Abschluss der CSU-Klausur in Andechs:Das Projekt, bei dem Seehofer rot sieht

Der Ausbau der Münchner S-Bahn ist derzeit das Infrastrukturprojekt Nummer eins für Horst Seehofer. Doch seit Münchens OB Ude die Vorfinanzierung verweigert, erregt das Thema den CSU-Chef, das wird bei der CSU-Klausur in Andechs deutlich. Alle Türen will Seehofer offenbar noch nicht zuschlagen. Und auch Ude zeigt sich gesprächsbereit.

Frank Müller, Andechs

Das Thema machte Horst Seehofer geladen, wie sehr, das machte er mit seiner Faust deutlich. Die ließ der Ministerpräsident während der Pressekonferenz zum Abschluss der CSU-Klausur im Kloster Andechs auf sein kleines Rednerpult donnern, dass dem Tonmann vom Fernsehteam die Ohren unter seinem Kopfhörer dröhnten. "Herr Seehofer", rief der Kollege entnervt dazwischen, doch der CSU-Chef brauchte einen Moment, bis er erkannte, dass er sich seine eigene Aufzeichnung zerstört. "Das tut mir leid, wenn ich Ihnen Schmerzen zufüge", sagte er zunächst ungebremst und schaltete dann einen Gang zurück: "Jetzt muss ich ruhig bleiben."

Klausurtagung der CSU

Klausurtagung der CSU Bayerns: Ministerpräsident Horst Seehofer nimmt sich viel Zeit, seine Position zum Ausbau der S-Bahn-Stammstrecke zu erklären.

(Foto: dapd)

Natürlich ging es um die Stammstrecke der Münchner S-Bahn, derzeit das Infrastrukturprojekt Nummer eins für den CSU-Chef. Seitdem sich Münchens OB Christian Ude definitiv stur gestellt hat bei der vom Freistaat und der Bundesregierung erbetenen Übernahme einer Vorfinanzierungslücke von 350 Millionen Euro, sieht Seehofer bei dem Projekt rot. Er erklärte es kurzerhand für erledigt, gegen den wütenden Protest der Stadt, aber auch der eigenen Parteifreunde in den Landkreisen. Das hat Seehofer wiederum offenbar so erbost, dass er sich am Ende der Klausur viel Zeit und Energie nahm, um seine Position zu erklären. Immerhin sei es seine Regierung gewesen, "die das Projekt nach 15 Jahren zu einer Beschlussreife gebracht hat", sagte er.

Lang und breit habe man die Finanzierungsprobleme besprochen, nicht nur bei der Klausur, sondern seit Monaten. "Dass da jemand nicht beteiligt war, kann ernsthaft nicht behauptet werden", sagte er mit Blick auf interne Kritiker. Und immerhin sei es der Freistaat, der nicht nur als einziger der Beteiligten in vollem Umfang seinen Baukostenanteil tragen und den größten Teil des Zwei-Milliarden-Projekts bezahlen wolle. Sondern dass "der Freistaat Bayern weit, weit über seine eigentlichen Verpflichtungen hinausgeht". Anders als die Stadt hatte das Land sich bereit erklärt, ebenfalls 350 Millionen als vom Bund zurückzuzahlenden Zuschuss bereitzustellen. Ude dagegen lehnt das ab mit dem Verweis darauf, die Stadt sei nicht zuständig.

"Therapiebedürftiger Tunnelblick"

Dafür musste sich der Münchner OB aus Andechs vom Berliner CSU-Verkehrsminister Peter Ramsauer wüst beschimpfen lassen. "Wenn von Investitionssummen her manche Dinge schlicht und einfach nicht ausgehen, dann kann man sich nicht mit seinem OB-Hintern irgendwo in eine gesetzliche Nische festfressen, sondern dann muss man auch einmal ein Stück darüber hinausgehen", ließ sich Ramsauer über Ude zitieren und machte deutlich, dass er den Bau für erledigt hält. Dreimal sei Ude gefragt worden, dreimal habe er Nein gesagt, und ohne die Stadt sei das Projekt nicht machbar. SPD-Landeschef Florian Pronold keilte zurück: Ramsauer habe einen "therapiebedürftigen Tunnelblick".

Seehofer dagegen versagte sich Angriffe auf Ramsauer, den er früher schon einmal runtergeputzt hatte wegen skeptischer Äußerungen zum S-Bahn-Tunnel. "Mit dem Bundesverkehrsminister ist jeder Schritt besprochen und da stimmen wir auch ganz überein", sagte Seehofer.

"Meine Einladung an die Landeshauptstadt bleibt"

Immerhin: Seehofer will offenbar noch nicht alle Türen zuschlagen, zumindest der Form halber. Das Angebot an die Stadt "war und ist", sich die Vorfinanzierung zu teilen, sagte der Ministerpräsident. Seehofer verwies auch darauf, er sei bereit mit Ude zu reden: "Meine Einladung an die Landeshauptstadt bleibt. Wenn man Sinn darin sieht, kann man mit mir reden", und fügte hinzu: "Das können wir unter vier Augen tun." Den ersten Schritt zur Terminvereinbarung will Seehofer aber nicht tun.

Wer Udes Weg in der Frage verfolgt hat, wird im Gegenzug kaum darauf wetten, dass der OB der erste ist, der zum Handy greift. So reagierte Ude auch skeptisch auf das Gesprächsangebot von Seehofer. Dennoch stehe er "jederzeit für ein Gespräch zur Verfügung", sagte Ude - auch, wenn ihn das Angebot überrascht habe. Er kenne das Thema seitens der Bundesregierung nur als Beschimpfung der Stadt München. Deshalb verwundere es ihn schon sehr, "dass man, bevor man mit dem Bettelstab an die Stadtpforte klopft, erst einmal unter Absingen schmutziger Lieder einige Fenster einwirft."

Am Dienstag kommt es nun in der CSU zum Schwur. Seehofer will alle beteiligten CSU-Mandatsträger an einen Tisch holen und das weitere Verfahren klären. Dabei wird vor allem die Frage spannend, wie sich die völlig konträr liegenden Streithähne in Münchner CSU und in den Landkreisen verhalten werden. Auch mit dem Bundesverkehrsminister und mit der Bahn will Seehofer reden.

Doch völlig ergebnisoffen wird dies nicht verlaufen, das machte Seehofer in Andechs deutig. Zur Debatte stehe die Frage, "was können wir jetzt bei der Sachlage, dass also diese Millionen fehlen, mit den vorhandenen Finanzmitteln realisieren". Das heißt: Es geht also um die kleineren Verbesserungen im Netz, die Seehofer nun zügig durchziehen will. "Jetzt einfach so Placebo-Veranstaltungen zu machen, da halte ich nichts davon", sagte Seehofer. Sonst verbringe man wieder "viele Monate, vielleicht noch weitere Jahre" ohne greifbare Erfolge. "Dann ist irgendwann Bundestagswahl und dann geht gar nichts mehr."

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