Affäre Schottdorf:Justiz im Zwielicht

Untersuchungsausschuss Labor

Seit mehr als einem Jahr wühlt sich der Untersuchungsausschuss des Landtags durch eine äußerst komplizierte Materie.

(Foto: Matthias Balk/dpa)
  • In der sogenannten Laboraffäre geht es um ein betrügerisches Abrechnungssystem, mit dem Hunderte Ärzte gut verdient haben sollen.
  • Außerdem geht es um die brisante Frage, ob Justiz und Politik in Bayern ihre schützende Hand über die Ärzte und über den Augsburger Laborunternehmer Bernd Schottdorf gehalten haben.
  • Seit 15 Monaten beschäftigt sich der Untersuchungsausschuss "Labor" mit dem Fall - eine Liste einiger Merkwürdigkeiten, die der Ausschuss zutage gefördert hat.

Von Stefan Mayr

Es dauerte 28 Sitzungen oder 15 Monate, bis am Montagabend zwischen 18 und 19 Uhr auch die CSU eine Art Zweifel beschlich: Ihr Vertreter im Untersuchungsausschuss Labor runzelten erstmals die Stirn, angesichts der Vorgänge in der bayerischen Justiz. "Je länger wir zurückgehen, desto besser wird Ihr Gedächtnis", blaffte der Ausschuss-Vorsitzende Alexander König den Zeugen Wolfgang Natale an.

Der Augsburger Staatsanwalt war maßgeblich daran beteiligt, dass im Januar 2009 das Verfahren gegen Laborunternehmer und CSU-Mitglied Bernd Schottdorf und gegen Hunderte Ärzte eingestellt wurde. Der Ausschuss versucht zu klären, ob dabei die Politik ihre schützende Hand über den CSU-Parteifreund Schottdorf und seine Kunden aus der Ärzteschaft gehalten hat. Nachfolgend eine Liste einiger Merkwürdigkeiten, die der Ausschuss zutage gefördert hat.

Sonderprüfung plus Beförderung

Als im Jahr 2006 herauskam, dass ein Augsburger Staatsanwalt ausgerechnet von Schottdorf ein zinsgünstiges Privatdarlehen angenommen hatte, nahm die Generalstaatsanwaltschaft München in der Augsburger Behörde eine Prüfung vor. Alle Verfahren, an denen womöglich der Ermittler beteiligt war, wurden nachträglich unter die Lupe genommen. Am letzten Tag der Prüfung schlug Generalstaatsanwalt Christoph Strötz dem Augsburger Staatsanwalt Wolfgang Natale vor, er solle sich doch bei der Generalstaatsanwalt bewerben. Wurde ihm also ein Karrieresprung angeboten - für den Fall, dass er das Verfahren gegen Schottdorf elegant beerdigen würde?

Ist dieser Verdacht eine abwegige Verschwörungstheorie? Fakt ist, dass Natale dafür sorgte, dass die Verfahren gegen Schottdorf und viele andere Ärzte im Januar 2009 eingestellt wurden. Dies tat er im Widerspruch zur Staatsanwaltschaft München I, der die Verfahren zuvor von der Generalstaatsanwaltschaft entrissen worden waren. Noch im Januar wechselte Natale zur Generalstaatsanwalt und wurde zum Oberstaatsanwalt befördert. Angesichts dieser Abfolge hakte sogar CSU-Mann Michael Hofmann nach: "Können Sie sich vorstellen, dass das die Fantasie beflügelt? Gab es kein Augenzwinkern?" Natale antwortete stoisch: "Definitiv keines."

Meinungswandel in vier Wochen

Was diesen Vorgang noch erstaunlicher macht: Laut Aktenlage hatte Natale noch im November 2008 bei einer Besprechung mit der Sonderkommission Labor betont, er werde über seine vermeintlichen Betrugsfälle erst entscheiden, wenn das Landgericht München ein Urteil im sogenannten Pilotverfahren gegen einen Münchner Arzt gefällt habe. Dieses Verfahren sollte obergerichtlich klären, ob das vermeintliche Betrugssystem des Augsburger Laborunternehmers Bernd Schottdorf und seiner Kunden strafbar war oder nicht. Natale stellte klar, er wolle die Entscheidung des Landgerichts abwarten. So notierte es ein Mitarbeiter des Landeskriminalamts im Gesprächsprotokoll.

Doch drei Wochen später schreibt derselbe Staatsanwalt Natale in einem eigenen Aktenvermerk, er wolle alle Augsburger Verfahren einstellen - und zwar unabhängig vom Pilotverfahren. Was ist in der Zwischenzeit geschehen? Natale und seine Nachfolgerin als Sachbearbeiterin, Daniela Lichti-Rödl, bezeichneten das LKA-Protokoll am Montag im Ausschuss als nicht zutreffend. Was stimmt nun? Hat sich der Staatsanwalt innerhalb weniger Wochen um 180 Grad gedreht - warum auch immer? Oder ist der Aktenvermerk des LKA falsch? Beides wirft kein gutes Bild auf die Justiz.

Augsburg vs. München

Eine zweifelhafte Figur gab auch die Generalstaatsanwaltschaft München ab. Sie ist eigentlich als Mittelbehörde zwischen Justizministerium und den untergeordneten Staatsanwaltschaften dafür verantwortlich, dass die Rechtsprechung in ihrem Bezirk einheitlich ist. Aber zur Jahreswende 2008/2009 gab es unter ihrem Dach folgendes widersprüchliches Vorgehen: Einerseits stellte die Staatsanwaltschaft Augsburg ihre Verfahren gegen Hunderte Ärzte ein, die mit dem Labor Schottdorf die umstrittenen Abrechnungsmethoden praktizierten. Andererseits erhob die Staatsanwaltschaft München I fast gleichzeitig Anklage gegen einen Münchner Arzt, dem dasselbe vorgeworfen wurde. Es war das sogenannte Pilotverfahren. "Da fuhren zwei Züge aufeinander zu", stellte der SPD-Abgeordnete Franz Schindler entgeistert fest, "wäre es nicht Aufgabe des Generals gewesen, dafür zu sorgen, dass man sich nicht so blamiert?"

Einflussnahme der Generäle

Die Generalstaatsanwälte - im Justizjargon "Generäle" genannt - müssen demnächst im Ausschuss aussagen. Sie müssen längst nicht mehr gefragt werden, ob sie Einfluss genommen haben. Sondern nur noch, wie sehr und warum. "Ich habe mir meine Rechtsmeinung selbst gebildet", betonte der damalige Staatsanwalt Natale am Montag, "es wurde mir nicht von oben aufoktroyiert." Auch seine Nachfolgerin Lichti-Rödl beteuerte, sie habe niemals direkten Druck oder Einfluss aus der Politik miterlebt. So war es wohl auch. Aber dass es bei brisanten Fällen indirekten Einfluss gibt, das machte ihre Aussage sehr wohl deutlich. In einer Akte hatte sie notiert, der General habe "nach Rücksprache mit Dr. Seitz", dem Leiter der Strafabteilung im Justizministerium, grünes Licht für eine Entscheidung gegeben.

Dieser Vermerk ist der Beleg: Die Generäle rückversichern sich im Ministerium. Die entscheidenden Schritte werden also nicht ohne Politik gemacht. Auch der Münchner Staatsanwalt Andreas Harz, der Schottdorf und alle Ärzte anklagen wollte, sagte aus, er habe keinen Druck aus der Politik gespürt. Aber er berichtete von acht mündlichen Anweisungen, mit denen der General in seine Ermittlungen eingegriffen habe. Als dieser ihm sogar eine Hausdurchsuchung untersagen wollte, forderte Harz eine "schriftliche Weisung", um sich offiziell darüber beschweren zu können. Doch auf das Schriftstück wartete er vergebens. Der General fand einen anderen Weg, die Razzia zu verhindern: Er verlegte das Verfahren nach Augsburg. Dort wurden die Ermittlungen eingestellt.

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