Einkünfte von Abgeordneten:Wenn die Partei die Hand aufhält

Einkünfte von Abgeordneten: Abgeordnete des bayerischen Landtags bekommen im Monat 7244 Euro plus mehrere Pauschalen. Die Wichtigste ist die für mandatsbedingte Aufwendungen. Wofür sie ausgegeben wird, darüber wird aber so gut wie nie gesprochen.

Abgeordnete des bayerischen Landtags bekommen im Monat 7244 Euro plus mehrere Pauschalen. Die Wichtigste ist die für mandatsbedingte Aufwendungen. Wofür sie ausgegeben wird, darüber wird aber so gut wie nie gesprochen.

(Foto: imago stock&people)

Landtagsabgeordnete beziehen nicht nur Diäten, sie müssen als Gegenleistung für ihr Mandat auch viel Geld abführen: Parteien verlangen pro Monat zwischen 250 und 800 Euro und reden lieber nicht allzu laut darüber. Öffentlich die Praxis zu kritisieren, traut sich niemand. Aus gutem Grund.

Von Mike Szymanski

Ein Landtagsabgeordneter wie Franz Maget ist für seine SPD wie ein Geschenk. Nicht nur, weil er seit 1990 im Parlament für die Anliegen der SPD kämpft und ihr in all den Jahren ein Gesicht gegeben hat. Es geht um wesentlich mehr als nur politische Bedeutsamkeit. Der Abgeordnete Franz Maget, 59 Jahre alt und gefühlt ewiger Vertreter des Stimmkreises München-Milbertshofen ist auch eine wichtige Einnahmequelle für seine Partei. Er ist ein großes Plus auf der Habenseite der SPD, wenn man so will.

Maget sagt, seine SPD im Stimmkreis sei wie ein Sportverein. "Und ein guter Verein braucht Vereinsleben." Das kostet Geld. Ein Zuschuss zum Straßenfest hier, ein gespendeter Pokal für das Fußballturnier dort, ein Abend mit interessanten Gesprächspartnern. Am Ende öffnet Maget den Geldbeutel.

"Die Menschen glauben, die Parteien schwimmen im Geld." Die Wahrheit sei eine andere. Abgeordnete des Landtags bekommen im Monat 7244 Euro als Grundgehalt, daneben mehrere Pauschalen. Die Wichtigste davon ist jene für mandatsbedingte Aufwendungen, 3282 Euro kann Maget im Monat ausgeben. Worüber so gut wie nie gesprochen wird: Die Parteien verdienen an den Abgeordneteneinkünften kräftig mit. Mandatsträgerabgaben heißen jene Zahlungen, mit denen CSU, SPD, Grüne, Freie Wähler und FDP neben Mitgliedsbeiträgen, Spenden und staatlichen Mitteln die Kasse aufbessern.

Maget rechnet vor: Als Vizepräsident des Landtags drückt er jeden Monat etwa 400 Euro an die Bayern-SPD ab. Der einfache SPD-Abgeordnete zahlt 297 Euro. Die Münchner SPD hält dann auch noch die Hand auf: etwa 300 Euro werden fällig. An seinen Ortsverein zahlt Maget 75 Euro im Monat. Hinzu kommt ein ohnehin erhöhter Mitgliedsbeitrag von 250 Euro und eine Spende von etwa 500 Euro im Monat für die SPD in seinem Stimmkreis. Unter dem Strich sind das gute 1500 Euro im Monat, die in die Parteiarbeit fließen. In Wahljahren sogar noch mehr. Als er 2003 das erste Mal Spitzenkandidat der SPD für die Landtagswahl war, hatte er zusätzlich 50 000 Euro für den Wahlkampf eingesetzt.

Maget sagt: "Wir profitieren alle davon, wenn unsere Partei öffentlich auftreten kann." Vertretbar und zumutbar nennt er die Beiträge, allerdings sei mittlerweile auch eine Obergrenze erreicht. Es gebe auch Abgeordnete, die unter der Last der Zahlungen stöhnen würden. Öffentlich die Praxis zu kritisieren, das traut sich niemand, auch nicht in anderen Parteien. Denn die Konsequenz ist klar, wenn auch nirgends so festgeschrieben: Wer nicht mitmacht, muss damit rechnen, bei der nächsten Wahl nicht mehr aufgestellt zu werden.

Als verdeckte Parteienfinanzierung gilt die Abgabe. Immer wieder wird gefragt: Ist das denn zulässig?

"Ich habe kein schlechtes Gefühl dabei"

Hana Kühr, Parteienforscherin an der Universität Düsseldorf, hat sich gerade erst für ihre Dissertation mit den Mandatsträgerabgaben befasst, und sie kommt zu dem Ergebnis: Rechtmäßig und legitim. "Zwischen Mandatsträgern und Parteiorganisationen besteht eine symbiotische Verbindung. Gerade Abgeordnete verdanken einen beachtlichen Anteil ihres Wahlerfolgs der Unterstützung durch ihre Partei." Sie ärgert jedoch, dass die Parteien aber so oft ein Geheimnis daraus machen. Konkrete Höhen der Sonderbeiträge oder individuelle Absprachen mit den Mandatsträgern - das erfährt die Öffentlichkeit nicht. "Auf diese Weise können weder Parteimitglieder noch Externe erahnen, in welcher Höhe Mandatsträgerbeiträge geleistet werden", kritisiert die Wissenschaftlerin.

Was die Zahlungen an die Landesverbände angeht, sind die Geldströme noch nachzuvollziehen. In der CSU belaufen sich die Mandatsträgerabgaben auf 6,5 Prozent der Diät, etwa 470 Euro also. Geregelt ist das in der Beitragsordnung in der CSU-Satzung. Der FDP-Parlamentarier berappt 250 Euro, die Grünen sprechen von einem "Sonderbeitrag", auf den Abgeordneten umgelegt sind das etwa 800 Euro im Monat. Als die Freien Wähler 2008 erstmals in den Landtag einzogen, schauten sie sich ab, wie man kassiert. 4000 Euro muss jeder Abgeordnete pro Jahr überweisen, geregelt ist das in einem Vertrag mit den Parlamentariern.

Undurchsichtig werden die Zahlungen aber dann in den Untergliederungen der Parteien. "Ob und wie viel zusätzlich an Kreis- und Ortsverbände gezahlt wird, ist dem Landesverband nicht bekannt. Das regeln die Abgeordneten und die Gliederungsverbände individuell", gibt beispielsweise die FDP an. Bei der SPD ist das ähnlich, wie das Beispiel Maget zeigt. Bei den Grünen etwa wird gerne gesehen, wenn die parteinahe Petra-Kelly-Stiftung auch noch bedacht wird, berichten Abgeordnete. Offiziell heißt es hierzu aus der Parteizentrale, dies sei weder "festgeschrieben noch üblich".

Wie abhängig die Parteien vom Geld der Abgeordneten sind, illustrieren ein paar Zahlen und Einschätzungen: Bei den Grünen machen allein die Beiträge der Parlamentarier schon etwa zwölf Prozent des Gesamtetats aus. Bei den Liberalen sind es sogar 16 Prozent. SPD-Politiker Maget erklärt, dass seine Partei in München das Geld sogar für den laufenden Betrieb brauche. Bei den Grünen heißt es zwar: "Auch ohne den Sonderbeitrag wäre der Landesverband politisch voll handlungsfähig." Die zusätzlichen Mittel erlaubten jedoch "einen höheren Grad der Professionalisierung". Der frühere CSU-Chef und Landtagsabgeordnete Erwin Huber sagt: "Es ist schon eine nette Summe, die die Partei von Mandatsträgern kassiert." Verzichten könne auch seine CSU darauf nicht. "Ohne diese besonderen Beiträge wäre eine moderne Parteiarbeit aber nicht zu leisten." Huber sieht in der Abgabe einen "Solidarbeitrag".

Ein Geben und Nehmen - also?

Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) findet nichts dabei, wie das Geld über ihre Abgeordneten direkt an die Parteien weitergeleitet wird. "Dadurch, dass ich Mitglied einer Partei bin, habe ich auch meine Chancen und Möglichkeiten gehabt", sagt sie. Die Parteien müssten eben auch funktionieren.

Auch Franz Maget sagt: "Ich habe kein schlechtes Gefühl dabei." Die Frage, ob die Abgaben nun richtig oder falsch seien, stelle sich für ihn nicht. "Es ist der einzige Weg", sagt er. Soll er sich sein Vereinsleben von der Wirtschaft sponsern lassen? Lieber nicht, sagt er. Dann zahlt lieber er es aus seinen Abgeordnetenbezügen, bevor sein Verein stirbt.

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