitte September angekündigt hat, dass sie zur Landtagswahl 2013 in die Landespolitik wechselt, sind die Erwartungen immens. Nicht nur, dass die 47-jährige Oberbayerin seither als Anwärterin für die Nachfolge von Horst Seehofer gehandelt wird, sollte der sich einmal zum Rückzug entscheiden - egal ob von der Spitze der CSU oder vom Amt des Ministerpräsidenten.

Aigner selbst versprach, dass sie die "Scharte auswetzen" wird. Die Scharte, das ist für Aigner der historische Stimmenverlust, den die CSU bei der Landtagswahl 2008 eingefahren hat, als sie nur noch 43,4 Prozent der Wählerstimmen holte und in die Koalition mit der FDP gezwungen wurde.

All das schwingt nun automatisch mit, wenn Aigner irgendwo in Bayern auftritt. Ganz besonders schwingt es aber mit, wenn sie vor Landwirten spricht. Denn es waren die Bauern, die bei der Landtagswahl vor vier Jahren der CSU in Scharen die Gefolgschaft aufgekündigt haben und zu den Freien Wählern gewechselt sind. Und mit den Bauern machten deren Frauen, Kinder und die anderen Familienangehörigen in den ländlichen Regionen ihr Kreuz nicht mehr bei der CSU, wie sie das all die Jahrzehnte davor in unverbrüchlicher Treue zu der Partei getan hatten.

"Ohne Not eine Debatte vom Zaun gebrochen"

In Herrsching ist noch nicht auszumachen, ob Aigner diese "Scharte" wirklich auswetzen können wird. Denn hier spricht sie nicht als die Hoffnungsträgerin der CSU. Hier verteidigt sie als Bundesagrarministerin Kompromisse und rechtfertigt Entscheidungen, für welche die Bauern wenig Verständnis haben.

Zum Beispiel für den zusätzlichen Umweltschutz, den die Landwirte leisten werden müssen, wenn sie künftig Zahlungen der EU bekommen wollen. Oder für die Verschärfung des Tierschutzes - "da hat unsere Ministerin ohne Not eine Debatte vom Zaun gebrochen, die es in keinem anderen EU-Staat gibt", schimpft ein Kreisobmann. Auch im Streit über den Antibiotika-Einsatz in der Tiermast, das Ausbringen der Gülle auf Wiesen und Feldern, den Flächenfraß und anderes mehr befürchten die Landwirte, dass lauter Verschlechterungen auf sie zukommen. So groß ist ihre Verärgerung, dass sie ihr unlängst per offenem Brief und Postkartenaktion an Aigner freien Lauf gelassen haben.

Blazer statt Dirndl

Aigners Auftritt ist denn auch sehr ernsthaft und betont sachlich. Wer sie im gewohnten Dirndl und mit dem typischen strahlenden Lächeln erwartet hatte, wird enttäuscht. Die Ministerin trägt Grau und Schwarz und gibt sich betont staatstragend. Mit leiser, konzentrierter Stimme arbeitet sie Punkt für Punkt ab, von den gescheiterten Verhandlungen über den neuen EU-Etat bis zum Streit um die Ferkelkastration.

Dann macht sie den Bauern klar, welches Füllhorn EU, Bund und Land über sie ausschütten. "Von den 2,93 Milliarden Euro, die pro Jahr an die Bauern und die ländlichen Regionen in Bayern gehen, stammt fast die Hälfte vom Bund", ruft sie der Versammlung zu. "Weitere 43 Prozent fließen aus den Töpfen der EU, sie werden also indirekt vom Bund mitfinanziert." Dieses Geld, so die Ministerin, gelte es für die Zukunft zu sichern - in der EU, im Bund und im Freistaat. Schließlich sei die Landwirtschaft eine Schlüsselbranche für Bayern - jeder achte Arbeitsplatz hängt direkt oder indirekt von ihr ab. Dies solle auch so bleiben.

"Um die bäuerlichen Strukturen zu erhalten, werde ich mich weiter mit ganzer Kraft für die Interessen der Landwirtschaft einbringen - in Bayern, Berlin und Brüssel", ruft Aigner den Bauern zum Schluss noch zu.

Die spenden der Ministerin dann durchaus freundlichen, wenn auch ein wenig verhaltenen Applaus. Der Kreisobmann Johann Siedersberger bringt in der abschließenden Aussprache die Stimmung auf den Punkt. "Sie sind ja hier heute als Bundesagrarministerin bei uns", sagt der Ackerbauer und Schweinezüchter aus dem niederbayerischen Niederalteich. "Nächstes Jahr, da wollen Sie ja in die Landespolitik. Jetzt schauen wir halt amal, was bis dahin alles passiert. Dann werden wir's schon sehen."

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