Affäre um Joachim Wolbergs:Ende der Regensburger Herrlichkeit

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Joachim Wolbergs war einer der wenigen Hoffnungsträger der bayerischen SPD. Bis gestern. Nun könnte die Parteispenden-Affäre dem Regensburger Oberbürgermeister den Boden unter den Füßen wegziehen.

Von Andreas Glas, Olaf Przybilla und Wolfgang Wittl, München /Regensburg

Es ist Mittwoch, 16.15 Uhr, als der Oberbürgermeister sein Schweigen bricht. Er setzt sich hinter die Mikrofone, er ist müde. Er sagt das nicht, aber das sagen seine Augen. "Das ist ein Verdacht, der mich trifft", sagt Joachim Wolbergs. Wie es jetzt weitergeht? "Ganz normal. Wir werden die Staatsanwaltschaft bei allem unterstützen, was sie braucht." Und der Verdacht, der jetzt auf ihm lastet? "Das muss ich aushalten."

Rund 24 Stunden zuvor war Wolbergs noch einer der wenigen Hoffnungsträger der bayerischen SPD. Nun aber sieht es aus, als ob es ihm den Boden unter den Füßen wegziehen könnte. Da ist die Ehefrau des Oberbürgermeisters zugleich die Kassenprüferin des Oberbürgermeisters und der Kassenprüfer dieser Ehefrau ist wiederum der Oberbürgermeister.

Es geht um Hunderttausende Euro, die in der Kasse des Oberbürgermeisters gelandet sind, offenbar ohne echte Kontrolle - und offenbar ohne dass sich die Regensburger SPD darum geschert hat. "Wir waren einfach nur schwer begeistert, dass der OB so viele Spenden auftreibt", heißt es aus der Partei. So begeistert offenbar, dass keiner das System Wolbergs stoppen wollte.

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Seit Dienstag steht Wolbergs unter Verdacht, in den vergangenen drei Jahren mehr als 500 000 Euro von drei Bauunternehmern angenommen zu haben. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft, ob Wolbergs im Gegenzug zugunsten der Spender Einfluss auf die Vergabe von städtischen Bauaufträgen genommen hat. Die Spenden sollen in Teilbeträgen von weniger als 10 000 Euro geflossen sein, um die Identität der Großspender zu verschleiern. Denn erst bei einer Spende von mehr als 10 000 Euro muss der Name des Spenders im Rechenschaftsbericht der Partei öffentlich gemacht werden.

Wurde Wolbergs geschmiert? Er sagt: nein. "Solange ich lebe, hat es nicht einmal den Versuch gegeben, mich kaufen zu wollen. Und ich habe noch nie etwas getan, weil jemand etwas gespendet hat. Nie." Wer sich auf die Suche macht nach dem SPD-Ortsverein Süd, in dessen Kasse das Geld geflossen sein soll, der landet zunächst auf der Internetseite des SPD-Unterbezirks Regensburg, wo alle 13 Ortsvereine aufgelistet sind, samt Namen und Fotos der Funktionäre. Vorsitzender, Kassier, Schriftführer, Revisoren und so weiter.

Der einzige Verein, der keinen einzigen Funktionär auflistet, ist: der Ortsverein Süd. Um mehr zu erfahren, muss man direkt auf die Homepage dieses Vereins gehen. Doch auch dort stehen weder der Name des Schriftführers noch die Namen der Revisoren, dort stehen nur zwei: Joachim Wolbergs, Vorsitzender, und dessen Ehefrau Anja Wolbergs, Kassier. "Ein kleiner Ortsverein, der durch Tätigkeiten nicht besonders aufgefallen ist", sagt ein SPD-Mitglied aus dem Nachbarverein. Ein Verein, der nur dafür da war, die fragwürdigen Parteispenden unkontrolliert anzuhäufen?

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Nein, sagt Wolbergs. Er habe die Parteispenden nur deshalb, auf dem Konto des Ortsvereins gesammelt, "weil ich so den Wahlkampf besser steuern kann". Außerdem sei es hierzulande doch normal, dass eine Partei Spenden sammle, "das machen alle, so auch wir". Er bestreite zwar nicht, "dass der Ortsverein Süd immens viel Geld für den Wahlkampf bekommen hat", sagt Wolbergs. Doch wisse er einerseits nichts von einer Stückelung der Spenden, und außerdem "ist jede Spende ordnungsgemäß und in gleicher Weise verbucht worden".

Buchhalterisch in Ordnung - aber moralisch?

Doch genau um diese Frage geht es: Ist das, was buchhalterisch in Ordnung sein mag, auch moralisch in Ordnung? Hätte Wolbergs, der immer seine Transparenz betont, der Öffentlichkeit mitteilen müssen, dass drei Baufirmen den OB sponsern? Immerhin geht es um Firmen, die in der Vergangenheit einen Großteil der städtischen Bauaufträge erhalten haben. "Wir haben uns schon gewundert, warum immer die gleichen drei, vier Bauträger zum Zuge kommen", sagt Stadtrat Christian Janele (CSB). "Jetzt weiß man es vielleicht."

In der SPD weiß dagegen offenbar niemand etwas. Die Regensburger Parteichefin Margit Wild weiß nur: "Joachim Wolbergs tut Regensburg unglaublich gut." Die Partei gibt sich überrascht, dabei ist der SPD-Landesverband dafür zuständig, die Parteispenden sämtlicher Ortsvereine zu kontrollieren. Ist es da nicht aufgefallen, dass die Spenden im Regensburger Süden ungewöhnlich hoch gewesen seien und noch dazu gestückelt? "Formaljuristisch war alles korrekt", heißt es aus dem SPD-Landesverband. Und die vielen Stückelungen? "Schauen Sie sich die anderen Parteien an. Es stückeln doch alle."

Die Bundes-SPD scheint da etwas kritischer zu sein. Wie Wolbergs bestätigt, habe der Bundesverband noch vor der OB-Wahl 2014 eine Prüferin in seinen Ortsverband geschickt - offenbar aufgeschreckt durch die hohen Spenden auf dem Konto. "Es ist ja klar, dass dieses große Vermögen eines Mini-Ortsvereins die Aufmerksamkeit im Willy-Brandt-Haus in Berlin auf sich zieht", sagt ein Regensburger SPD-Politiker, der schätzt, dass das Vermögen des Mini-Vereins fünfmal so hoch ist wie das des SPD-Stadtverbands.

Das Spendenkonto sei "so konzipiert gewesen, dass Joachim Wolbergs kraft eigener Herrlichkeit über das Geld verfügen konnte". Wer Geld brauchte, der habe direkt beim OB fragen müssen. Auf diese Weise habe er sich seine Parteigenossen gefügig gemacht, sagt der SPD-Politiker, der anonym bleiben möchte. Auffällig ist auch, dass die Parteispenden früher auf ein Konto des SPD-Stadtverbands flossen. Seit dem Wahlkampf 2013/14 hat der OB selbst die Kontrolle über die Spenden.

Auch die CSU staunte über die finanzielle Potenz des Gegners. Etwa 400 000 Euro stand ihrem Kandidaten Christian Schlegl im Wahlkampf zur Verfügung, Wolbergs habe sich auf eine Million Euro zubewegt, schätzt man in der CSU. Hochglanz-Magazine, Filme, seitenweise Zeitungsanzeigen. "Wir haben uns gewundert, wo das viele Geld herkommt", sagt Schlegl. OB Wolbergs wiederum kontert mit der Vermutung, dass die anderen Regensburger Parteien in ähnlicher Weise gesponsert wurden wie seine SPD. "Sie werden sich noch wundern", sagte Wolbergs mit Blick auf die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft.

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Und die Regensburger SPD hat wirklich nichts gewusst von den Großspenden? Nein, sagt einer, der in der Partei etwas zu sagen hat, "aber wir haben natürlich gesehen, wie Wolbergs Wahlkampf gemacht hat. Mit eigenem Wahlkampfbüro in Bestlage und Mitarbeitern, die bezahlt werden mussten. Und dann gab es vor der Wahl diese riesigen Feiern, da war die halbe Stadtgesellschaft eingeladen. Da hat keiner groß nachgefragt, wo das Geld herkommt. Es hieß nur: Der Wolbergs hat's halt."

Der Mann, der die Causa Wolbergs ins Rollen gebracht hat, sitzt derweil in einem Hotelzimmer in Singapur. Thomas Goger ist SPD-Landesschatzmeister und Gruppenleiter für Cyberkriminalität bei der Staatsanwaltschaft Bamberg. Im Moment hilft er im Dienst des Freistaats bei Interpol in Fernost aus. Er will nichts sagen zu dem Fall, außer: "Man kann es sich leider nicht aussuchen als Staatsanwalt, was einem so vor die Augen kommt." In dem Fall sei ihm das quasi privat vor Augen gekommen, als Teil seines Ehrenamts bei der Bayern-SPD, beim Prüfen des Rechenschaftsberichts eines Ortsvereins. Nachdem er sich die Sache angeschaut habe, sei eines für ihn nicht infrage gekommen: diesen Fall den Regensburger Kollegen vorzuenthalten. So was müsse er weiterleiten, da gebe es dienstlich keine Alternative. "Tue ich das nicht, dann spiele ich mit meinem Job."

Was wiederum den Job des Regensburger Oberbürgermeisters angeht, sagt Joachim Wolbergs: "Der Oberbürgermeister steht nicht zur Disposition."

© SZ vom 16.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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