ADAC Nordbayern:"Kollegen systematisch mürbe gemacht"

Sexistische Foto-Attacken: Mitarbeiter des ADAC-Nordbayern erheben schwere Vorwürfe gegen Vorgesetzte. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg ermittelt wegen des Verdachts der Untreue.

Uwe Ritzer

Am 13. Februar dieses Jahres setzt sich eine langjährige Sekretärin des ADAC Nordbayern hin und schreibt einen Brief an den Betriebsrat. Es wird ein Hilferuf und eine Anklageschrift. "Ich frage mich, was ich noch alles ertragen muss?", notiert die Frau.

Mitgliederzahl des ADAC kraeftig gestiegen

ADAC-Pannenauto: Beim Regionalverband Nordbayern läuft beim Umgang mit dem Personal offenbar einiges schief, wie interne Dokumente belegen. Herbert Behlert, Chef des ADAC Nordbayern, weist die Vorwürfe zurück.

(Foto: ddp)

Auf zwei Seiten wirft sie ihrem Vorgesetzten, angereichert mit vielen, detaillierten Beispielen Sexismus der übelsten Form vor: Wie er sich im Büro vulgär über intimste Dinge auslasse. Wie er ständig über sein Sexualleben schwadroniere. Wie er abfällig und obszön über Mitarbeiterinnen und überhaupt über Frauen herziehe. Wie er sein Handy gezückt und damit den Po einer Untergebenen fotografiert habe. Genauso wie das Tattoo auf ihrem eigenen Rücken, das zufällig beim Bücken zwischen Hose und Bluse zum Vorschein gekommen sei. Unter all dem leide sie inzwischen gesundheitlich, beklagt sich die Frau und bittet eindringlich darum, "dringend Abhilfe zu schaffen". Wenig später ist sie ihren Job los. Per Auflösungsvertrag und Abfindung. Im Gegenzug verspricht die Frau Stillschweigen; auch auf SZ-Anfrage hält sie sich daran.

Herbert Behlert, der Chef des 923.000 Mitglieder zählenden ADAC Nordbayern, schweigt sich zum Grund der Trennung ebenfalls aus. Im Übrigen kenne weder der Vorstand noch die Geschäftsführung den Brief der Frau, sagt er auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung. Zugleich treten sowohl Behlert als auch der beschuldigte Vorgesetzte den in dem Brief enthaltenen Vorwürfen vehement entgegen und bestreiten diese "als unzutreffend". Ein Anwalt des ADAC Nordbayern erklärte: "Derartige Vorwürfe sind in jeder Hinsicht unbegründet."

Die damalige Betriebsratsvorsitzende Daniela Aigenstuhler hat da Zweifel. Sie habe mehrfach versucht, mit dem Vorstand des ADAC Nordbayern über die Vorwürfe zu sprechen, sagt sie. Sogar jedes Vorstandsmitglied habe man einzeln angeschrieben und um ein Gespräch gebeten. "Es gab keine Resonanz, und alle unsere Bemühungen, die Sache aufzuklären, liefen ins Leere", sagt Aigenstuhler.

Aber nicht nur die interne Kommunikation ist gestört beim ADAC Nordbayern, einem von 18 regionalen Gauen des größten deutschen Automobilistenverbandes. Dort geht es anscheinend drunter und drüber. Es gibt offenbar Hinweise auf interne Zerwürfnisse und einige handfeste Schwierigkeiten. Der Anwalt des ADAC Nordbayern spricht dagegen von "weitgehend erfundenen Begebenheiten", die ganz offensichtlich dazu dienten, "diejenigen Persönlichkeiten in ein negatives Licht zu rücken, die sich in besonderer Weise um den ADAC Nordbayern verdient gemacht haben".

Seit Ende September sitzt ein 47-jähriger Mitarbeiter in Untersuchungshaft. Er soll auf Rechnung des ADAC Ware für sich privat eingekauft haben. An drei Komplizen soll er Rechnungen für Leistungen, die diese nie erbracht hätten, zur Zahlung angewiesen haben. Die Nürnberger Oberstaatsanwältin Antje Gabriels-Gorsolke spricht vom "Verdacht der Untreue in einer Vielzahl von Fällen" und einem Gesamtschaden von vermutlich mehr als 400.000 Euro allein seit 2005. Der Beschuldigte machte bei den Ermittlern bislang keine Angaben. Auf SZ-Anfrage wollte sich auch sein Verteidiger nicht äußern.

Die Strafanzeige gegen den Mitarbeiter hätten er und der Geschäftsführer des ADAC Nordbayern gestellt, erklärt Vorsitzender Behlert. Warum dort jedoch das mutmaßlich kriminelle Treiben des Angestellten jahrelang niemandem aufgefallen ist, dazu machte er unter Hinweis auf das laufende Verfahren keine Angaben. Ein Insider wird deutlicher. "Die Kontrollmechanismen haben völlig versagt", glaubt er.

Gut möglich, dass die Betriebsratswahl wiederholt werden muss

Nichts sagen will Behlert auch zu einem anderen Verfahren. Das Nürnberger Arbeitsgericht überprüft die Rechtmäßigkeit der Betriebsratswahl vom Mai 2010. Aigenstuhler und andere Ex-Betriebsräte haben sie angefochten. "Damals landeten Betriebsräte, die bei der Geschäftsleitung nicht gern gesehen wurden, unter fragwürdigen Umständen plötzlich auf aussichtslosen Listenplätzen", sagt ihr Anwalt Wolfgang Manske. Behlert bestreitet aber jegliche Einflussnahme auf die Listenaufstellung.

Gut möglich, dass die Betriebsratswahl wiederholt werden muss. In einem Eilverfahren wies das Landesarbeitsgericht zwar eine Beschwerde aus formalen Gründen zurück. Es stellte aber "erhebliche Fehler des Wahlvorstandes" fest, "die zur Anfechtung der Wahl berechtigen". Nach Angaben von Mitarbeitern herrscht zumindest bei Teilen der etwa 150 nordbayerischen ADAC-Angestellten ein Klima der Angst und des Misstrauens. Von Mobbing und Schikanen gegen kritische Mitarbeiter ist die Rede. Aigenstuhler sagt, sie habe eine Abmahnung erhalten, weil sie 15 Minuten zu früh mit ihrer Arbeit begonnen habe.

Unlängst lud Harry Roggow, Sekretär der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, ADAC-Mitarbeiter zum Gespräch. "Ich war entsetzt, wie frustriert und entmutigt die waren", sagt er. Roggow hegt "den Verdacht, dass unliebsame Kollegen systematisch mürbe gemacht werden". Nein, sie wüssten nichts von solchen Klagen über das Betriebsklima, sagt Behlert dazu und dementiert auch namens des Geschäftsführers.

Dass im Umgang mit dem Personal einiges schiefläuft, darauf deuten jedoch Unterlagen hin, die der SZ vorliegen. Fotos zum Beispiel, die offenbar die Gesäße von Mitarbeiterinnen in ADAC-Räumen zeigen, augenscheinlich heimlich fotografiert. Die Ex-Sekretärin schreibt, Behlert sei Zeuge der sexistischen Foto-Attacke des Vorgesetzten auf ihr Rücken-Tattoo geworden. Auch das weist Behlert pauschal als unzutreffend zurück.

Die Bundeszentrale des ADAC reagiert auf die Vorgänge in Nordbayern besorgt. Man habe gegenüber den rechtlich selbstständigen Regionalclubs keine Weisungsbefugnis, erklärte ein Sprecher. "Vor dem aktuellen Hintergrund" fordere man den ADAC Nordbayern auf, "die Auseinandersetzungen umgehend zu klären und Konsequenzen zu ziehen".

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