Volksbegehren gegen Studiengebühren:Alle Hoffnung auf die Deadline-Junkies

Volksbegehren gegen Studiengebühren

Demonstration gegen Studiengebühren: Insgesamt müssen sich rund zehn Prozent in Unterschriftenlisten eintragen.

(Foto: dpa)

Das Volksbegehren gegen Studiengebühren plätschert vor sich hin. Zur Halbzeit haben nur vier Prozent der Wahlberechtigten unterschrieben, zehn sind nötig. Ob das daran liegt, dass Studenten traditionell Spätstarter sind?

Von Martina Scherf

Jurastudent Tobias ist mit seiner Mutter und seiner Großmutter in die Münchner Stadtinformation gekommen, um sich für das Volksbegehren gegen Studiengebühren einzutragen. "Warum muss ich 500 Euro im Semester hinblättern und bekomme trotzdem keinen Sitzplatz im Hörsaal?", schimpft Tobias. Wieso man "im reichsten Bundesland" für die Uni bezahlen muss, während man im Rest der Republik beitragsfrei studiert, will ihm erst recht nicht einleuchten.

Seine Mutter sagt, in der Politik laufe einiges schief: "Auf der einen Seite zahlen sie ein Betreuungsgeld dafür, dass man eine Leistung gar nicht in Anspruch nimmt, auf der anderen Seite fordern sie von Familien mit studierenden Kindern so viel Geld."

Die Alleinerziehende spart, um ihrem Sohn das Studium zu ermöglichen, und hat das Glück, dass er zu Hause wohnen kann. "Doch wenn man alles rechnet - Bücher, Kopiergeld, Fahrtkosten und bei den meisten die Miete -, dann verstehe ich, dass viele Familien das nicht schaffen." Die Oma bringt ihre Empörung auf den Punkt: "Die Schwarzen lassen sich von der FDP erpressen, das ist doch ein Skandal!"

Eine einzelne Szene aus einem Abstimmungslokal, die aber exemplarisch ist für die Stimmung im Land, wenn man den Berichten mehrerer Beobachter glaubt. "Die Leute sind sehr gut informiert", sagt Michael Piazolo, Generalsekretär der Freien Wähler und Initiator des Volksbegehrens. Erstaunlich viele ältere Leute hätten sich bereits in den Rathäusern eingetragen. Die Eintragungsquoten hätten am Mittwochabend im landesweiten Durchschnitt die Vier-Prozent-Marke überschritten. Bis zum 30. Januar müssen zehn Prozent der Wahlberechtigten unterschrieben haben, damit das Volksbegehren Erfolg hat.

Ganz vorne lägen die drei fränkischen Regierungsbezirke mit gut fünf Prozent der Wahlberechtigten. Es bestehe aber noch kein Anlass zur Euphorie, so Piazolo: "Es bleibt ein Krimi." Vor allem in den Großstädten München, Nürnberg und Augsburg sei noch "Luft nach oben". Das Bündnis für das Volksbegehren will für die zweite Woche der Eintragungsfrist noch mal alle seine Kräfte mobilisieren.

Katharina Hering von der Initiative Studieren ohne Studiengebühren (SOS) sagt, Studenten seien "Deadline-Junkies": Sie würden erst in den letzten Tagen ins Rathaus gehen, prophezeit sie. Viele wüssten auch nicht, dass sie bei ihrer Heimatgemeinde einen Eintragungsschein beantragen könnten, mit dem sie sich dann an ihrem Studienort in die Listen eintragen dürfen.

In der Regel werde dieser Schein innerhalb weniger Tage verschickt. Die SOS-Initiative werde jetzt verstärkt über Facebook und Twitter informieren und Videos mit prominenten Unterstützern wie den Wellküren oder dem Kabarettisten Wolfgang Krebs versenden.

"Jeden Tag für Abschaffung werben"

Isabell Zacharias (SPD) hofft, dass am Wochenende, wenn in München das Rathaus geöffnet habe, viele Berufstätige und Studenten, die derzeit im Prüfungsstress seien, den Weg ins Abstimmungslokal finden. "Wir werden gezielt Studenten ansprechen: Eine halbe Stunde Arbeit für 1000 Euro Lohn, das lohnt sich doch!", sagt sie in Anspielung auf die gesparten Studiengebühren für ein Jahr.

Dass einige Professoren die Angst schürten, beim Wegfall der Gebühren breche der Lehrbetrieb zusammen, erzürnt die Abgeordnete: "Das sind immerhin Beamte des Freistaats." Ulrike Gote, hochschulpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, ergänzt: "Keine einzige Stelle geht bei einem positiven Ausgang des Volksbegehrens verloren."

Im Doppelhaushalt des Freistaats für 2013/14 seien bereits 145 Millionen Euro zum Ausgleich vorgesehen. Zudem sei nicht die Herkunft des Geldes entscheidend für die Qualität von Forschung und Lehre, "sondern nur eine dauerhafte und an der Studierendenzahl ausgerichtete Finanzierung unserer Hochschulen". Vorbild sei das Modell Baden-Württemberg, wo die grün-rote Landesregierung nach der Abschaffung der Gebühren den Hochschulen 280 Euro pro Student bezahle.

Sollte das Volksbegehren die erforderliche Zahl an Unterschriften zusammenbringen, muss die Staatsregierung entscheiden, ob sie die Gebühren gleich abschafft oder es auf einen Volksentscheid ankommen lässt. Dieser könnte im Herbst gleichzeitig mit Bundestags- und Landtagswahl stattfinden.

Die CSU will die Gebühren gleich abschaffen, scheiterte aber bisher an der FDP, die auf dem Koalitionsvertrag beharrt. Ministerpräsident Horst Seehofer hatte zuletzt erklärt, er werde "jeden Tag für die Abschaffung der Studiengebühren werben".

Dass Mitglieder des Rings Christlich Demokratischer Studenten (RCDS) sich immer noch pro Studiengebühren äußern, hält Oliver Jörg (CSU), Vorsitzender des Hochschulausschusses im Landtag, für Einzelstimmen. Aus seinen Gesprächen mit den CSU-Hochschulgruppen wisse er, dass es den Studenten auf vollständige Kompensation und Mitwirkung bei der Vergabe der Mittel ankomme.

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