Abstimmung:CSU und Homosexualität: Ehe, wem Ehe gebührt

Berlin, Anti-Strauss 1980, Schwulengruppe

Im Jahr 1980 war Franz Josef Strauß noch das Feindbild der Schwulen - hier eine Demo vor dem CDU-Parteitag in Berlin.

(Foto: Paul Glaser)

Schwule galten in der CSU lange als "Fehlentwicklung" oder "schrille Minderheit". Doch nun stimmt die Junge Union über den Antrag ab, homosexuelle Partnerschaften mit der Ehe gleichzustellen.

Von Lisa Schnell

Patrick Slapal hat gerade erst die Einladung an Ministerpräsident Horst Seehofer in den Briefkasten geworfen. Er würde sich wünschen, dass Seehofer mitfeiert beim größten Fest von Schwulen und Lesben am 9. Juli in München. Der König der Konservativen zwischen Drag Queens in Netzstrumpfhosen und Tänzern mit eingeöltem Six-Pack und rotem Lackhöschen?

Für Slapal eine ganz normale Vorstellung. Er ist selbst schwul und bei der Jungen Union (JU). Sicher, die CSU sei bei diesem Thema nicht gerade die "fortschrittlichste Partei", sagt Slapal. Schwule und Lesben wurden da schon mal als "Fehlentwicklung" oder "schrille Minderheit" bezeichnet. Doch jetzt hat er Hoffnung, dass die CSU sich bewegt, zumindest ihre Jugendorganisation.

Bei einer Sonderlandesversammlung in Nürnberg stimmen diesen Samstag 341 JU-Delegierte darüber ab, ob homosexuelle Partnerschaften der Ehe zwischen Mann und Frau gleichgestellt werden sollen. Es gibt drei Varianten, von denen eine dann in das Grundsatzprogramm der JU aufgenommen wird.

Variante Nummer eins, Färbung tiefschwarz: Die Ehe zwischen Mann und Frau bleibt "das klare Leitbild" der JU, andere Lebensentwürfe werden nur "anerkannt". Variante zwei, halb-liberal: Auch in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften ist die Grundlage für Familie gelegt. Variante drei, voll-liberal: Alle sollten eine "staatlich anerkannte Ehe schließen können - unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung".

Damit könnten sich Schwule und Lesben nicht mehr nur verpartnern, sondern sich auch als Eheleute bezeichnen und gemeinsam ein Kind adoptieren. Mainstream-Forderungen bei Grünen und SPD, für die CSU aber wäre das ein Bruch mit der jetzigen Partei-Linie.

Im alten Grundsatzprogramm der Partei von 2007 steht noch, dass die CSU eine rechtliche Gleichstellung von homosexuellen Partnerschaften und der Institution Ehe ablehnt. Die Partei wehrte sich dagegen, dass auch gleichgeschlechtliche Lebenspartner vom Ehegattensplitting profitieren, doch das Bundesverfassungsgericht entschied anders.

Bis auf das Adoptionsrecht gibt es kaum mehr einen Aspekt, in dem homosexuelle Partner rechtlich schlechter gestellt sind. Hier dürfe sich die Partei "aufgrund des Kindeswohls" aber nicht öffnen, sagt der ehemalige Parteivorsitzende Erwin Huber. Auch gebe es eine "eindeutige Mehrheitsmeinung" in der Partei, dass Ehe und Lebenspartnerschaften zwei unterschiedliche Institutionen seien.

Auch das neue Grundsatzprogramm, das gerade CSU-Mann Markus Blume ausarbeitet, wende sich gegen "jegliche Relativierungsversuche der Ehe von Mann und Frau", sagt Blume. Gleichzeitig werde aber auch klar gemacht, dass die CSU "jede Form von Diskriminierung gegenüber eingetragenen Lebenspartnerschaften entschieden ablehnt".

Gerade in den Großstädten gibt es in der CSU aber auch abweichende Meinungen, so etwa von Münchens Bürgermeister Josef Schmid, der mittlerweile auf dem Christopher Street Day mitmarschiert. Dort outete er sich als persönlicher Befürworter eines Adoptionsrechts auch für schwule und lesbische Paare.

"Die CSU muss den Balast der alten Tage über Bord werfen"

Dieter Reiter und Josef Schmid beim 35. Christopher Street Day in München, 2015

Der Münchner CSU-Bürgermeister Josef Schmid (rechts) marschiert gerne beim Christopher Street Day mit.

(Foto: Robert Haas)

Einige in der CSU verweisen auch darauf, dass die großen Konfliktfelder schon durch die Gerichte abgeräumt wurden. Es gehe nur noch um Begrifflichkeiten. Das Thema jetzt zu einer großen Streitfrage zu machen, sei strategisch außerdem eher ungeschickt. Sinnvoller wäre es, das Urteil des Verfassungsgerichts zum Adoptionsrecht abzuwarten und dann diese Position zu übernehmen.

Politik habe immer den Anspruch, selbst zu gestalten, wehrt sich der JU-Vorsitzende Hans Reichhart gegen den Vorwurf. "Wir können uns nicht bei der Erbschaftsteuer beschweren, dass das Bundesverfassungsgericht sich einmischt, und uns bei dieser Frage hinter seinen Entscheidungen verstecken", sagt Reichhart.

Er sieht auch kein Problem darin, dass die Entscheidung der JU über die Homo-Ehe nun ausgerechnet in eine Zeit fällt, in der sich die CSU im Konkurrenzkampf mit der AfD wieder mehr um das rechte Spektrum kümmern wollte. "Man muss die Themen dann diskutieren, wenn sie auf den Tisch kommen", sagt Reichhart. Auch Erwin Huber lehnt es ab, die AfD als Orientierungspunkt zu nehmen. Vielmehr begrüße er es, wenn sich junge Leute Gedanken machen.

Wie sich "die jungen Leute" entscheiden werden, sei noch völlig offen, sagt Reichhart. Zwar sei die JU liberaler als der Rest der CSU, aber natürlich gebe es auch da konservative Kräfte. Der homosexuelle Jung-Politiker Slapal hofft, dass bald Homo-Ehe und Adoptionsrecht im JU-Grundsatzprogramm stehen. "Die CSU muss den Ballast der alten Tage über Bord werfen", sagt er. Die CSU öffne sich mehr und mehr, noch vor ein paar Jahren wäre so eine Diskussion unmöglich gewesen.

Slapal ist voller Hoffnung, doch in der Partei wird der Landesversammlung nicht allzu hohe Bedeutung zugemessen. "Die JU ist eine Arbeitsgemeinschaft der CSU, für Entscheidungen sind immer noch die Parteitage da", sagt ein CSU-Sprecher. Seehofer habe zwar schon als Bundesgesundheitsminister den Kontakt mit Homosexuellenverbänden nicht gescheut, ein Kurswechsel sei derzeit aber nicht erkennbar. Auch die Einladung, beim Christopher-Street-Day mitzufeiern, müsse der Ministerpräsident leider ausschlagen.

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