Verkehrsinvestitionen in Bayern:Wer kriegt was?

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Viel für die Oberbayern, wenig für die Franken. Die ungleiche Verteilung der Investitionen in Straßenbauprojekte sorgen in Bayern immer wieder für Streit. Beim Schienenverkehr sieht die Sache jedoch anders aus. Eine Analyse.

Marco Völklein

Peter Ramsauer ist ein spendabler Mann. Als der Bundesverkehrsminister im vergangenen Jahr nach zähen Verhandlungen eine Milliarde Euro zusätzlich erhielt, da verteilte er das Geld breit übers Land: Für das schwäbische Dillingen gab es eine Ortsumgehung, ebenso für das oberbayerische Rosenheim. Die vielen Geldgeschenke des CSU-Ministers stießen auf Kritik.

Anton Hofreiter (Grüne), dem Vorsitzenden des Verkehrsausschusses, fiel auf, dass fast alle Mittel für völlig neue Projekte den Bundesländern zur Verfügung gestellt wurden, aus denen der Minister und seine Staatssekretäre stammen. Allein Bayern sahnte 23 Millionen Euro ab. "Klientelpolitik" vermutete der Grüne und warf Ramsauer und den Staatssekretären vor, sie würden "bereits den Vorwahlkampf in ihren Bundesländern" beginnen.

Gerangel ums Geld gibt es immer wieder - insbesondere dann, wenn es um Verkehrsprojekte geht. Ähnlich wie Ramsauer und Hofreiter im Bund zoffen sich auch in Bayern häufig Vertreter aus Franken, Schwaben und der Oberpfalz mit oberbayerischen Politikern. Der ohnehin schon wirtschaftsstarke Süden, heißt es dann, erhalte immer nur noch mehr Geld vom Freistaat.

Auch deshalb geht es mit der geplanten zweiten S-Bahn-Stammstrecke in München nur schleppend voran: allein, weil es in der CSU starke Kräfte gibt, die hinter den Kulissen immer wieder gegen das Projekt schießen. Sie befürchten, am Ende weniger Geld zu haben für Schienenprojekte in anderen Regionen Bayerns.

Wie allerdings sieht die Situation tatsächlich aus? Fließt wirklich mehr Geld in den Süden Bayerns als in den Norden? Schaut man sich die Zahlen an, welche die Staatsregierung zum Beispiel für den Straßenbau den einzelnen Bezirken zur Verfügung gestellt hat, zeigt sich: So falsch scheint der Vorwurf nicht zu sein.

Im Jahr 2003 flossen knapp 110 Millionen Euro aus verschiedenen Töpfen des bayerischen Innen- sowie des Finanzministeriums in den Straßenbau in Oberbayern. Das geht aus einer Übersicht des bayerischen Innenministeriums hervor. Auch in anderen Jahren konnten oberbayerische Kommunen zwischen 100 und 120 Millionen Euro in neue Straßen und Brücken investieren.

Städte und Gemeinden in Oberfranken dagegen mussten mit deutlich weniger auskommen: 2003 betrug die Summe aller Straßenbaufördermittel etwa 30 Millionen Euro, 2011 waren es 38 Millionen. Ähnlich knapp gehalten werden die Straßenplaner und -bauer in Unter- und Mittelfranken, die 2011 mit jeweils etwa 42 Millionen Euro auskommen mussten. "Oberbayern schneidet da stets gut ab", sagt Thomas Mütze, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im Landtag, der seinen Wahlkreis in Aschaffenburg hat.

Allerdings wird nur ein Teil der Mittel projektbezogen vergeben. Nur dann können Politiker aktiv für ein Projekt eintreten und Geld locker machen. Ein Großteil der Mittel fließt als mehr oder weniger kontinuierlicher Strom, der die Straßenbauer vor Ort in die Lage versetzen soll, die vielen, vielen Straßen und Brücken nicht nur zu bauen, sondern auch zu unterhalten und schlicht davor zu bewahren, nach kurzer Zeit zu zerbröseln.

Wie genau diese Mittel auf die einzelnen Kommunen verteilt werden, das unterliegt komplizierten Verteilungs- und Berechnungsschlüsseln, in die unter anderem die Einwohnerzahlen und das Kfz-Steueraufkommen einfließen sowie die Möglichkeiten einer Kommune, sich selbst beim Straßenbau zu engagieren. Großprojekte wie die Straßentunnel am Mittleren Ring in München wiederum sind nicht nur im Bau teuer; vielmehr fallen auch im laufenden Betrieb und im Unterhalt hohe Summen an.

So hat München erst vor kurzem eine neue Verkehrszentrale in Betrieb genommen, von der aus Mitarbeiter den Verkehr in der Stadt rund um die Uhr im Blick haben. All das kostet Geld. Kein Wunder also, dass mehr in das von der Landeshauptstadt dominierte Oberbayern fließt als in eher ländlich geprägte Regionen. "Auf der Straße ist Oberbayern sicher nicht unterfinanziert", sagt Mütze.

Schwieriger wird das Ganze auf der Schiene, weil da zahlreiche Töpfe zur Verfügung stehen - und man noch viel mehr unterscheiden muss, ob Geld für neue Projekte verbaut oder dazu ausgegeben wird, um den laufenden Betrieb zu finanzieren. So bezahlt zum Beispiel der Freistaat pro Jahr etwa 800 bis 900 Millionen Euro sogenannte Bestellerentgelte an die Deutsche Bahn und deren Konkurrenten, damit diese die Regionalzüge und S-Bahnen in Bayern fahren.

Viel für die Oberbayern, wenig für die Franken. Die ungleiche Verteilung der Investitionen in Straßenbauprojekte sorgen in Bayern immer wieder für Streit. (Foto: dapd)

Nach Angaben von Martin Runge, dem Fraktionschef der Grünen im Landtag, fließen aber nur etwa 20 Prozent dieser Bestellerentgelte in die Münchner S-Bahn. Zugleich fahren seinen Angaben zufolge im Großraum aber - auf ganz Bayern gesehen - etwa 40 Prozent aller Regionalzüge und S-Bahnen, die wiederum 60 Prozent aller Fahrgäste transportieren. Vergleichsweise wenig Geld bei vergleichsweise großer Nachfrage.

"Das erklärt das Prinzip Sardinenbüchse, unter dem die Fahrgäste leiden", sagt Runge, der seinen Wahlkreis in Fürstenfeldbruck hat. Würde man mehr Geld nach München lenken, also dorthin, wo auch der meiste Verkehr ist, wären Verbesserungen möglich, sagt er.

Zumal der Freistaat in den vergangenen Jahren in anderen Regionen Bayerns auf der Schiene viel bewegt hat. Kleinere Regionalnetze wurden ausgeschrieben, die S-Bahn in Nürnberg ausgebaut. In eher ländlichen Regionen profitierten die Fahrgäste vom Gerangel der Anbieter, wenn ein Netz ausgeschrieben wurde, beispielsweise rund um Regensburg, Augsburg oder Rosenheim, wo diverse Bahn-Konkurrenten zum Zug kamen.

Dort fahren künftig zum Teil deutlich mehr und deutlich modernere Züge mit einem deutlich besseren Service. Den Erfolg möchte der Freistaat auch auf die Münchner S-Bahn übertragen: 2017 läuft der Vertrag mit der Deutschen Bahn aus. Dann könnte zumindest ein Teil des Münchner Netzes ausgeschrieben werden - und der Konzern so gezwungen werden, Angebot und Service zu verbessern.

Derzeit tüfteln die Fachleute des Freistaats an den Details dieser Ausschreibung. Das ist wegen des großen Netzes und des komplexen Betriebs eine nicht ganz triviale Angelegenheit. Denn klar ist auch: Eine Häufung von Pannen wie beim Ausbau der Nürnberger S-Bahn vor knapp eineinhalb Jahren kann sich keiner leisten. Dort wurde im Dezember 2010 das S-Bahn-Netz zwar auf eine Gesamtlänge von 224 Kilometer verdreifacht, moderne S-Bahn-Züge sollten die alten Rumpelzüge ersetzen.

Auf eine offizielle Feier zur Inbetriebnahme verzichteten Bahn und Freistaat aber. Weil das Eisenbahnbundesamt die Genehmigung verweigerte, standen die modernen Triebzüge nicht zur Verfügung, an Strecken und Bahnhöfen wurde noch gebaut. Aus Sicht der Kritiker läuft bis heute vieles schief bei der Nürnberger S-Bahn.

Für viele Franken war klar, dass "technische Probleme, inkompatible Standards" und vor allem "fehlendes Interesse" dafür verantwortlich sind. So formuliert es zumindest der Ortsverband Nürnberg des Verkehrsclubs Deutschland (VCD). Aber nicht nur das. Schuld ist aus VCD-Sicht natürlich auch: "fehlendes Geld."

© SZ vom 07.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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